Glück

Doris Dörrie, von Schirach, Rohrwacher, Kiefer, Brandt. Ein unbequemer Film über die Liebe

Foto: ZDF / Mathias Bothor
Foto Volker Bergmeister

Zwei Seelenverwandte treffen aufeinander: ein Punk Kalle und eine Prostituierte. Ein Unglück führt die beiden zusammen, ein Unglück entzweit sie beinahe, am Ende hat die Justiz ein Einsehen und zwei Menschen am Rande der Gesellschaft finden das „Glück“. Doris Dörrie hat atmosphärisch dicht und kühl-realistisch die Kurzgeschichte des bekannten Strafverteidigers und Bestseller-Autors Ferdinand von Schirach verfilmt. Ein starkes Stück – mit drastischen Szenen & einer zarten Liebesgeschichte, getragen von großartigen Schauspielern.

Strafverteidiger Noah Leyden (Matthias Brandt) kommt von Berufs wegen viel mit Menschen in Kontakt, die das Glück gerade verlassen hat. So ist es auch bei Irina (Alba Rohrwacher): Sie floh aus dem ehemaligen Jugoslawien, genauer gesagt aus Bosnien. Dort lebte sie in einer heilen Welt, bis der Bürgerkrieg kam, ihre Familie ermordet und sie von Soldaten vergewaltigt wurde. Ohne Papiere schlägt sie sich illegal als Prostituierte in Berlin durch. Eines Tages trifft sie den obdachlosen Punk Kalle (Vinzenz Kiefer). Die beiden Außenseiter verlieben sich ineinander und finden gemeinsam ein bisschen Glück. Sie nehmen sich eine gemeinsame Wohnung und sind happy. Irina arbeitet weiter als Prostituierte. Als eines Tages einer ihrer Freier in ihrer Wohnung stirbt, ist Kalle klar: Für Irina ist er bereit, alles zu tun, wirklich alles.

Aus dem Erzählband „Verbrechen“ (2009) stammt diese Kurzgeschichte. Sie beruht – wie stets bei Ferdinand von Schirach – auf einem wahren Fall. Doris Dörrie hat das nur elf Seiten umfassende Manuskript in ein Drehbuch gegossen und „Glück“ auch inszeniert. Eine zarte Liebesromanze, aber auch ein kühl beobachtender Film ums nackte Überleben. Man muss sich auf dieses Spiel mit Brüchen und Gegensätzen einlassen, um gepackt zu werden. Leicht macht es die Filmemacherin dem Betrachter nicht. „Glück“ ergreift radikal die Partei der beiden Außenseiter, ist von starkem Realismus geprägt und schreckt auch vor drastischen Bildern nicht zurück. Das beginnt schon bei den Rückblenden auf Irinas Leben in Bosnien. Man sieht das Mädchen in glücklichen Zeiten mit ihren Eltern. Dann kommt der Krieg, der unfassbares Leid bringt. Beklemmend und brutal die Szenen von Tod und Vergewaltigung. Irina ist traumatisiert, aber sie gibt nicht auf. Dann sind wir wieder mitten in Berlin. Irina trifft auf den Großstadtjungen Kalle, findet Halt bei ihm. Und er bei ihr. Um sie zu schützen, zerstückelt er sogar eine Leiche. Auch das zeigt die Filmemacherin  in drastischen Bildern, man sieht das elektrische Küchenmesser, die abgetrennten Gliedmaßen und viel Blut.

GlückFoto: ZDF / Mathias Bothor
„Kitsch as Kitsch can“, wurde Doris Dörrie von einigen Kinokritikern vorgeworfen. Dabei arbeitet sie nur mit melodramatischen Mitteln. Klar aber auch, dass aus der im Komödien-Genre stärkeren Regisseurin wohl nie ein Sirk oder Roehler werden wird.

Soundtrack: Nina Simone („Je me quitte pas“), Alba Rohrwacher & Thees Uhlmann („Me & You“), Sham 69 („Borstal Breakout“), Ramones („I wanna be your Boyfriend“); zu allen Songs des OST zu „Glück“ (jeweils 30 Sek. reinhören)

Großartig die beiden Hauptdarsteller: Alice Rohrwacher als vom Krieg traumatisierte junge Frau, die sich an Männer verkauft, aber zielstrebig an ihrem Leben arbeitet und vom kleinen Glück träumt. Und der meist etwas spröde wirkende Vinzenz Kiefer als Punk Kalle, den Irina mit Beharrlichkeit und Liebe von der Straße holt. Einen Blick ins Innenleben der Figuren lässt Doris Dörrie nur begrenzt zu, die Figuren halten Distanz zum Zuschauer. „Glück“ ist ein unbequemer Film. Ein Film über das Leben, über kleines Glück und großes Leid. Und die spannende Frage: Wie weit würde man gehen, um sein Glück zu bewahren und zu retten?

Starke Mimen, eine gute Inszenierung, zuweilen zu bedeutungsschwere Bilder (gerade der Einsatz der Zeitlupe) mit dem Dörrie-typischen Hang zu übergroßen Emotionen am Rande des Kitschs – und ein einprägsamer Sound. Es gibt Songs von Nina Simone und den Ramones, und ein (Schluss-)Lied, gesungen von Alba Rohrwacher und „Tomte“-Sänger Thees Uhlmann, geschrieben von Doris Dörrie und „Element of Crime“-Frontmann Sven Regener. Titel: „Me and You“. Darin heißt es: „When you are happy, I am too“. Nun, happy macht der Film nicht, eher beklommen. Aber im Fernsehen lohnt er sich… (Text-Stand: 18.7.2014)

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Kinofilm

ZDF

Mit Alba Rohrwacher, Vinzenz Kiefer, Matthias Brandt, Oliver Nägele, Maren Kroymann, Christina Große

Kamera: Hanno Lentz

Schnitt: Inez Regnier, Frank Müller

Musik: Hauschka

Produktionsfirma: Constantin Film, Rainer Curdt Filmproduktion

Drehbuch: Doris Dörrie – Nach Ferdinand von Schirach

Regie: Doris Dörrie

EA: 19.08.2014 22:45 Uhr | ZDF

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