Die Wolkenkratzer, das Straßen- und Lichtermeer von Shanghai setzt Hannes Stöhr in den ersten Szenen von „Global Player“ in Kontrast zum schwäbischen Hechingen mit seinen Reihenhäusern, den vielen Solarzellen und der Burg Hohenzollern, die über der Stadt thront. Groß sind die Gegensätze, unterschiedlich die Welten, die im Globalen Dorf enger zusammenrücken. Michael Bogenschütz (Christoph Bach), Juniorchef des familieneigenen Textilmaschinenbaubetriebs, pflegt Geschäftsbeziehungen mit einer chinesischen Firma. „Bogenschütz & Söhne“ ist in Schwierigkeiten, und mindestens genauso wie die wachsende Konkurrenz aus Fernost nervt der 90-jährige Vater, der noch ein Vetorecht besitzt. „Finger weg vom Chinesen“, warnt Paul Bogenschütz (Walter Schultheiß in einer grandiosen Altersrolle). Tatsächlich sagt Bogenschütz im Film: „Finger weg vom Kines.“
Foto: SWR / Wolfgang Schmidt
Der Dialekt ist ein wichtiger Faktor, der die im Oktober 2013 in den Kinos gestartete Produktion und seine Figuren fest im Boden verankert. Und zwar im Boden der „südlichen Provinzen“, wie die Chinesen hier zu sagen pflegen, vermutlich weil ihnen „Baden-Württemberg“ zu kompliziert ist. Angenehm, dass Schauspieler wie Bach, Schultheiß oder auch Hans-Jochen Wagner in einer kleinen Rolle als Bankdirektor den Dialekt ihrer Kindheit sprechen (und meistens dennoch gut verständlich sind), was den Realitätsbezug der Geschichte stärkt. Autor-Regisseur Hannes Stöhr („Berlin Calling“) stammt selbst aus Hechingen. „Die Globalisierung findet vor allem auch in der sogenannten Provinz statt. So entstand die Idee, die schwäbische Provinz mal ohne Blaskapelle zu zeichnen, Hechingen gegen Shanghai antreten zu lassen, David gegen Goliath realistisch zu erzählen“, sagt Stöhr.
Dieser Realismus ist gerade in seiner nüchtern-ernsthaften Darstellung komisch, etwa wenn Michael Bogenschütz und seine Sekretärin die chinesische Delegation um Herrn Chong (Kevin Shih-Hung Chen) in der Firma empfangen. Man tauscht steife Formeln aus, führt die Herren herum. Etwas aus dem Ruder läuft dieser chinesisch-schwäbische Kulturclash, als Senior Paul beim Essen hereinplatzt, um von den „Gottesbscheißerle“ (Maultaschen) auf den von kleinen Flaggen eingerahmten Tellern direkt zum Thema Lizenz-Diebstahl überzuleiten. Sehr schön auch die allerletzte Szene im Abspann, als zwei Arbeiter mit ihrem Schwäbisch die sonst famose Dolmetscherin (Jin Jin Harder) zur Verzweiflung bringen.
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Die ungewöhnlichen, sich dennoch nur selten in den Vordergrund spielenden Kompositionen von Florian Appl begleiten diesen unterhaltsamen Film. Großartig die Kamera von Andreas Doub, der in ruhigen Bildern die Architektur der globalisierten Welt erfasst, in chinesischen Mega-Cities wie in deutschen Kleinstädten, der die Nähe zu den Protagonisten nicht verliert und sich auch mal eine Spielerei gönnt: So fährt die Kamera, bevor der Firmen-Patriarch das erste Mal ins Bild kommt, ganz nahe an dessen faltige, knochige Hand, die auf einem edel verzierten Stock ruht. Man würde sich nicht wundern, wenn Paul Bogenschütz – wie einst Robert de Niro als Luzifer in „Angel Heart“ – genüsslich ein Ei verzehrt. Doch der autoritäre Vater sitzt nur im Büro und kommentiert missmutig, was sein Sohn da am Schreibtisch treibt. „Zu was brauchst du eigentlich drei Computer?“, fragt er. Dass sich Michael später, als der ersehnte Großauftrag mit einem Geschäftspartner aus Hechingen geplatzt ist, ausgerechnet in der Bar „Mephisto“ besäuft, ist sicher auch kein Zufall. Denn nun muss er sich, um die Insolvenz zu verhindern, doch „mit dem Kines“ einlassen. Was zu weiteren Verhandlungen führt, diesmal im Smog-verhangenen Peking und mit gleich 14 Chinesinnen und Chinesen, die alle gleichzeitig das Glas Wasser zum Mund führen. Eine Art Marionetten-Theater, sehr komisch, wobei Stöhr es fertigbringt, China nicht billig als „gelbe Gefahr“ zu inszenieren.
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Der Autor und Regisseur arbeitet allerdings mit recht klischeehaften Überzeichnungen. Den greisen Patriarchen pflegt die vollbusige polnische Pflegerin Agnieszka in einem superengen Kostüm, wobei sie sich auch mal einen Klaps auf den Po gefallen lassen muss. Erfrischend immerhin, dass Darstellerin Monika Anna Wojtyllo die Figur dennoch nicht wie einen Altherren-Witz auf zwei Beinen spielt. Inka Friedrich gibt die streitlustige Öko-Tochter Marlies, die sich mit dem Geld des Vaters in Köln mehrere Yoga-Studios aufgebaut hat und nun weigert, die Immobilien der Bank als Sicherheiten zu überschreiben, um die Firma zu retten. „Grünes Pack“, schimpft der alte Herr. Irgendwann taucht noch der älteste Sohn Matthias (Stefan Hallmayer) auf, der zuvor die ganz große Weite gesucht hatte – und seine Anteile an der Firma nun in Thailand in eine Strandbar investieren will.
Allzu versöhnlich bringt Stöhr die deutsche Geschichte ins Spiel. Paul Bogenschütz erweist sich als ein von Kriegserinnerungen gequälter Mann, der um sein Lebenswerk fürchtet. Mit weitgehend bekannten Archivbildern werden diese Erinnerungen und Träume illustriert. Bogenschütz steht stellvertretend für die Wirtschaftswunder-Deutschen, die als überzeugte Nazis in den Krieg gezogen sind, später geschuftet haben „bis zum Umfallen, um alles zu vergessen“, und nun einerseits ihre Scham für die damals (von wem eigentlich?) begangenen Verbrechen bekennen, andererseits für sich in Anspruch nehmen, auch Opfer gewesen zu sein („Meine ganze Jugend habe ich verloren in diesem sinnlosen Krieg“). Bei diesem Monolog des Patriarchen bilden Agnieszka, Pauls zweite Tochter Marianne (Ulrike Folkerts) sowie ihr Partner, ein Nachkomme jüdischer Nazi-Opfer, die betreten schweigende Kulisse. Der deshalb von Silvia Hallensleben in einer Kritik für „epd film“ geäußerte Verdacht, hier diene „die chinesische Gefahr vielleicht nur als Subtext der deutschen Entlastung“, erscheint weit hergeholt. Aber Stöhr macht es sich (und uns) doch etwas zu gemütlich, wenn Bogenschütz‘ Erinnerungen so allgemein und seine eigenen Handlungen im Krieg im Dunkeln bleiben.