Gipfelstürmer – Das Berginternat

Maya Haddad & Katja Weitzenböck in den Episoden "Die Neue " und "Flieg, Liv, flieg"

Foto: ZDF / Jacqueline Krause-Burberg
Foto Tilmann P. Gangloff

Die neue ZDF-Reihe „Gipfelstürmer – Das Berginternat“ (all-in-production) wirkt wie das Ergebnis eines Brainstormings: Was sind die Erfolgskomponenten der Reihen über Helferinnen mit Herz, welche Aspekte könnten ergänzt werden, was gab es noch nicht? Zum Beispiel eine Sozialpädagogin … und ein Internat. Mit Schulgeschichten kann ein Sender dank Internatsklassikern von „Hanni und Nanni“ bis „Harry Potter“ immer auf ein breites Interesse hoffen. Es gibt zwei starke weibliche Figuren, die Landschaft bietet beste Voraussetzungen für Augenfutter, und gelegentliche Wettkämpfe sorgen nicht nur für sportliche Spannung, sondern dank halsbrecherischer Abfahrten auch für spektakuläre Aufnahmen. Das Konstrukt hat nur einen Haken: Die zentrale Figur ist zwar dank Maya Haddad sehenswert, aber die meisten Nebenrollen kommen kaum übers Klischee hinaus. Davon abgesehen wirken die beiden Filme wie eine Mischung der ZDF-Reihen „Lena Lorenz“, „Tonio & Julia“ und „Team alpin“.

Die Erfolgsformel ist denkbar schlicht: Eine Geschichte wird gleich viel interessanter, wenn sie auch ansprechend verpackt ist; deshalb sind Schauplätze so wichtig. „Gipfelstürmer – Das Berginternat“ ist eine weitere jener Donnerstagsreihen, in denen das ZDF eine Helferin mit Herz in Oberbayern agieren lässt; dort scheint das Klima für Menschen mit sozialer Ader besonders günstig zu sein, schließlich tummeln sich in der Gegend unter anderem schon die Hebamme Lena Lorenz (aus der gleichnamigen Reihe) sowie Psychologin Julia (aus „Tonio & Julia“). Im Sportinternat auf Schloss Bergbrunn wäre ebenfalls eine Psychologin gefragt, aber Nele Seitz (Maya Haddad) ist Sozialpädagogin; dieser Beruf fehlte noch im Reigen der überwiegend medizinisch geprägten Helferreihen. Das Drumherum erinnert an die im letzten Jahr gestartete ZDF-Reihe „Team Alpin“ über ein Trio, das ein gemeinsames Unternehmen gründet, um seinen Kunden ganz spezielle Abenteuer zu bieten. Der Sender versprach damals ein „Erlebnis Outdoor und Freundschaft“, und das sind auch die Schlüsselbegriffe für „Gipfelstürmer“; zumindest der erste Film kommt ganz ohne romantische Ebene aus.

Wie alle Geschichten dieser Art beginnt „Die Neue“ mit einer Ankunft. Es gehört zum festen Muster des Genres, dass die Heldin entweder in ihre alte Heimat zurückkehrt oder aus einer völlig anderen Gegend stammt. Bei den Bergfilmen kommen die Frauen vermutlich wegen des größeren geografischen Gegensatzes gern aus Richtung Norden, und nicht selten lassen sie mit dem Umzug auch eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Das ist bei Nele aus Köln nicht anders: Ihr Freund fühlte sich vernachlässigt, weil sie viel Zeit mit ihrem sterbenden Vater verbracht hat. Nun also der Neuanfang: Ihre frühere Dozentin und Mentorin Gitta Engel (Katja Weitzenböck) hat die Leitung eines Sportinternats in der bayerischen Provinz übernommen, will die Einrichtung zu einer der führenden ihrer Art machen und engagiert die junge Sozialpädagogin als Ergänzung zum Lehrpersonal; allerdings zeigt sich rasch, dass gerade die Lehrerinnen ebenfalls der sozialen Nachhilfe bedürfen.

Bewertung im Detail: „Die Neue“ = 3 Sterne, „Flieg, Liv, flieg“ = 3,5 Sterne

Ein weiteres Merkmal der Reihenkonzepte ist die Verknüpfung von aktuellen Herausforderungen mit einer Fortsetzungsebene. Für diese horizontale Linie sorgt normalerweise das Privatleben der Heldin, die entweder zuviel Glück in der Liebe hat, weil gleich zwei Männer um sie werben, oder zu wenig, weil sie ihr Herz an den Falschen vergeben hat. Nele muss sich aber erst mal ganz anderen Herausforderungen stellen. Die Helferinnen – noch ein Merkmal – fühlen sich stets dazu berufen, sich überall und jederzeit einzumischen. Auch Nele hat, wie sie unumwunden einräumt, ein Helfersyndrom. Gleich in der ersten Szene hilft sie einem vermeintlichen Bauern dabei, einen Grenzstein zu versetzen, ohne zu ahnen, dass die Aktion ihrer Chefin noch großen Ärger bereiten wird. Im Zentrum stehen jedoch zwei andere Konflikte, die aber gleichen Ursprungs sind, wie sich schließlich herausstellt: Der begabte Mountainbiker Konstantin (Paul Triller), kommender Star der Schule, ist offenbar bereit, für seinen Erfolg jeden Preis zu zahlen; und die junge Referendarin Isabelle (Lara Waldow) wird nach Strich und Faden gemobbt und weiß gar nicht, warum.

Gipfelstürmer – Das BerginternatFoto: ZDF / Jacqueline Krause-Burberg
Die Direktorin und die neue Sozialpädagogin. Katja Weitzenböck und Maya Haddad in „Gipfelstürmer – Das Berginternat“

„Viel Wortgeklingel, das auch die schlecht ausgedachten Konflikte und noch schlechter erzählten Szenen dominiert (der Gipel sind ein absurdes Fahrradattentat und die Zurschaustellung reuiger Jugendlicher). Leider wird es mit den klischierten Figuren zwischen harter Sportschule und idyllischem Landleben in der zweiten Folge am 11.4. nicht besser“ (TV-Spielfilm)

Die Voraussetzungen für einen Erfolg sind also gegeben. Bei Internatsgeschichten kann ein Sender dank diverser Klassiker von „Hanni und Nanni“ bis „Harry Potter“ immer auf ein breites Interesse hoffen, zumal die Schule ein Traum ist. Gedreht wurde auf Schloss Reichersbeuern in der Nähe von Bad Tölz; in dem Gebäude befindet sich tatsächlich ein Gymnasium. Es gibt zwei starke weibliche Hauptrollen, dank der externen Figuren spielt sich die Handlung auch mal außerhalb des Schlosses ab, die Landschaft bietet Augenfutter für Panoramaschwenks und Sonnenaufgänge über Berggipfeln, und ähnlich wie in „Team alpin“ sorgen im ersten Film halsbrecherische Downhill-Abfahrten für spektakuläre Aufnahmen. Mit Maya Haddad bleibt das ZDF zudem seiner mutigen Linie treu, ein neues Format einer vergleichsweise unbekannten Schauspielerin anzuvertrauen. Anna Tebbe alias all-in-production-Geschäftsführerin und Produzentin Annette Reeker (hier zusammen mit Sven Hasselberg und Kerstin Pistorius) hat sich zudem bereits in den verschiedenen Adaptionen der Taunus-Krimis von Nele Neuhaus sowie in dem Schwarzwald-Krimi „Und tot bist Du!“ (8. und 10. April) als versierte Drehbuchautorin fürs Populäre erwiesen. Jetzt musste es nur noch gelingen, diese Elemente homogen miteinander zu kombinieren.

Natürlich schauen sich Produktionsfirmen (von all-in-production sind auch die Taunus-Krimis) bei ihrer Suche nach neuen Ideen ganz genau an, was auf einem bestimmten Sendeplatz bislang am besten funktioniert hat; andererseits genügt es glücklicherweise nicht, einfach nur die vielversprechendsten Zutaten zusammenzurühren. Deshalb ragt „Gipfelstürmer“ auch nicht weiter aus dem Genre heraus, zumal zu viele Nebenfiguren im Klischee verharren, allen voran der Gastwirt Eder, dem Nele gleich zu Beginn zur Hand geht. Felix von Manteuffel verkörpert den Mann als typisch bayerischen Grantler, der nur äußerlich wie ein freundlicher Großvater wirkt; in den „Lena Lorenz“-Filmen spielt Fred Stillkrauth eine ganz ähnliche Figur. Dazu passt Johanna Bittenbinder als verhärmte stille Dulderin, der schließlich der Kragen platzt; auch das ein typisches Rollenmuster. Immerhin bietet das Drehbuch des ersten Films eine Schlusspointe, die verrät, warum den alten Eder eine besonders innige Feindschaft mit Gitta Engel verbindet. Ähnlich eindimensional fallen die Jugendlichen aus, die dem üblichen Stereotyp des zornigen jungen Mannes mit viel Verachtung für den Rest der Welt entsprechen und erst durch Nele lernen, dass ein „like“ im echten Leben tausend mal mehr zählt als positive Klicks im Internet. Weil einige der jungen Darsteller gerade im ersten Film mehr Eifer als Talent an den Tag legen, bewegen sich die entsprechenden Szenen auf dem Niveau täglicher RTL-Serien (Regie: Jakob Schäuffelen).

Auch der Lehrkörper bekommt keine nennenswerte Tiefe. Originell ist immerhin Anna Stieblich als Mathematiklehrerin Uschi Simmer, die bei Stress in der Klasse in ein meditatives Summen verfällt, und es ist ziemlich witzig, als Nele sie versehentlich „Frau Summer“ nennt. Franziska Schlattner muss sich dagegen gerade im ersten Film mit einer unangenehmen negativen Ausstrahlung umgeben. Im zweiten ist sie dann als Leichtathletiktrainerin gefragt, die Sport wichtiger findet als Mathematik. „Flieg, Liv, flieg“ schildert das Schicksal vieler sportlich hochbegabter Kinder: Die 16jährige Liv ist nicht nur ein großes Weitsprungtalent, sondern auch Tochter einer ehrgeizigen Mutter (Julia Stinshoff), die ihrerseits früher diverse Medaillen gesammelt hat und das Mädchen ständig zu Höchstleistungen antreibt. Spätestens jetzt wird auch klar, warum Neles Rollenprofil eine Vergangenheit als hoffnungsvolle Leichtathletin enthält. Liv hat allerdings gerade ganz andere Sachen im Kopf, und das nicht nur wegen einer anstehenden Klausur; ihr Widerwillen gegen einen Bluttest hat nichts mit den angeblich leistungssteigernden Pilzen zu tun, die die Teenager kürzlich genommen haben.

Wie so oft bei neuen Reihen wirkt der zweite Film homogener und kompakter. Während die Nebenfiguren im ersten Teil tatsächlich bloß nebenher laufen, sind sie jetzt eingeführt und erhalten eigene Geschichten. Außerdem wird es romantisch: Nele bändelt ein bisschen mit Eders Sohn Leonard (Patrick Nellessen) an, will sich aber eigentlich nicht schon gleich in eine neue Beziehung stürzen; und die junge Dorfärztin Sonja (Anna Maria Sturm), mit der sie sich angefreundet hat, wird heftig von Radtrainer Byron (Benito Bause) angeflirtet. Der alte Eder startet derweil eine neue Intrige gegen Gitta Engel. In die diesmal durchweg ansprechenden schauspielerischen Leistungen fügt sich auch die junge Nadja Sabersky als Titelfigur dieser Episoden nahtlos ein; sie ist ungleich überzeugender als die jungen Episodendarsteller in „Die Neue“. Die schönste Rolle hat jedoch auch im zweiten Teil Thomas Wenke: Arnold ist Sekretär der Internatsleiterin und die gute Seele des Hauses, steht Nele stets mit Rat und Tat zur Seite und verleiht dieser tiefenentspannten Figur eine ähnliche Größe wie einst Hector Olizondo seinen Rollen in den späten Filmen von Garry Marshall, allen voran als freundlicher Concierge in „Pretty Woman“. (Text-Stand: 20.3.2019)

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Reihe

ZDF

Mit Maya Haddad, Katja Weitzenböck, Anna Maria Sturm, Felix von Manteuffel, Anna Stieblich, Franziska Schlattner, Johanna Bittenbinder, Moritz Otto, Benito Bause, Patrick Nellessen. (1) Paul Triller, Lara Waldow, (2) Nadja Sabersky, Julia Stinshoff

Kamera: Florian Schilling

Szenenbild: Albert Jupé

Kostüm: Heike Weng

Schnitt: Nina Meister, Nathalie Pürzer

Musik: Eike Hosenfeld, Ingo Ludwig Frenzel

Soundtrack: Lena Meyer-Landruth („Wild And Free“, Vorspannlied). (1) Junior Senior („Move Your Feet”)

Redaktion: Anika Kern

Produktionsfirma: all-in-production

Produktion: Annette Reeker

Drehbuch: Anna Tebbe, Sven Hasselberg, Kerstin Pistorius

Regie: Jakob Schäuffelen

Quote: (1): 4,62 Mio. Zuschauer (15% MA); (2): 3,75 Mio. (12,4% MA)

EA: 04.04.2019 20:15 Uhr | ZDF

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