Es gibt sicherlich Schlimmeres, als mit seiner Rolle verwechselt zu werden. Trotzdem nagt es natürlich am Ego, wenn man zwar ständig erkannt, aber stets als „Toni Hamady“ angesprochen wird; das ist der Name der Hauptfigur aus der Gangster-Serie „4 Blocks“, für die Kida Khodr Ramadan 2018 den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis bekommen hat. Deshalb will der Schauspieler sein Image ändern und fortan als Produzent selbst über seine Projekte bestimmen. Als Ricky Gervais ihn via Twitter für „4 Blocks“ preist und Regisseur Marvin Kren ihm von Gervais’ Serie „Extras“ erzählt, reift eine kühne Idee in Kida: Ähnlich wie der britische Comedian will er als Komparse „Abdullah“ an diversen Filmsets auftauchen. Als Rahmen soll eine Reihe über berühmte Deutsche dienen. Gervais überlässt ihm die Rechte, eine TV-Redakteurin (Christina Große) zeigt Interesse, aber dann entwickelt das Projekt eine fatale Eigendynamik, in deren Verlauf der Hauptdarsteller zum Statisten degradiert wird; die Produktionshoheit hat er da ohnehin schon längst verloren.
Geschichten über das Filmgeschäft, „Film im Film“ also, sind zwar stets faszinierend, aber auch ein typisches Insider-Sujet, das vor allem all’ jene begeistert, die die Anspielungen verstehen. Geht immer in die Hose, warnt Wim Wenders, den Kida vergeblich als Regisseur gewinnen will, und habe nur einmal geklappt: bei Truffauts „Amerikanische Nacht“ (1973). „German Genius“ ist eine Produktion für Warner TV Comedy und läuft daher außerhalb der Quotenkonkurrenz, weshalb der Aufwand umso respektabler ist. Schon allein die Liste der Mitwirkenden, ein Großteil als sie selbst, ist beeindruckend, zumal die oft ultrakurzen Gastauftritte stets einen Bezug zur Handlung haben: Daniel Kehlmann lässt Kida bei seiner Autorensuche ebenso abblitzen wie Ralf Husmann. Katrin Bauerfeind schnattert bei mehreren Zufallsbegegnungen auf ihn ein, weil sie unbedingt Katharina die Große spielen will, und Sascha Alexander Geršak schaut beim Pokerabend vorbei. Die beiden Schauspieler waren sich beim Casting für eine neue Serie begegnet. Kida hatte keine Lust, einen Sklaven zu spielen, allerdings übersehen, dass es sich um die Titelrolle handelte; die bekam dann Geršak.
Schon dieser Auftakt verdeutlicht, dass sich Kida des Öfteren selbst im Weg steht. Auch daheim hat er es nicht leicht: Gattin Karo (Britta Hammelstein) hat eindeutig die Hosen an, seine Kinder tanzen ihm auf der Nase herum („Schauspieler ist gar kein richtiger Beruf“), und der Rohbauzustand des zukünftigen Eigenheims vor den Toren der Stadt entwickelt sich ähnlich desaströs wie sein Serienprojekt. Weil die Redakteurin einen Trailer braucht, bittet er seinen Kumpel Frederick Lau, Goethe darzustellen; Leander Haußmann soll Regie führen. Das Ergebnis ist wenig überzeugend, doch Nebendarsteller Marius (Detlev Buck) ist bereit, das Haus seiner Mutter (Tatja Seibt) zu beleihen und als Koproduzent einzusteigen. Beim zweiten Trailer-Anlauf übernimmt Tom Schilling die Regie und verpulvert das gesamte Serienbudget, da ihm – mit Olli Schulz als Kaiser Wilhelm II. – ein Werk im Stil von Stanley Kubricks „Barry Lyndon“ vorschwebt. Die Redakteurin ist dennoch überzeugt und bringt Heike Makatsch als Regisseurin ins Spiel, die ihren Lebensgefährten Trystan Pütter überredet, als Einstein mitzuwirken. Als Maria Furtwängler die Produktion übernimmt und Marius mit fliegenden Fahnen überläuft, bleibt von Kidas Traum nichts mehr übrig.
Die Geschichte hätte auch als Drama funktioniert. Das macht sie zum perfekten Komödienstoff: „German Genius“ erzählt von einem grandiosen Scheitern. Die Selbstironie ist natürlich die Würze der Erzählung, aber im Grunde bloß eine fröhliche Dreingabe. Dank der Don-Quichotte-Haftigkeit der Hauptfigur ist die Serie weit mehr als bloß Comedy, selbst wenn die vielen witzigen Einfälle des Drehbuchteams (Buck und Cüneyt Kaya, beide auch Regie, sowie Constantin Lieb und Seraina Nyikos) für ein dauerhaftes Vergnügen sorgen. Die acht jeweils rund dreißig Minuten kurzen Episoden konfrontieren den großspurigen Kida mit immer wieder neuen Missgeschicken, die er oft genug selbst verursacht: Die großzügig honorierte Einladung eines Clanmitglieds, an einer Beschneidungsfeier teilzunehmen, hat schließlich zur Folge, dass Karo den Gatten vor die Tür setzt und Makatsch die Regie hinwirft; ihre Idee, Tedros Teclebrhan als „Black Beethoven“ zu besetzen, war ohnehin gewagt.
Das gilt auch für einige provokante Seitenhiebe. Zum Eklat am Beethoven-Set kommt es, weil Teclebrhans Stunt-Double ein Weißer ist. Es wären zwar nur die Hände des Mannes zu sehen, aber „Blackhanding“ geht natürlich gar nicht. Nebenthema der Episode über Marlene Dietrich ist die Mitwirkung einer Koordinatorin (Nadja Zwanziger) für die intimen Szenen zwischen der Diva (Anne Ratte-Polle) und ihrer Geliebten (Kathrin Angerer). Plötzlich ist Kida, der diesmal selbst inszeniert, nur noch Zaungast, weil die Frau die Regie übernimmt; und dann mischt sich angesichts der leidenschaftslosen Darbietungen auch noch seine Kamerafrau (Bettina Hoppe) ein, um die „Lesben-Ehre“ zu verteidigen. Die Folge nimmt vorweg, was Kida widerfährt, als Marius, der mittelmäßige Schauspieler, dessen Vorname sich niemand merken kann, erkennt, dass „Produzent“ die Rolle seines Lebens ist.
Neben dem biografisch konzipierten Vorspann, diversen parodistischen Einlagen sowie der Freude über die vielen prominenten Gäste unter den über vierzig Mitwirkenden resultiert der Reiz der Serie nicht zuletzt aus der Verquickung von Fakten und Fiktion: Kidas Nachwuchs wird von Ramadans Kindern gespielt, er betreibt im echten Leben einen Friseursalon, der „Toni Hamady“ heißt, Boule ist auch privat seine große Passion; und in der gar nicht mehr lustigen Schlussepisode nimmt Furtwängler das langgehegte, aber nie zustande gekommene UFA-Projekt mit ihr selbst als Leni Riefenstahl auf die Schippe. Dass das Showbusiness die reinste Schlangengrube ist, gehört ohnehin zum Muster von „Film im Film“-Geschichten und rundet „German Genius“ zu einem preiswürdigen großen Spaß ab.