Geheimkommando Familie

Alexander Held, Lisa Hagmeister, Rost, Adler. Kinder und andere Baustellen

Foto: SWR / Barbara Bauriedl
Foto Tilmann P. Gangloff

In der Tragikomödie „Geheimkommando Familie“ (Degeto / FFL) reist ein pensionierter Marineoffizier (Alexander Held) an den Bodensee, um sich dort mit seinem Sohn zu versöhnen. Weil das als Handlung etwas dünn wäre, ergänzt „Ella Schön“-Schöpfer Simon X. Rost die Geschichte um eine weitere Mission, die den eigentlichen Plan bald in den Hintergrund drängt: Der bärbeißige Korvettenkapitän ist der Meinung, dass der Nachwuchs seiner Pensionswirtin (Lisa Hagmeister) deutlich mehr Führung braucht, weshalb ihn die beiden Teenager prompt ins Herz schließen. Das klingt zwar nicht logisch und ist auch nicht die einzige Ungereimtheit der Geschichte, zumal die Musik in einigen dramatischen Szenen unangemessen beschwingt ist, aber schon allein die von Regisseurin Christina Adler sehr gut geführten jungen Mitwirkenden machen den Film sehenswert.

Der Mensch ist nicht gern allein, heißt es. Filme und Serien beschreiben daher gern, wie die Hauptfiguren Gleichgesinnte suchen; der Liebe wegen oder um die Einsamkeit des Lebensabends zu vertreiben. In dem Freitagsfilm „Geheimkommando Familie“ geht es um Letzteres: Ein Korvettenkapitän hat einst Frau und Kind im Stich gelassen und möchte sich nach seiner Pensionierung mit dem Sohn versöhnen; der will jedoch nichts mit seinem Erzeuger zu tun haben. Weil das als Handlung etwas dünn wäre, schickt Autor Simon X. Rost, Schöpfer unter anderem der ZDF-Sonntagsreihe „Ella Schön“, den Vater auf eine Reise von der Ost- an den Bodensee. Dort nistet sich Klaus Gremme (Alexander Held) für einige Wochen bei Mona Tauber (Lisa Hagmeister) ein, um das titelgebende „Geheimkommando Familie“ generalstabsmäßig anzugehen. Die alleinerziehende Mutter zweier Teenager hat erhebliche Geldnöte, ist aber im Gegensatz zu ihrem Haus überaus aufgeräumt und hat auch sonst ein völlig anderes Naturell als der Marineoffizier. Prompt drängt der Kontrast zwischen dem ungleichen Paar die eigentliche Mission in den Hintergrund.

Das klingt nach unbeschwerter Heiterkeit, womöglich sogar mit romantischen Untertönen, aber Rost und Christina Adler betonen vor allem die dramatischen Aspekte des Handlungsentwurfs. Die Regisseurin hat zuletzt „Kinder und andere Baustellen“ (2020) gedreht, eine sympathische ZDF-Komödie über Eltern, die eine eigene Kita eröffnen wollen. Der Titel würde auch diesmal passen, zumal der umgehend in die Familie integrierte Gremme ständig Kritik am antiautoritären Erziehungsstil seiner Vermieterin übt. Der ehemalige Kampfschwimmer, als Ausbilder ein „harter Hund“, wie das früher in soldatischen Kreisen hieß, ist selbstredend der Meinung, Kinder brauchten Führung. Claire (Amelie Gerdes), ein aufgewecktes Mädchen mit Down-Syndrom, ist seiner Ansicht nach zu dick, weil Mona ihr keine Grenzen setzt, und Linus (Xari Wimbauer) wird regelmäßig von zwei fiesen Mitschülern gemobbt. Der Junge betrachtet den Gast recht bald als Vaterersatz. Als Linus mitbekommt, wie Gremme mit zwei halbstarken Ladendieben kurzen Prozess macht, soll der Alte ihm zeigen, wie er sich gegen die Rowdys wehren kann.

Geheimkommando FamilieFoto: SWR / Barbara Bauriedl
Gremme (Alexander Held) und Mona (Lisa Hagmeister) sind auf den ersten Blick nicht wirklich kompatibel. Aber mir der Zeit kann sich selbst der Korvettenkapitän a.D. zu einem Lächeln durchringen. Das hat schon was – trotz Vorhersehbarkeit!

Buch und Regie verzichten zwar darauf, aus der Liaison zwischen dem Offizier und der Mutter eine Romanze zu machen, aber Mona wird immerhin überraschend zutraulich, obwohl der ehemalige Soldat einige charakterliche Merkmale verkörpert, die sie mutmaßlich an Männern ablehnt. Andererseits lässt die hartnäckige Zuneigung der Kinder, die sich von Gremmes unwirscher Ablehnung nicht abschrecken lassen, schon früh erahnen, dass in dem Besucher aus dem Norden gute Seiten schlummern. Das erkennt auch seine Enkelin Leila (Ava Petsch), die die ganze Angelegenheit überhaupt erst ins Rollen gebracht hat. Der entsprechende Prolog erzählt mit wenigen Bildern die Vorgeschichte, als Gremme nach ihrem Anruf („Bist du mein Opa?“) in einem Karton stöbert: ein Hochzeitsbild, ein Foto von Vater und Sohn, die Todesanzeige für seine Frau. Als die Schachtel zu Boden fällt, wirken die verstreuten Erinnerungsstücke wie der Scherbenhaufen seines Familienlebens. Ähnlich beredt ist die Szene der Verabschiedung, als Gremme allein und etwas verloren auf dem Platz zurückbleibt. So lakonisch wird es später nicht mehr zugehen.

Rosts Drehbuch lässt überdies völlig außer acht, dass es durchaus Menschen gibt, die sich selbst genügen. Als gäbe es ein entsprechendes ungeschriebenes Gesetz, setzt der Film stillschweigend voraus, dass Gremme als Pensionär in ein Loch stürzt, aber den Eindruck macht der Offizier überhaupt nicht; Alexander Held verkörpert ihn vielmehr als einen Mann, der mit sich im Reinen zu sein scheint. Die fröhliche Musik bildet ohnehin einen deutlichen Kontrapunkt zur ernsten Handlung. Das gilt erst recht für eine Szene gegen Ende, als Claire in Lebensgefahr gerät. Komponistin Martina Eisenreich schlägt jedoch einen gänzlich anderen Tonfall an, als habe sie den Auftrag gehabt, die Dramatik nicht auch noch akustisch auf die Spitze zu treiben. Dass „Geheimkommando Familie“ den gelegentlichen Ungereimtheiten zum Trotz dennoch sehenswert ist, hat der Film vor allem den von Christina Adler ausgezeichnet geführten jungen Mitwirkenden zu verdanken. Xari Wimbauer war schon in den Rückblenden eines „Tatorts“ aus Stuttgart („Vergebung“) sehr präsent, aber Amelie Gerdes ist eine echte Entdeckung; auch die junge Ava Petsch agiert sehr natürlich. Die Szenen dieser drei mit Alexander Held sind die darstellerischen Höhepunkte des Films.

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Fernsehfilm

ARD Degeto, SWR

Mit Alexander Held, Lisa Hagmeister, Xari Wimbauer, Amelie Gerdes, Nico Rogner, Ava Petsch, Halima Ilter

Kamera: Thorsten Harms

Szenenbild: Thorwald Kiefel

Kostüm: Tanja Gierich

Schnitt: Diana Matous

Musik: Martina Eisenreich

Redaktion: Monika Denisch, Manfred Hattendorf (beide SWR), Stefan Kruppa (Degeto)

Produktionsfirma: FFL Film- und Fernseh-Labor

Produktion: Matthias Drescher

Drehbuch: Simon X. Rost

Regie: Christina Adler

EA: 29.11.2023 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

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