Frühlingsgefühle

Thomalla, Berteloot, Genzkow, Scharf. Das kleine „Herzkino“ und das große Getöse

Foto: ZDF / Heike Ulrich
Foto Rainer Tittelbach

„Frühlingsgefühle“ ist der vierte ZDF-Sonntagsfilm um Dorfhelferin Katja Baumann. Die Geschichte ist eine Spur romantischer und melodramatischer angelegt als zuletzt „Frühlingskinder“. Liebesleid zieht sich durch die Handlung, leider auch ein Musikkonzept, das die Figuren und ihre Geschichte(n) verrät. Nur wenigen schönen Bild-Ideen kann der Sound nichts anhaben. Auch die Möglichkeiten der Schauspieler werden wenig genutzt.

Bei den Thomés ist die Großmutter ausgefallen. Sie ist das Herzstück des Gestüts der Familie, nachdem die Frau des Hauses nach einem Autounfall querschnittsgelähmt ist. Der Vater ist ein vielbeschäftigter Chefarzt, die Tochter versorgt allein den Hof, für die Mutter bleibt wenig Zeit. Da muss Dorfhelferin Katja Baumann übernehmen. Nur was soll sie übernehmen? Susan Thomé lässt keine Pflegekraft an sich heran. „Gehen Sie, hauen Sie ab, verschwinden Sie aus meinem Haus – raus!“, endet die erste Begegnung mit der verbitterten Frau. „Mit der Mutlosigkeit zerstören Sie Ihre Familie“, schimpft Katja zurück und überschreitet damit ihre Kompetenzen. Aber für sie kann es nicht angehen, dass Laura wegen ihrer Mutter nun zum dritten Mal ihre Hochzeit absagen soll. Irgendwann hat die von Ängsten geplagte Frau ein Einsehen, doch physiotherapeutische Wunder sind bei ihr nicht mehr zu erwarten. Zum emotional größeren Problem wird eigentlich Dr. Jules Thomé. Während Katja den unermüdlich baggernden Tierarzt Mark nach wie vor auf Distanz hält, hat es ihr dieser Halbgott in Weiß vom ersten Augenblick an angetan. Und auch er ist von ihr verzaubert.

Soundtrack: Travis („Sing“), Lisa Mitchell („Neopolitain Dreams“), Fredrika Stahl („Fast Moving Train“), Wilco („Everylast Everything“), Damien Riche („Dogs“), Brooke Fraser („Distant Sun“), Lunik („Life is all around“), Stevie Wonder („Happy Birthday“), Taylor Swift („We are never ever getting back together“), Stefanie Heinzmann („Diggin‘ in the Dirt“), Kelly Clarkson („Breakaway“)

FrühlingsgefühleFoto: ZDF / Heike Ulrich
Eine Szene, die andeutet, wo das Potenzial der Reihe liegt: bei den Schauspielern. Thomalla und Genzkow machen sich gut als Mutter und Tochter. Leider ist der Film unangenehm mit Sound und Musik überfrachtet. Diese Szene braucht keine Geigen.

„Frühlingsgefühle“ ist der vierte Film um Dorfhelferin Katja Baumann. Die Geschichte ist eine Spur romantischer und melodramatischer angelegt als zuletzt „Frühlingskinder“. Das ist vom Drehbuch her kein Problem, insbesondere weil sich das Motiv des Liebesleids stimmig und angenehm beiläufig durch die Handlung zieht. Der leichte Stimmungswandel sorgt außerdem für Abwechslung und vergrößert die Nähe zu Katja und Tochter Kiki, da die unterschiedlichen Tonlagen auch unterschiedliche Facetten der Figuren ans Tageslicht bringen. Zum Problem wird die veränderte „Färbung“ der Reihe erst bei der filmischen Umsetzung. Nuancen im Spiel, die feinen Besonderheiten der Kameraführung, die in „Frühlingskinder“ ins Auge stachen, gehen in „Frühlingsgefühle“ im Musikgetöse und Sounddesign unter. Zu Beginn werden alle Szenenüberleitungen mit belangloser Fahrstuhl-Muzak begleitet. Das riecht nach „Herzkino“-Routine – mit Musik geht alles besser, vielleicht, aber nicht mit dieser Musik! Im Verlauf des Filmes wird es dann richtig ärgerlich. Dass Musik Emotionen bündelt, verstärken kann & soll, den Zuschauer zu binden vermag, keine Frage, wenn die Musik aber nur verdoppelt, Offensichtliches überbetont, dann nervt das. In diesem Falle aber verrät es den ganzen Film, die Gefühle, die Charaktere, die Konflikte. Die Musik lenkt von den Problemen ab, befördert sie am Ende einer Szene geradewegs in die Wolken. Die Musik verhindert, dass man als Zuschauer an die „echten“ Gefühle der Figuren herankommt. Der Film drängt mit dieser Musikdramaturgie zur Universalität der Gefühle; doch das gibt dieser Plot nicht her. Es ist kein „großes“ Melodram, kann nur kleines „Herzkino“ sein – und dafür sind zu viel Geigen am Himmel (wenn’s nur Geigen wären). Wie stark, wie intensiv ist dagegen der kurze Moment, in dem Thomalla und Genzkow eines Morgens am Fenster stehen – ohne Streicher.

Der Film besitzt schöne Bild-Ideen. Drei Mal begegnet sich das verkappte Paar auf der Landstraße, eine romantische Allee, zwei Autos… Die Variation dieser Ausgangssituation gibt den Stand der Beziehung der beiden wieder. Solchen Szenen kann selbst die Musik nichts anhaben. Klug ist auch die Wiederkehr des Motivs Freiheit/Fliegen/Loslassen. Der filmischen Auflösung fehlt es allerdings ein bisschen an Unmittelbarkeit und Esprit. Für den nächsten „Frühling“ wäre wieder mehr Erdung, Ehrlichkeit und emotionale Ernsthaftigkeit erwünscht.

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Reihe

ZDF

Mit Simone Thomalla, Jean-Yves Berteloot, Carolyn Genzkow, Marco Girnth, Paula Schramm, Susanna Simon, Jan-Hendrik Kiefer, Petra Kelling

Kamera: Clemens Messow

Szenenbild: Uta Hampel

Schnitt: Fritz Busse

Musik: Christoph Zirngibl

Produktionsfirma: TeamWorx

Drehbuch: Natalie Scharf

Regie: Thomas Jauch

Quote: 6,10 Mio. Zuschauer (16,3% MA); Wh.: 3,97 Mio. (11,5% MA)

EA: 24.02.2013 20:15 Uhr | ZDF

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