Frühling in Weiß

Thomalla, Wiesinger, Szyszkowitz, Scharf, Schmitz. Lehrstück in Sachen Familien(psycho)hygiene

Foto: ZDF / Stephan Schuh
Foto Rainer Tittelbach

„Frühling in Weiß“, der siebte Film aus der ZDF-„Herzkino“-Reihe mit Simone Thomalla als Dorfhelferin, nutzt erstmals die Möglichkeiten Oberbayerns im Winter: eingeschneit auf einer Almhütte! Leider ist der Film in der Ausführung – trotz hochkarätiger Gastschauspieler – nicht so gut gemacht wie dramaturgisch gedacht. Die an sich ansehnliche „Frühling“-Reihe verschenkt ihre Themen, indem sie sie an eine oberflächliche Kontrastdramaturgie verrät. Die sozialen Probleme und familiären Konflikte verkommen zu bloßem Plot-Futter. Am Ende bleibt nur ein diffuser moralischer Appell zu mehr Ehrlichkeit & Wahrheitsliebe.

Dorfhelferin Katja kommt ins Grübeln über ihre Beziehung zu Tierarzt Mark. Er wollte – anders als sie – immer mehr als nur Freundschaft. Nachdem er nun seine Jugendliebe wiedergefunden hat, fragt sich Katja, ob da nicht bei ihr doch noch andere Gefühle im Spiel waren und sind. Ihren inneren Konflikt einfach nur weglächeln, geht dieses Mal nicht. „Warum bin ich Dorfhelferin geworden?“, fragt sie sich vielmehr und stellt ihre Lebenssituation insgesamt in Frage. Dass Tochter Kiki endlich mal auf Wolke 7 schwebt mit ihrem Sam, freut Katja zwar, dennoch kann sie in ihrer Lage momentan nur schwer damit umgehen. Rettung aus dieser Happiness-Hölle verspricht ihr neuer Auftrag. Hoch oben auf einer Alm muss sie Hof und Tiere eines alten Bauern versorgen. Auf zwischenmenschliche Probleme mit Liebe und Offenheit trifft sie aber auch hier im vermeintlichen Winteridyll. Ein völlig zerstrittenes Ehepaar mit einer renitenten Teenager-Tochter hat sich auf der Alm eingemietet. Grund für die Auszeit soll die Drogenabhängigkeit der 14jährigen Pia sein. Doch Katja, die mit dieser Familie ein paar Tage verbringen will, hat diesbezüglich so ihre Zweifel.

Mit „Frühling in Weiß“, dem siebten Film aus der ZDF-„Herzkino“-Reihe mit Simone Thomalla als Dorfhelferin, nutzt Autorin Natalie Scharf erstmals die dramaturgischen Möglichkeiten Oberbayerns im Winter. Die doppelte Auszeit auf einer Almhütte, die mehrere Tage von der Umwelt abgeschlossen ist, ermöglicht eine Insel-Situation, in der die Familie mit Hilfe der lebenserfahrenen Heldin die Chance bekommt, wieder näher zusammenzurücken. Aber das Berghüttenmotiv wird auch (melo)dramatisch genutzt: dieser Schauplatz kann zur tödlichen Falle werden. Außerdem erleben durch die Ausnahmesituation auch die horizontalen Beziehungen der Reihe eine Auffrischung: besonders die engen Bande zwischen Mutter und Tochter, die in den letzten Folgen im Alltagsgeschehen ein wenig unterzugehen schienen, werden mit dieser Geschichte aktualisiert, ohne dass sich beide ständig ihre Zuneigung in versichern müssen. Dass damit die Idee, den Dorfhelferinnenjob an den Nagel zu hängen und wieder als Krankenschwester in München zu arbeiten, gestorben ist, versteht sich von selbst. Und so wird Katja weiterhin als eine Art Sozialarbeiterin mit Gespür für Kommunikations-Probleme den Frühling in kaputte oder von Schicksalsschlägen gebeutelte Familien tragen.

Frühling in WeißFoto: ZDF / Stephan Schuh
Der gestresste Familienvater (Kai Wiesinger) verschweigt seiner Familie etwas. Wie immer in „Frühling“ stimmt vor allem der Cast.

Leider ist „Frühling in Weiß“ in der Ausführung – trotz namhafter Gastschauspieler – nicht so gut gemacht wie dramaturgisch gedacht. Man muss sich fragen, warum ein solcher „problemorientierter“ Unterhaltungsfilm nicht mit weniger krassen Gegensätzen arbeiten kann. Warum muss Aglaia Szyskowitz’ Mutter das erste Drittel eine ausgemachte Zicke mit der Stirnaufschrift „Tussi“ geben? Damit ihr Strahlen im zweiten Drittel besonders zum Tragen kommt, bevor sie im Schlussteil so überdramatisch spielen muss, als nahe der Untergang des Abenlandes? Spiegelungen schön und gut – aber warum muss der „honigsüßen Heiterkeit“ der Liebespaare im Tal eine so überzogen von Schicksal, Lebenslügen und Missverständnissen geprägte Stimmung entgegengesetzt werden? Glaubt man, mit weniger Gefälle die 90 Minuten nicht zu „überstehen“? Die Alternative wäre, statt in Schwarz und Weiß zu erzählen, mehr in die Zwischentöne der Geschichte zu gehen und damit tiefer in die Probleme. Dann freilich aber hätte Autorin Scharf den Familienkonflikt auch psychologisch stimmiger entwickeln müssen. Der Unterschied zwischen einem Drama & einem solchen Dramolett mit Hang zum Melo zeigt sich in der Art und Weise, wie mit der Kommunikation im Film umgegangen wird. Viele Interaktionen in „Frühling in Weiß“ zielen nur auf einen Effekt beim Zuschauer. Hinzu kommt die explizite Dramatik der Episode durch das Wetterchaos und einen vermeintlichen Herzinfarkt, die darüber hinaus weniger gelungen inszeniert ist als die alltäglichen oder nachdenklichen „Beziehungsszenen“. Vor allem die Bilder des Schneesturms sind nicht dazu angetan, die Dramatik wirklich zu steigern, vielmehr sieht man in ihnen die (mäßige) Inszenierung. Und man erkennt mehr die Produktionsbedingungen, als dass man mitfiebert.

Melo der Wirkungen statt Drama der Wahrhaftigkeit – ein Beispiel:
Katja lässt Pia gehen, anstatt sie vom Dorf wieder mit auf die Alm zu bringen. Sie vertraut ihr. Aber warum sagt das Mädchen nicht, was naheliegend wäre, dass sie nicht ausbüchsen, sondern in die Schule gehen will? Klar: damit es später einen wirkungsvollen, peinlichen „Auftritt“ des Vaters in der Schule geben kann.

Fazit: Die an sich ansehnliche „Frühling“-Reihe verschenkt zunehmend ihre Themen, indem sie sie an eine oberflächliche Kontrastdramaturgie verrät. Die sozialen Probleme und familiären Konflikte verkommen so zu bloßem Plot-Futter. Am Ende bleibt nur ein diffuser moralischer Appell zu mehr Ehrlichkeit & Wahrheitsliebe. So ist „Frühling in Weiß“ am Ende nicht mehr als ein naives Lehrstück in Sachen Familen(psycho)hygiene. (Text-Stand: 23.11.2014)

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Reihe

ZDF

Mit Simone Thomalla, Kai Wiesinger, Aglaia Szyszkowitz, Gloria Endres de Oliveira, Carolyn Genzkow, Marco Girnth, Florentine Lahme, Constantin von Jascheroff

Kamera: Stephan Schuh

Szenenbild: Uta Hampel

Schnitt: Charles Ladmiral

Musik: Christoph Zirngibl

Produktionsfirma: UFA Fiction, Seven Dogs Filmproduktion

Drehbuch: Natalie Scharf

Regie: Oliver Schmitz

Quote: 5,07 Mio. Zuschauer (14,4% MA)

EA: 14.12.2014 20:15 Uhr | ZDF

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