Fritzie: Der Himmel muss warten – Staffel 2

Tanja Wedhorn, Rahmanian, Panzner, Höckel, Barthel, Ahlrichs. Das Leben ist jetzt

Foto: ZDF / Britta Krehl
Foto Tilmann P. Gangloff

Mit „Fritzie – Der Himmel muss warten“ (ZDF / Polyphon) ist es Autorin Kerstin Höckel und Regisseur Josh Broecker im vergangenen Jahr gelungen, ein potenziell tragisches Thema als leicht inszenierte, über weite Strecken sogar heitere Familienserie zu präsentieren. Die Fortsetzung knüpft nahtlos an die Qualität der herausragenden ersten Staffel an: Die an Brustkrebs erkrankte Titelheldin hat die Operation gut überstanden, aber der Krebs hat gestreut, und erneut steht sie vor der Frage, wie ihr Leben weitergehen soll. Allen Rückschlägen zum Trotz lässt sich Fritzie nie unterkriegen, und in diesem Mut machenden Vorbild liegt auch dank Tanja Wedhorns glaubwürdigem Spiel sowie der konzeptionellen und handwerklichen Qualität der besondere Wert der Serie. Die sechs neuen Folgen stammen vom selben Autorinnenteam, Regie führen Neelesha Barthel und Kerstin Ahlrichs.

Einen denkbar schweren Stoff leicht, locker, mitunter sogar fröhlich zu präsentieren, aber dennoch seriös und der potenziellen Tragik angemessen: Das ist ein echtes Kunststück. Mit „Fritzie – Der Himmel muss warten“ (2020) ist dem Autorinnenteam rund um Kerstin Höckel eine Serie über das Albtraumthema Brustkrebs gelungen, vor der niemand Angst haben brauchte. Nach der niederschmetternden Diagnose gleich zum Auftakt der ersten Folge erlebte Titelheldin Fritzie (Tanja Wedhorn), Lehrerin für Biologie und Sport an einem Berliner Gymnasium, eine emotionale Achterbahnfahrt, in deren Verlauf sie sämtliche Gewissheiten infrage stellte; selbst ihre Ehe. Es schien, als hätte der Krebs gewissermaßen auch ihre Familie befallen. Die Krankheit, verbunden mit der Entscheidung „Operation ja oder nein?“, stand über allem, aber darüber hinaus ging es in jeder der sechs Folgen um typische Schulprobleme.

Fritzie: Der Himmel muss warten – Staffel 2Foto: ZDF / Oliver Feist
In der Schule (hier mit der Schulband: Tara Leiberg, Samy Abdel Fattah, Samuel Girardi) versucht Fritzie, sich ihre Sorge um den Krebs nicht anmerken zu lassen.

Diesem Erzählschema bleiben die drei Autorinnen auch in der Fortsetzung treu. Noch vor dem Vorspann informiert ein kompakter Rückblick über die bisherigen Ereignisse. Staffel eins hatte mit der Operation geendet, Staffel zwei beginnt mit dem Erwachen danach, und schon setzt Höckel die beiden Themen, die die folgenden Episoden dominieren werden. Im Vordergrund steht die alles beherrschende Frage, ob der Krebs gestreut hat. Weil Ehemann Stefan (Florian Panzner) und Sohn Florian (Nick Julius Schuck) so glücklich sind, dass Fritzie die OP gut überstanden hat, erzählt sie ihnen kurzerhand, dass nur zwei der entnommenen Lymphknoten Metastasen enthalten hätten; dabei sind die Gewebeproben noch gar nicht untersucht worden. Prompt entpuppt sich die Notlüge als frommer Wunsch, der nicht der Realität entspricht. Der zweite Aspekt mag zunächst weniger existenziell wirken, symbolisiert jedoch Fritzies Ungewissheit, wie es weitergehen soll: Sie vermisst ihren Ehering. Stefan würde sie zur Not einfach noch mal heiraten, doch eine umgehende Vision verdeutlicht, was sie davon hält: Die Bilder zeigen sie auf dem Weg zum Traualtar; und der Mensch, der sie dort erwartet, ist ganz und gar nicht Stefan. Kein Wunder, dass sich ihr Mann im weiteren Verlauf der Handlung mehr und mehr ausgeschlossen fühlt.

Soundtrack: Sanders Bohlke („I’m Gonna Make It”), Black Sabbath („Paranoid”), Thomas Anders („Das Leben ist jetzt”), Nina Simone („Feeling Good”), Yael Naim („Toxic”) James Blake („When We’re Older”), The Avelanches feat. Rivers Cuomo & Pink Siifu („Running Red Lights”), Adele („Make you feel my love“), Ruelle („Find You”), Deep Purple („Child In Time”), Ronan Keating („When You Say Nothing At All”), Duffy („I’m Scared”), Gorky’s Zygotic Mynci („Let’s Get Together”)

Fritzie: Der Himmel muss warten – Staffel 2Foto: ZDF / Britta Krehl
Mit einem Blind-Date-Rollenspiel versuchen Fritzie (Tanja Wedhorn) und Stefan (Florian Panzner) die alte Unbeschwertheit und Romantik wieder aufleben zu lassen.

Wie in der ersten Staffel kombinieren Kerstin Höckel, Christiane Bubner und Katja Grübel die Krankheits- und Beziehungsebene mit dem Schulalltag; das Konzept erinnert also erneut an den RTL-Dauerbrenner „Der Lehrer“. Fritzie will so schnell wie möglich wieder arbeiten, muss sich zunächst jedoch um ihren Sohn kümmern: Florian, gerade 16, wird Vater, aber Mitschülerin Hanna (Rosmarie Röse), eine ebenso eigenwillige wie eigensinnige junge Frau, verliert das Baby und damit irgendwie auch ihre Gefühle für ihn. Als sie kurz drauf zu ihrer Mutter nach Schweden zieht, findet Florian Trost bei Zoe (Tara Leiberg). Die Sängerin der Schulband ist in einer ähnlichen Lage wie er: Seit ihre Schwester einen Unfall hatte und im Rollstuhl sitzt, dreht sich alles nur noch um sie. Im Vergleich dazu sind die weiteren Episodenstoffe fast schon trivial. Mal schreibt ein Schüler mit Absicht schlechte Noten, damit er nicht aufs Elite-Internat muss, mal wird ein Mädchen aus armen Verhältnissen des Diebstahls bezichtigt, mal scheitert die verhuschte und ohnehin im falschen Beruf gelandete Referendarin Josy (Odine Johne) mit ihrer Schulband an den hohen Erwartungen der ehrgeizigen Rektorin Selma Herzog (Neda Rahmanian).

Selma ist nicht nur Fritzies Chefin, sondern auch ihre beste Freundin, und als sich die beiden an ihren Jugendtraum einer gemeinsamen Weltumseglung erinnern, vertröstet sie sie auf die Rente; aber Fritzie weiß nicht, ob sie das noch erleben wird. Damit ist die Serie bei ihrem eigentlichen Thema. Für diesen roten Faden steht ein Lied von Thomas Anders, das die kernige Hausmeisterin (Gisa Flake) während der Arbeit hört. „Das Leben ist jetzt“ wird zum unausgesprochenen Motto: Fritzie erwirbt kurzerhand ein gebrauchtes Segelboot und pflegt auch weiterhin ihre Liebelei mit Bademeister Milos (Tobias Licht). Aus dem Flirt der ersten Staffel wird eine handfeste Affäre, die prompt die Ehe belastet, als Stefan durch Zufall davon erfährt. Klug verzichtet die Serie auf Schuldzuweisungen: Gerade weil sich ihr Mann alle Mühe gibt, hat Fritzie zu Hause das Gefühl, nur noch auf die Krankheit reduziert zu werden. Das Verhältnis mit Milos erfüllt als kleine Realitätsflucht zwischendurch im Grunde die gleichen Bedürfnisse wie das Sonntags-„Herzkino“ im ZDF. Stefan ist sogar bereit, sich damit zu arrangieren, allerdings hat selbst seine Großmut Grenzen, und als auch Florian keine Lust mehr auf die Sprunghaftigkeit seiner Mutter hat, ist Fritzie plötzlich allein zu Hause’.

Fritzie: Der Himmel muss warten – Staffel 2Foto: ZDF / Britta Krehl
Schulleiterin Selma (Neda Rahmanian) bleibt Fritzies beste Freundin. Tanja Wedhorn

Neelesha Barthel und Kerstin Ahlrichs haben die Regie von Josh Broecker übernommen, aber ansonsten hat sich vor und hinter der Kamera bei den wichtigsten Funktionen und in den durchgehenden Rollen nichts geändert; abgesehen von Melanie (Anna Herrmann). Die Friseurin, Quasselstrippe und Frohnatur („Brustkrebse müssen zusammenhalten“) hätte allen Grund dazu, deprimiert zu sein, vertreibt aber regelmäßig die düsteren Wolken, die sich während der Chemotherapie über Fritzie zusammenbrauen. Auch dieser Teil der Erkrankung wird nicht verharmlost. Ärztin Malotta (Kirsten Block) hat zwar Verständnis für die Eskapaden ihrer Patientin, macht ihr aber auch klar, dass die Therapie an die Substanz gehen und Lebensmut kosten wird. Prompt erlebt Fritzie immer wieder Momente, in denen es ihr richtig dreckig geht. Sie lässt sich aber nie unterkriegen, und in diesem mutmachenden Vorbild liegt auch dank Tanja Wedhorn, deren Spiel in allen Höhen und Tiefen der Rolle jederzeit glaubwürdig ist, der besondere Wert der Serie; von der konzeptionellen und handwerklichen Qualität ganz zu schweigen. Erneut sorgen die Bücher für ein ständiges Auf und Ab, denn so erheiternd Fritzies Galgenhumor auch sein mag: Beängstigende Visionen wie die des Krebses, der über ihre Brust krabbelt, bringen den Ernst ihrer Lage immer wieder in Erinnerung.

Auf der anderen Seite sind es gerade die Kleinigkeiten, die die Serie so authentisch und lebensnah wirken lassen: Kaum ist Fritzie daheim, stellt sie einen Sichtschutz vor das untere Drittel des Badezimmerspiegels, um sich den Anblick ihrer fehlenden linken Brust zu ersparen. Ihr linker Arm ist nach der Operation erst mal zu nichts zu gebrauchen, lässt sich aber jeden Tag ein Stückchen höher heben; die entsprechenden Fortschritte notiert Stefan an einem Türrahmen, auf dem auch schon das Wachstum des Sohnes festgehalten worden ist. Als die leidenschaftliche Schwimmerin noch im Krankenhaus ist, bringt Milos ihr Wasser aus dem Becken mit, damit sie am Chlorgeruch schnuppern kann. Die Kamera taucht diese Bilder in eine behagliche Atmosphäre, die im Verbund mit der munteren Musik (erneut vom Trio Biber Gullatz, Andreas Schäfer, Moritz Freise) eine heitere Familienserie signalisiert, und das ist „Fritzie 2“ über weite Strecken auch, allerdings mit einem bedeutsamen Unterschied: Mit dem Aufwachen aus der Narkose beginnt für die Titelhelden der Rest ihres Lebens. Weil ihr niemand sagen kann, wie viele Jahre sie noch hat, will sie jeden Moment genießen, und selbstredend taugt sie auch in dieser Hinsicht als Vorbild; für uns alle. (Text-Stand: 9.4.2021)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Serie & Mehrteiler

ZDF

Mit Tanja Wedhorn, Neda Rahmanian, Florian Panzner, Nick Julius Schuck, Anna Herrmann, Tobias Licht, Tara Leiberg, Kirsten Block, Gisa Flake, Odine Johne, Rosmarie Röse, Ivo Kortlang, Marlene Burow, Pierre Besson, Falk Rockstroh, Anja Antonowicz

Kamera: Christian Marohl, Timo Moritz

Szenenbild: Adrienne Zeidler

Kostüm: Antje Gebauer

Schnitt: Gudrun Steinbrück, Andrea Schriever, Fritz Busse, Michel Linzer

Musik: Biber Gullatz, Andreas Schäfer, Moritz Freise

Redaktion: Kristl Philippi, Johannes Frick-Königsmann, Heike Lagé

Produktionsfirma: Polyphon

Produktion: Beatrice Kramm

Headautor*in: Kerstin Höckel

Drehbuch: Kerstin Höckel, Christiane Bubner, Katja Grübel

Regie: Neelesha Barthel, Kerstin Ahlrichs

Quote: (1+2): 3,91 Mio. Zuschauer (12,3% MA); (3+4): 3,80 Mio. (11,9% MA); (5+6): 3,27 Mio. (10,8% MA)

EA: 29.04.2021 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach