Seine Frau ist seit einem halben Jahr tot – und Kurt Tobaben hat noch nicht wieder neuen Lebensmut gefasst. Das soll sich ändern, als er die 28-jährige Luzy kennen lernt. Eines Nachts in einer Hotelbar an der Ostsee hört die Kellnerin dem alten Mann zu, ohne zu wissen, dass er ein wohlhabender Fabrikant ist. Sie ist fasziniert von der zärtlichen Art, wie er von seiner Frau spricht. Sie selbst hat keine Eltern mehr – und so ist sie sofort einverstanden, als Tobaben sie als „persönliche Gesellschafterin“ engagieren möchte. Dass da bald wohl mehr im Spiel ist als gepflegter Kulturaustausch, lässt die feine Gesellschaft Kopf stehen und irritiert vor allem auch Tochter Karin, die sich ihr Leben lang von ihrem Vater die Aufmerksamkeit gewünscht hat, die er nun jener „Sirene aus Bitterfeld“ entgegenbringt. Dennoch macht sie den ersten Schritt zur Versöhnung. Das Resultat: der nächste Eklat. Karins Bruder Kai will nicht die Firma übernehmen, sondern Koch werden. Da sieht der alte Tobaben tiefrot.
Familie kann was Wunderbares sein. „Frischer Wind“ zeigt, wie es gehen kann. Die Tobaben-Kinder haben es nie gewagt, mit dem eigenwilligen Patriarchen ein offenes Gespräch zu führen. So unterschiedlich die drei auch sind – Schwere lastet auf ihren Schultern. Da muss eine wie Luzy Ditten kommen, ein bunter Vogel, der unbekümmert ins vermeintlich gemachte Nest flattert und die vom materiellen Glück Verwöhnten fröhlich anpiekst. „Du hast das Talent, Menschen zu retten“, sagt Kurt Tobaben zu ihr. Günther Maria Halmer darf endlich mal wieder andeuten, dass er nicht nur ein starker „Typ“ ist, sondern auch ein überzeugender Schauspieler. Eine sichere Bank ist stets Floriane Daniel und Teresa Weißbach besticht einmal mehr als lebenskluge Frohnatur. Allein einigen ihrer Dialoge hätte man mehr Pepp und weniger Altklugheit („Die Liebe stirbt nicht“) gewünscht. Die größte positive Überraschung aber ist Ingeborg Westphal. Ihre Darstellung einer Künstlerin zwischen Selbstzweifel und leeren Weinflaschen trägt entscheidend mit zur „Glaubwürdigkeit“ des Films bei.
„Frischer Wind“, der Titel ist ein Versprechen – und der Film von Imogen Kimmel und Gabriele Kreis hält dieses Versprechen. Es ist ein Wohlfühlfilm, in dem alles besser ist als in vergleichbaren Degeto-Produktionen am Freitag. Das beginnt bei Figuren, denen ein psychologischer „Kern“ innewohnt, das zeigt sich im lockeren Umgang der beiden grundverschiedenen Hauptfiguren mit gesellschaftlichen Konventionen („Und wenn die Leute reden, dann lassen wir sie reden“) und setzt sich fort in der Ästhetik, beispielsweise der fein akzentuierten, sparsam eingesetzten musikalischen Untermalung. Die ARD-Programmmacher scheinen diesen frischen Wind nicht verspürt zu haben – sonst hätte die Produktion wohl nicht fast zwei Jahre warten müssen bis zur Ausstrahlung. (Text-Stand: 4.2.2011)