Frischer Wind

Günther Maria Halmer, Weißbach, Westphal & Daniel in einem lebensklugen Wohlfühlfilm

Foto: Degeto / Manju Sawhney
Foto Rainer Tittelbach

Familie kann was Wunderbares sein. Doch da muss erst ein bunter Vogel unbekümmert ins vermeintlich gemachte Nest flattern und die materiell Verwöhnten fröhlich anpieksen und sie von ihrer Wohlstandsschwere erlösen. „Frischer Wind“ – das Versprechen wird gehalten. In dem Film von Imogen Kimmel und Gabriele Kreis ist alles besser als in vergleichbaren ARD-Produktionen am Freitag: die Figuren, die Schauspieler, der Lebensstil, die Musik.

Seine Frau ist seit einem halben Jahr tot – und Kurt Tobaben hat noch nicht wieder neuen Lebensmut gefasst. Das soll sich ändern, als er die 28-jährige Luzy kennen lernt. Eines Nachts in einer Hotelbar an der Ostsee hört die Kellnerin dem alten Mann zu, ohne zu wissen, dass er ein wohlhabender Fabrikant ist. Sie ist fasziniert von der zärtlichen Art, wie er von seiner Frau spricht. Sie selbst hat keine Eltern mehr – und so ist sie sofort einverstanden, als Tobaben sie als „persönliche Gesellschafterin“ engagieren möchte. Dass da bald wohl mehr im Spiel ist als gepflegter Kulturaustausch, lässt die feine Gesellschaft Kopf stehen und irritiert vor allem auch Tochter Karin, die sich ihr Leben lang von ihrem Vater die Aufmerksamkeit gewünscht hat, die er nun jener „Sirene aus Bitterfeld“ entgegenbringt. Dennoch macht sie den ersten Schritt zur Versöhnung. Das Resultat: der nächste Eklat. Karins Bruder Kai will nicht die Firma übernehmen, sondern Koch werden. Da sieht der alte Tobaben tiefrot.

Familie kann was Wunderbares sein. „Frischer Wind“ zeigt, wie es gehen kann. Die Tobaben-Kinder haben es nie gewagt, mit dem eigenwilligen Patriarchen ein offenes Gespräch zu führen. So unterschiedlich die drei auch sind – Schwere lastet auf ihren Schultern. Da muss eine wie Luzy Ditten kommen, ein bunter Vogel, der unbekümmert ins vermeintlich gemachte Nest flattert und die vom materiellen Glück Verwöhnten fröhlich anpiekst. „Du hast das Talent, Menschen zu retten“, sagt Kurt Tobaben zu ihr. Günther Maria Halmer darf endlich mal wieder andeuten, dass er nicht nur ein starker „Typ“ ist, sondern auch ein überzeugender Schauspieler. Eine sichere Bank ist stets Floriane Daniel und Teresa Weißbach besticht einmal mehr als lebenskluge Frohnatur. Allein einigen ihrer Dialoge hätte man mehr Pepp und weniger Altklugheit („Die Liebe stirbt nicht“) gewünscht. Die größte positive Überraschung aber ist Ingeborg Westphal. Ihre Darstellung einer Künstlerin zwischen Selbstzweifel und leeren Weinflaschen trägt entscheidend mit zur „Glaubwürdigkeit“ des Films bei.

„Frischer Wind“, der Titel ist ein Versprechen – und der Film von Imogen Kimmel und Gabriele Kreis hält dieses Versprechen. Es ist ein Wohlfühlfilm, in dem alles besser ist als in vergleichbaren Degeto-Produktionen am Freitag. Das beginnt bei Figuren, denen ein psychologischer „Kern“ innewohnt, das zeigt sich im lockeren Umgang der beiden grundverschiedenen Hauptfiguren mit gesellschaftlichen Konventionen („Und wenn die Leute reden, dann lassen wir sie reden“) und setzt sich fort in der Ästhetik, beispielsweise der fein akzentuierten, sparsam eingesetzten musikalischen Untermalung. Die ARD-Programmmacher scheinen diesen frischen Wind nicht verspürt zu haben – sonst hätte die Produktion wohl nicht fast zwei Jahre warten müssen bis zur Ausstrahlung. (Text-Stand: 4.2.2011)

Frischer WindFoto: Degeto / Manju Sawhney
Der Vater lässt sich nicht reinreden. So langsam spürt man aber auch, dass mit diesem Tobaben nicht immer gut Kirschen essen war. Floriane Daniel, Theresa Weißbach und Günther Maria Halmer in „Frischer Wind“

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Günther Maria Halmer, Teresa Weißbach, Floriane Daniel, Ingeborg Westphal, Dirk Martens, Ole Tillmann

Kamera: Guntram Franke

Schnitt: Guido Krajewski

Musik: Eike Hosenfeld, Moritz Denis

Soundtrack: Aretha Franklin („Respect“)

Produktionsfirma: Relevant Film

Produktion: Heike Wiehle-Timm

Drehbuch: Gabriele Kreis

Regie: Imogen Kimmel

Quote: 4,35 Mio. Zuschauer (13,3% MA)

EA: 04.02.2011 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach