Friesland – Haifischbecken

Mehmet, Dal, Vörtler, Georg Ludy, Durchschlag. Toter Waal im Friesland Valley

Foto: ZDF / Willi Weber
Foto Tilmann P. Gangloff

Die zwölfte Episode der Krimireihe „Friesland“ (ZDF / Warner Bros.) ist ein ausgesprochen amüsanter Krimi mit witzigen Dialogen & einer verzwickten Geschichte: „Haifischbecken“ handelt von der Suche nach dem Mörder eines betrügerischen Investmentmanagers, der aus Leer ein digitales Dorado machen wollte. Die Qualität des Drehbuchs von Georg Ludy spiegelt sich nicht zuletzt in den Leistungen des ausnahmslos sehenswerten Ensembles wider, das offensichtlich viel Freude an den geschliffenen Dialogen hatte. Neben der Kernidee vom „Friesland Valley“ beeindruckt die Geschichte vor allem durch ein verzweigtes Personen-Geflecht vieler Verdächtiger. Wie im herkömmlichen Krimi wandert das Polizistenpaar von einem zum anderen, aber die Kurzweiligkeit, mit der Regisseur Thomas Durchschlag dieses eigentlich konventionelle Erzählmuster umgesetzt hat, ist äußerst vergnüglich.

Provinzkrimis sind meist besonders unterhaltsam, wenn kleine Leute mit den großen Folgen der Globalisierung konfrontiert werden: Die einen fangen an zu spinnen, die anderen kriegen Angst – und die lachenden Dritten machen Geschäfte. Manchmal allerdings bleiben die Dritten auch auf der Strecke. Der Arbeitstitel des zwölften „Friesland“-Krimis lautete „Der große Waal“, aber das Buch hätte auch „Der tote Waal“ heißen können, denn der großspurige Investmentmanager, der aus Leer ein digitales Dorado machen wollte und den Stadtrat mit seinen Visionen vom „Friesland Valley“ um den Verstand geredet hat, wird seine aus den Fingern gesogenen Pläne nicht mehr realisieren können. Das Verschwinden des Mannes ist der Auftakt zu einer Krimikomödie, die neunzig ausgesprochen unterhaltsame Minuten bietet und im Rahmen der Reihe zu den besten gehört. Schon Georg Ludys letzte Arbeit fürs ZDF, die „Wilsberg“-Episode „Mörderische Rendite“  (2018), stand unter der Devise „Gier frisst Hirn“. Doch während die Kalauer und Wortspiele damals mitunter allzu bemüht klangen, machen die Wortwechsel diesmal großen Spaß. Das Humor-Niveau der Geschichte kann sich durchaus mit der gleichfalls nach Ludys Vorlage entstandenen herrlich schrägen Heimatgroteske „Storno – Todsicher versichert“ (2015) messen, zumal viele amüsante Nebenhandlungen für weitere Heiterkeit sorgen. So prangert zum Beispiel ein kleiner Seitenstrang mit Dagmar Sachse nicht nur die empörenden Arbeitsbedingungen der sogenannten Zimmermädchen an, sondern entpuppt sich schließlich als geschickte Vorbereitung der Schlusspointe.

Friesland – HaifischbeckenFoto: ZDF / Willi Weber
Stets eine sichere Bank in einer Reihe, die nicht immer zu den t.tv-Favoriten zählt: Felix Vörtler als Kommissar Brockhorst

Die Qualität des Drehbuchs spiegelt sich auch in den Leistungen des ausnahmslos sehenswerten Ensembles wider, das offensichtlich viel Freude an den geschliffenen Dialogen hatte, zumal Ludy dafür gesorgt hat, dass alle genug zu tun haben: Eigentlich sollte das unif rmierte Duo Özlügül (Sophie Dal) und Cassens (Maxim Mehmet) den Investor nicht aus den Augen lassen, deshalb versteht es sich von selbst, dass sie den Täter finden wollen, selbst wenn Hauptkommissar Brockhorst die Mördersuche zur Chefsache gemacht hat. Felix Vörtler verkörpert den Dienststellenleiter einmal mehr mit Hingabe als Musterexemplar des cholerischen Vorgesetzten, der seinen Mitarbeitern die eigenen Fehler in die Schuhe schiebt, um dann gönnerhaft Milde walten zu lassen. Das Luftschloss des zunächst spurlos verschwundenen Betrügers, der den Anlegern eine Rendite von knapp 20 Prozent in Aussicht gestellt hat, war der Stadt Leer 1,5 Millionen Euro Wirtschaftsförderung wert. Als der Mann wieder auftaucht, liegt er als Leiche in einem der Särge von Bestatter Habedank (Holger Stockhaus). Das Luxusmodell war für die vermögende Unternehmerin Tillich (Tatja Seibt) gedacht. Die geldadelige Dame, der Dünkel und Bosheit aus allen Knopflöchern strömen, ist allerdings noch sehr lebendig und äußerst schockiert, wenn auch weniger wegen der Zweckentfremdung ihrer letzten vier Wände: Habedank hatte in ihrem Namen 300.000 Euro in Waals Projekt investiert, und die sind nun weg.

Neben der Kernidee vom „Friesland Valley“ beeindruckt Ludys Drehbuch vor allem durch das verzweigte Personengeflecht. Eine gute Nachricht ist auch, dass Tina Pfurr jetzt zum festen „Friesland“-Team gehört: Weil Apothekerin und Freizeit-Forensikerin Scherzinger (Theresa Underberg) auf einer Fortbildung weilt, schmeißt nun Melanie Harms den Laden. Die Mitarbeiterin liefert sich nicht nur einen erbitterten Kampf mit der esoterischen Heilpraktikerin (Christin Nichols) von gegenüber, sie vertritt ihre Chefin auch in kriminalistischer Hinsicht. Besagte Esoterikerin kämpft als Strahlenwarnerin gegen jede Form von Digitalisierung, ist jedoch bizarrerweise mit einem IT-Spezialisten (Florian Stetter) verheiratet; außerdem hat sie ein Verhältnis mit dem Bestatter. Eine Abteilungsleiterin (Dennenesch Zoudé) vom Ostfriesland Cable Service hat ebenfalls ihre Finger im Spiel. Alle gelten aus dem einen oder anderen Grund als verdächtig, alle haben ein Alibi, aber die meisten Alibis platzen nach und nach. Dass sich ein weiterer Akteur (Jochen Matschke) als Özlügüls großer Teenager-Liebe entpuppt, macht die Sache auch nicht leichter, zumal der eifersüchtige Cassens den Mann prompt zum Hauptverdächtigen erklärt. Wie im herkömmlichen Krimi wandert das Polizistenpaar von einem zum anderen, aber die Kurzweiligkeit, mit der Thomas Durchschlag dieses eigentlich konventionelle Erzählmuster umgesetzt hat, ist äußerst vergnüglich. Der Regisseur hat zuletzt eine sehenswerte Folge für die ZDF-Krimireihe „Stralsund„ gedreht („Doppelkopf“). Frühere Filme waren „Ich gehöre ihm“ (2017), ein Drama über ein naives Vorortmädchen, das auf einen „Loverboy“ reinfällt und auf dem Strich landet, sowie „Holger sacht nix“ (2011), ein Heimatfilm der etwas anderen Art. „Haifischbecken“ setzt dieses Qualitätsniveau nahtlos fort.

Friesland – HaifischbeckenFoto: ZDF / Willi Weber
Romantische Erinnerungen: Malte Tillich (Jochen Matschke) gibt Süher (Dal) ihre Kette zurück, die er in Jugendtagen für sie aus alten Computerteilen gemacht hatte.

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Reihe

ZDF

Mit Maxim Mehmet, Sophie Dal, Felix Vörtler, Holger Stockhaus, Tina Pfurr, Genija Rykova, Christin Nichols, Florian Stetter, Tatja Seibt, Dennenesch Zoudé, Jochen Matschke, Andreas Windhuis, Dagmar Sachse

Kamera: David Schultz

Szenenbild: Nora M. Stenutz

Kostüm: Judith von der Burg

Schnitt: Martin Wolf

Musik: Thomas Mehlhorn

Soundtrack: David Bowie („Suffragette City“, Vorspannlied), Frank Sinatra („That’s Life”)

Redaktion: Martin R. Neumann, Florian Weber

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Anton Moho

Drehbuch: Georg Ludy

Regie: Thomas Durchschlag

Quote: 7.67 Mio. Zuschauer (23,3% MA); Wh. (2022): 4,70 Mio. (18,7% MA)

EA: 23.01.2021 20:15 Uhr | ZDF

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