Friesland – Bis aufs Blut

Mehmet, Dal, Vörtler, Stockhaus, Beyer, Kaiser, Durchschlag. Nordisch by Nature

Foto: ZDF / Willi Weber
Foto Tilmann P. Gangloff

Nach dem sehenswerten Auftakt 2014 entwickelte sich „Friesland“ zur Wundertüte, und das lag nicht am Wechsel des männlichen Hauptdarstellers (von Florian Lukas zu Maxim Mehmet): Die Qualität der Drehbücher wurde äußerst wechselhaft. Mit den letzten beiden Episoden hat die ZDF-Reihe wieder zu einer guten Mischung aus Krimi und Comedy gefunden, doch „Bis aufs Blut“ (Warner Bros.) ist ein herber Rückschritt, selbst wenn die Geschichte auf den ersten Blick reizvoll klingt: Ein Ingenieur leidet offenkundig unter Verfolgungswahn. Als seine Frau ermordet wird, fühlt er sich aufs Grausigste bestätigt; aber die Polizei hält ihn für den Täter. Das Drehbuch von „Friesland“-Producerin Mariann Kaiser wirkt handlungs- und wendungsreich, ist aber im Grunde ereignisarm. Und anders als zuletzt entbehrt auch die Inszenierung (Thomas Durchschlag) jeglicher Spannung; das können auch die wenigen wirklich witzigen Szenen nicht mehr retten.

Die 13. „Friesland“-Episode folgt einer Devise, die Verschwörungsgläubige nicht witzig meinen: Nur, weil du unter Verfolgungswahn leidest, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind. „Du“ ist in diesem Fall ein Ingenieur: Hanno Schlüter (Alexander Beyer) hat vor einigen Jahren seinen Job verloren, fristet nun ein unterfordertes Dasein als Schleusenwärter, vertreibt sich seine Freizeit als notorischer Bagatellkläger und ist ansonsten überzeugt, dass ihn irgendjemand permanent beobachtet. Als er einen Einbrecher im Haus vermutet, ruft er die Polizei, aber Süher Özlügül (Sophie Dal) und Henk Cassens (Maxim Mehmet) können niemanden entdecken. Am nächsten Tag findet Schlüter die Leiche seiner ermordeten Frau Femke, und selbstverständlich fragt sich das uniformierte Duo von der Kripo Leer, ob es die Tat hätten verhindern können. Hauptverdächtiger ist natürlich der womöglich nicht mehr ganz zurechnungsfähige Gatte, der offenkundig unter einer ausgewachsenen Paranoia leidet.

Der Film macht sich zwar moderat über den Ingenieur lustig, aber bei Mord hört der Spaß auch im Schmunzelkrimi auf. Autorin Mariann Kaiser war bislang überwiegend als Producerin an „Friesland“ wie auch an „Wilsberg“ (beide von Warner Bros.) beteiligt; „Bis aufs Blut“ ist ihr erstes verfilmtes Drehbuch. Die Kunst beider Reihen liegt darin, einer Geschichte über ein Kapitalverbrechen heitere Seiten abzugewinnen, ohne dabei pietätlos zu werden. Dafür steht in „Friesland“ Bestatter Habedank (Wolfgang Stockhaus), der nicht nur Leichen, sondern auch eine beeindruckende Cannabis-Plantage im Keller hat. Kripochef Brockhorst (Felix Vörtler) nascht zwar hin und wieder gern eins von Habedanks Haschplätzchen, hat aber eine Kampagne ins Leben gerufen, um die Straßen von Leer mit Hilfe von Überwachungskameras sicherer zu machen; und eins dieser Geräte ist auf Habedanks Bestattungsinstitut gerichtet.

Friesland – Bis aufs BlutFoto: ZDF / Kai Schulz
Yunus (Yunus Cumartpay) bringt Wolfgang Habedank (Holger Stockhaus) und seinen Kumpel Gerald Boje (Michael Pink) auf eine Geschäftsidee: Ein Investment in medizinisches Cannabis! Die Hanf-Gags dürften ab 2024 nicht mehr so gut funktionieren.

Was das mit dem Mord an Frau Schlüter zu tun hat? Erst mal nichts. Das ist jedoch das kleinere Problem dieses Films; das größere ist die vollständige Abwesenheit jeglicher Spannung. Richtig geistreich ist „Bis aufs Blut“ allerdings auch nur selten. Die Mitwirkenden geben sich zwar sichtbar Mühe, den Dialogzeilen eine gewisse Heiterkeit abzuringen, und manchmal gelingt das auch, weil vor allem Tina Pfurr als Apothekenvertretung von Insa Scherzinger (Theresa Underberg) regelmäßig das Beste aus ihren Szenen macht: Anders als ihre Chefin, die auf einer Tagung weilt und daher bloß zu Beginn und am Schluss zwei Kurzauftritte hat, ist Melanie Harms keine begeisterte Hobbykriminalistin und entsprechend skeptisch, als Brockhorst sie kurzerhand als Rechtsmedizinerin verpflichtet, damit sie Schlüter Blut abnimmt. Dass es keinen entsprechenden richterlichen Beschluss gibt, erweist sich als gefundenes Fressen für dessen Anwältin (Sandra Borgmann). Süher und Henk klappern derweil das berufliche Umfeld des Opfers ab und stoßen zur Freude des Polizisten auf eine attraktive Assistentin (Mersiha Husagic), die sie auf eine interessante Spur bringt: Femke Schlüter war Wissenschaftlerin für maritime Biotechnologie und arbeitete an einer Methode, wie sich aus Wattwürmern Blutersatz gewinnen lässt: ein potenzielles Milliardengeschäft.

Das Drehbuch bringt noch weitere Erzählstränge ins Spiel, die mal mehr, mal weniger mit dem roten Faden verknüpft sind. Auf diese Weise wirkt der Film zwar handlungsreich, aber unterm Strich passiert trotzdem nicht viel, zumal die Mördersuche auf diese Weise erst mal in Vergessenheit gerät. Wirklich amüsant ist neben den Wortwechseln, die sich Brockhorst wahlweise mit der Juristin oder dem Bestatter liefert, im Grunde nur ein „Undercover“-Auftritt, als sich Yunus Özlügül (Yunus Cumartpay) und Harms zur Paartherapie melden, um rauszufinden, in welcher Beziehung der Psychologe zum Opfer stand. Sühers Bruder und die Apothekerin – und somit natürlich auch das Darstellerduo Cumartpay und Pfurr – haben sichtlich Spaß an diesem Doppelspiel. Am Ensemble liegt’s ohnehin nicht, dass „Bis aufs Blut“ deutlich hinter die beiden letzten Episoden zurückfällt; dabei hat Thomas Durchschlag, der vor zehn Jahren durch seinen besonderen Heimatfilm „Holger sacht nix“ (2011) auf sich aufmerksam gemacht hat, auch die im Februar ausgestrahlte ausgesprochen spaßige Folge „Haifischbecken“ inszeniert. Diesmal ist seine Regie völlig frei von jedweder Raffinesse und derart unaufgeregt, dass es mitunter an Langeweile grenzt. Ein bisschen mehr „Nordisch by Nature“ – das Lied von „Fettes Brot“ erklingt am Schluss – hätte dem Film echt gut getan. (Text-Stand: 21.9.2021)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ZDF

Mit Maxim Mehmet, Sophie Dal, Felix Vörtler, Holger Stockhaus, Alexander Beyer, Tina Pfurr, Yunus Cumartpay, Anja Pahl, Mersiha Husagic, Michael Pink, Theresa Underberg, Sebastian Achilles

Kamera: David Schultz

Szenenbild: Nora M. Stenutz

Kostüm: Judith von der Burg

Schnitt: Clare Dowling

Musik: Thomas Mehlhorn.

Soundtrack: David Bowie („Suffragette City“, Vorspannlied), Fettes Brot („Nordisch by Nature”)

Redaktion: Martin R. Neumann, Florian Weber

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Anton Moho

Drehbuch: Mariann Kaiser

Regie: Thomas Durchschlag

Quote: 6,85 Mio. Zuschauer (24,3% MA); Wh. (2023): 5,65 Mio. Zuschauer (21,7% MA)

EA: 23.10.2021 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach