Die Feststellung ist ein bisschen ungerecht, aber nicht völlig verkehrt: Seine witzigsten Momente hatte das „Friesland“-Ensemble zuletzt in der „Wilsberg“-Episode „Morderney“ (2018). Weil die Ostfriesen damals nur Gäste waren, hatten die typischen Scharmützel zwischen den Mitwirkenden gerade im Zusammenspiel mit den Figuren aus Münster eine ganz andere Wirkung. Ist es unter sich, bewegt sich das Quartett aus Leer in mittlerweile sattsam bekannten Bahnen: Festlandkommissar Brockhorst (Felix Vörtler) poltert, Apothekerin Scherzinger (Theresa Underberg) möchte gern kriminalisieren, und das Polizistenpaar kabbelt sich. Einzige Änderung seit dem Auftakt 2014 („Mörderische Gezeiten“): Der Partner von Süher Özlügül (Sophia Dal) wird nicht mehr von Florian Lukas verkörpert, sondern seit dem sechsten Film („Der blaue Jan“, 2018) von Maxim Mehmet. Die Krimihandlungen sind jeweils bloß ein Vorwand, um das durch Holger Stockhaus als Bestatter Habedank ergänzte Ensemble in die immer wieder gleiche Umlaufbahn zu schicken: Es gibt einen Mord, Brockhorst markiert den Chef, wäre ohne das uniformierte Duo aber völlig aufgeschmissen. Die Apothekerin, die den Hauptkommissar regelmäßig um den Finger wickelt, möchte die Leiche gar zu gern untersuchen, was ihr trotz ausdrücklichen Verbots regelmäßig gelingt; und natürlich tragen ihre Erkenntnisse zur Überführung des Täters bei.
Nach dieser Schablone funktioniert auch „Asche zu Asche“. Ein gewisser Reiz der Geschichte liegt in der Idee, die Krimihandlung als Wettbewerb zwischen zwei Beerdigungsinstituten aufzuziehen: Nach dem Tod einer Kollegin, die mit ihren Billigangeboten die Preise kaputt gemacht hat, gerät Habedank in Verdacht, die Konkurrentin aus dem Weg geräumt zu haben. Selbst Polizist Cassens (Mehmet), obschon ein guter Bekannter Habedanks, hat es vorgezogen, seine verstorbene Patentante von Frau Mohn unter die Erde bringen zu lassen. Autor Stefan Rogall (Grimme-Preis für den „Polizeiruf 110 – Kleine Frau“, 2006), der auch „Morderney“ geschrieben hat, nutzt die Gelegenheit, um in seinem ersten Drehbuch für die „Friesland“-Reihe den Bestattungstourismus Richtung Holland anzuprangern, weil Verstorbene dort zu Discounterpreisen entsorgt werden; „Leichen waren auch mal Menschen“, merkt der selbstredend zu Unrecht verdächtigte Habedank an. Cassens hat ohnehin ein schlechtes Gewissen, weil er kaum noch Kontakt zu der Verstorbenen hatte. Dabei hat sie kurz vor ihrem Tod sogar eine Lebensversicherung zu seinen Gunsten abgeschlossen, von der er aber gar nichts hat, weil sie aufgrund ihres Ablebens die Beiträge nicht lange genug zahlen konnte; und dieses Detail entpuppt sich nach allerlei Umwegen als Schlüssel zur Lösung.
Bis es soweit ist, reihen Rogall und Sven Nagel viele Situationen aneinander, die teilweise tatsächlich recht komisch sind, aber mitunter auch wie eine Nummernrevue wirken. Nagel ist in gewisser Weise im Bestattermilieu heimisch: Seine erste szenische Regiearbeit war vor einigen die Dokusoap-Parodie „Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!“, entstanden im Rahmen des „TVLab“, eine Nachwuchsreihe von ZDF-Ableger Neo. Der Pilotfilm zu der komischen Serie über drei Brüder, die ein heruntergekommenes Bestattungsunternehmen übernommen haben und sich eine Peinlichkeit nach der anderen leisten, hat 2014 beinahe einen Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung bekommen. Von solchen Ehren können Rogall und Nagel zumindest mit „Asche zu Asche“ nur träumen. Der doppeldeutige Titel bezieht sich nicht nur auf das Bestattungsritual, sondern auch aufs Finale, weil das durch betrügerische Versicherungsmachenschaften erlöste Geld sinnigerweise im Urnengrab versteckt ist; das ist allerdings auch schon einer der subtileren Scherze des Films. Da war „Diese Kaminskis“ von ganz anderem Kaliber; dort konnten Nagel und sein Koautor Torsten Fraundorf souverän mit den typischen Versatzstücken der Reality-Soaps jonglieren. Das funktioniert bei „Friesland“ schon deshalb nicht, weil die Figuren nicht aus ihren vorgegebenen Rollenmustern ausbrechen (dürfen). Daran ändern auch die weiteren Mitwirkenden nichts, selbst wenn eine von Kathrin Wehlisch als Eiskönigin verkörperte Rechtsmedizinerin etwas Bewegung ins Ensemble bringt: Erst droht sie Brockhorst mit dem Staatsanwalt, weil die Apothekerin ihre Finger nicht von der Leiche lassen konnte, dann lässt sie sich durch ein Rendezvous besänftigen. Eine Bereicherung für die Geschichte ist allerdings eine von Franziska Wulf wohltuend unbekümmert verkörperte fröhliche Friedhofswärterin, die aus irgendeinem Grund einen Narren an Cassens gefressen hat und ihm versichert, auf ihrem Friedhof sei immer ein Grab für ihn frei. Es wäre schön, wenn Wulf, die auch die Sat-1-Serie „Der Bulle und das Biest“ bereichert, der Reihe erhalten bliebe.
Der Rest sind Gimmicks wie die Pulsuhr des leicht cholerischen Brockhorst, die immer dann zu piepen beginnt, wenn ihm gleich der Kragen platzt; sie piept ziemlich oft. Ähnlich harmlos, aber witzig gespielt ist Cassens’ Schreck, als er in der Praxis einer Ärztin (Nina Kronjäger) unversehens einem Skelett gegenübersteht; er revanchiert sich, indem er einen Finger abbricht. Andere Ideen hätten das Zeug für gute Running Gags, verpuffen aber etwas witzlos. So fährt Cassens zum Beispiel mit dem Sarg der Tante durch die Gegend, weil ihn die Kollegin darauf hingewiesen hat, dass er eine „persönliche Verflechtung“ mit dem Bestattungsunternehmen Mohn vermeiden sollte. Später wird ihm sein Auto samt Sarg und Tante gestohlen. Das ist alles ganz nett, aber auch zutiefst harmlos. Hinzu kommt, dass Maxim Mehmet seinen Polizisten allzu sehr als Comedy-Figur verkörpert und ständig Gesichter macht; das soll wohl den humoristischen Effekt verstärken, könnte sich bei einem anspruchsvollen Publikum aber kontraproduktiv auswirken. An anderer Stelle gibt es dagegen zu wenig: Auf schwarze Scherze, angesichts des Sujets eigentlich kaum vermeidbar, hat Nagel völlig verzichtet; vielleicht, weil der Film auf keinen Fall seine Familientauglichkeit verlieren sollte. Deshalb wirkt auch das Finale wie mit angezogener Handbremse inszeniert: Obwohl sich Täter und Polizei am Ende bei Nacht und kräftig wallendem Nebel auf dem Friedhof einfinden, lässt Nagel keinerlei Thrillerspannung oder gar Gruselstimmung aufkommen.