Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Inkontinenz: Wechseljahre sind kein Spaß. Hinzu kommen Stimmungsschwankungen, die nicht allein hormonell bedingt sind: Die Erkenntnis, dass die Jugend definitiv vorbei ist, ist nur mit sonnigem Gemüt und ausgeprägt positiver Grundhaltung zu verkraften. Beides lässt sich Annette Frier, als gebürtige Kölnerin ohnehin zu guter Laune verdammt, getrost attestieren. Aber jetzt will sie raus aus der Schublade der rheinischen Frohnatur. Im Alltag hat sie als Frau um die Fünfzig allerdings, siehe oben, ganz andere Probleme, und damit nicht genug: Zu allem Überfluss wird ihre noch sehr junge Tochter Mutter und der untreue Gatte Vater.
Foto: Joyn / Willi Weber
Frier hat die fortlaufend erzählte achtteilige Serie mit dem gleich zweifach cleveren Titel „Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage“ nicht nur initiiert, sondern auch koproduziert. Dass sie sich selbst spielt, erinnert an „Pastewka“ (2005 gestartet, damals ebenfalls bei Sat.1), und natürlich gibt es neben den familiären Verwicklungen auch vergleichbare spöttische Spitzen gegen das Showgeschäft, aber der Hintergrund ist ein gänzlich anderer: Annette möchte die Menopause zum Thema einer Serie machen und prallt damit gegen eine gläserne Wand. Wechseljahre sind tabu, und das nicht bloß für Schauspielerinnen, wie sie von einer Drehbuchautorin erfährt: Die Frau hat sich mühsam in dem von Männern dominierten Krimigenre etabliert. Würde sie nun über das Klimakterium schreiben, hieße das, dass sie selbst in den Wechseljahren sei. Das stimmt zwar auch, braucht aber niemand zu wissen. Das Projekt scheint ohnehin zum Scheitern verurteilt: Sämtliche Sender lehnen den Vorschlag ab. Eng verwoben mit dem Tabu ist ein zweites Thema, über das in der Branche sehr wohl gesprochen wird, wenn auch ohne Konsequenzen: Sind sie erst mal um die fünfzig, verschwinden Schauspielerinnen plötzlich von der Bildfläche, um einige Jahre später, wie es in der Serie heißt, „als lustige Oma“ wieder aufzutauchen. Wer nicht bereit ist, sich Botox zu spritzen, ist schnell weg vom Fenster, weshalb Agentin Tanni (Jasmin Shakeri) Annette empfiehlt, sich wie alle Kolleginnen ein wenig „glattbügeln“ zu lassen.
All’ das würde auch einen veritablen Dramenstoff abgeben, aber eine Komödie ist natürlich erfolgversprechender; selbst wenn Frier auf diese Weise, wie ihr Alter Ego beklagt, wieder die Erwartungen erfüllt. Deshalb beginnt Folge eins mit einem originellen Prolog: Annette erwacht, sichtlich desorientiert, als „Lady Liberty“ mit verschmiertem Make up und in eine rotweiße FC-Fahne gehüllt im Mittelkreis des Müngersdorfer Stadions, schreitet aber dennoch würdevoll an den Jugendlichen vorbei, die zum Training auf den Platz wollen. Wie sie dorthin gelangt ist und was sich in den vier Wochen zuvor ereignet hat, folgt in langer Rückblende.
Foto: Joyn / Willi Weber
Regie führte Felix Stienz, der mit seiner Hauptdarstellerin auch die beiden Rosenkriegsfilme „Merz gegen Merz“ sowie die meisten Folgen der gleichnamigen Serien inszeniert hat (ZDF, seit 2019). „Frier und Fünfzig“ ist sogar noch etwas spritziger. Chefautorin Sonja Schönemann war als Koautorin an einigen Projekten Ralf Husmanns beteiligt (unter anderem bei „Merz gegen Merz“), wie den bissigen, aber hintergründig stellenweise durchaus bitteren Dialogen anzuhören ist. Vordergründig wirkt es witzig, wenn Frier nach einem bejubelten Auftritt in „TV total“ bei einem Gespräch unfreiwillig die ganze ungeschminkte Wahrheit über „alte Fernsehfrauen“ mitkriegt („so derbe bitchy“), aber komisch ist das natürlich nicht, weshalb sie prompt das heulende Elend überkommt.
Auch das zentrale Thema ist nicht lustig, eignet sich aber gerade deshalb perfekt für böse Scherze; davon lebte schon die einst mit dem Grimme-Preis gewürdigte Serie „Klimawechsel“ (2010) von Doris Dörrie. Auf der privaten Ebene geht’s daher ebenfalls selbstironisch zu. Schon allein die erfrischend boshaften Wortgefechte von Annette und Caroline Frier sind preiswürdig: Annettes Mann (Alexander Khuon) ist zwar zu seiner Freundin gezogen, aber dafür kehrt Tochter Jola (Maria Matschke Engel) in den Schoß der Familie zurück, und damit das zu erwartende Enkelkind garantiert genug mütterliche Fürsorge bekommt, zieht kurzerhand auch Annettes Schwester ein. Caroline Frier spielt sich ebenfalls selbst, was zu weiteren Referenzen führt, wenn sie beispielsweise einen Werbeaufsteller für ihre Serie „Die Landarztpraxis“ im Wohnzimmer platzieren will.
Foto: Joyn / Willi Weber
Diese Szenen sind pures Familienfernsehen, aber nicht minder vergnüglich, ebenso wie die Besuche bei der Mutter (Traute Hoess): Sie leidet an einer Persönlichkeitsstörung, wechselt ständig ihre Rollen und gibt ihrer Tochter als „Beate Uhse“ Tipps fürs eheliche Sexleben. In der Seniorenresidenz trifft Annette regelmäßig auf einen anderen Besucher, dem sie jedes Mal ihr Herz ausschüttet; Sahin Eryilmaz komplettiert ein perfekt zusammengestelltes Ensemble. Ausgelassener Höhepunkt der Serie ist Annettes Geburtstagsparty, die trotz Stargast Sasha komplett aus dem Ruder läuft. Ein weiterer von vielen Besetzungsknüllern liefert schließlich die Erklärung für den nächtlichen Ausflug ins Stadion. Am Ende wird’s dramatisch, doch der Schluss ist die perfekte Vorlage für eine Fortsetzung über die weiteren Ereignisse in der dann auf vier Generationen angewachsenen Haus-WG.
Sat.1 zeigt „Frier und Fünfzig“ im Anschluss an eine neue Staffel von „Der letzte Bulle“ montags ab 22.15 Uhr in Doppelfolgen. Die Kombination hat schon 2010 bis 2013 mit „Danni Lowinski“ prächtig funktioniert. Die Serie ist vorab kostenlos bei Joyn zu sehen.

