Sommer 1968. Das Jahr, in dem die Studenten auf die Barrikaden gehen und Heintjes „Mama“ die erfolgreichste Single ist. Das Leben der Striesows hat mehr mit Heintje zu tun. Die Familie, die aus dem Osten in den Westen geflüchtet ist, kommt in den Genuss der Wohlstandsjahre, doch Mutter Irene kann sich einfach nicht eingewöhnen. Überall wittert sie Krieg, sie spürt noch immer den Russen im Nacken, selbst mit den „Riesenkarossen“ im Westen kommt sie nicht klar und ihre größte Sorge gilt der Kette, der Haustürkette, die immer eingehakt zu sein hat. „Ich sterbe bestimmt mal jung“, sagt sie. Es ist nicht die Überzeugung eines Rock-&-Rollers, sondern einer traumatisierten Frau. Ihrer Neigung zur Neurose begegnet ihr Ehemann Dieter mit seiner Neigung zur „Zweitfrau“. Überhaupt sind beide grundverschieden: er ist gesellig und lacht gern, sie weint sich die Augen wund und kultiviert ihre Ängste. Die Kinder spüren, dass es nicht mehr stimmt zwischen den Eltern. Und sie beschließen dafür zu sorgen, dass es bald allen wieder besser geht. Wie wär’s mit Trennung?!
Ruth Toma über die Romanvorlage und ihre Bearbeitung:
„Der Roman gefiel mir sehr. Der leichte, humorvolle Ton, in dem durchaus tragische Dinge abgehandelt wurden, traf sehr genau die Art, wie ich erzählen möchte… Ein Film kann keinen Zustand erzählen. Die Menschen ändern sich mit den Ereignissen. In diesem Sinne begann ich, die Handlung neu aufzubauen. Mir war es wichtig, die beiden Mädchen nicht nur Beobachter des familiären Geschehens sein zu lassen, sondern ihnen eine aktive Rolle zu geben.“
Kriegsschauplatz Wohnzimmer. Das klingt nach Drama. Doch Ruth Toma und Neele Leana Vollmar schlagen in „Friedliche Zeiten“ einen leichten Ton an. Die Autorin hat sich an der Erzählweise der Vorlage, des gleichnamigen Romans von Birgit Vanderbeke, orientiert. Die Geschichte braucht fast eine halbe Stunde, bis der Rahmen abgesteckt ist, man sich als Zuschauer an die etwas altklugen Kinderkommentare gewöhnt hat und man endlich ahnt, wohin diese ungewöhnliche Familiengeschichte treiben wird. Und so langsam findet dann auch der Film die passende Tonlage. Wenn die Metaphern der Zeitgeschichte nicht mehr gar so pointiert auf die Hausfrauenpsyche krachen, wenn nicht mehr Originalität und Witz um jeden Preis gesucht werden, dann kommt „Friedliche Zeiten“ zu sich selbst.
Als Tragikomödie, erzählt durch die Prilblume und die Brille der gebrochenen kleinbürgerlichen Ideale, besticht die Geschichte von den überforderten Kindern, die das Schicksal der Familie selbst in die Hand nehmen. Aus der Diskrepanz zwischen der „erwachsenen“ Realität und dem verqueren Bild, das sich die Kinder von dem Leben ihrer Eltern machen, entspringt ein Großteil der Komik des wunderbar authentisch, mit Hang zur Überhöhung ausgestatteten Films. Andererseits berührt auch immer wieder das Verhalten der beiden Mädchen (das ist nicht zuletzt ein Verdienst von Leonie Brill und Nina Monka), jenes Hoch auf die Phantasie der Kinder – und man möchte sich nicht vorstellen, was aus diesen beiden, die sich so sehr die Ängste und Probleme ihrer Eltern aufladen, werden könnte. Das wäre ein anderer, wahrscheinlich tragischerer, traurigerer Film, ein Fall für Bloch vielleicht.