Friedliche Weihnachten

Valerie Huber, Bartels, Ochsenknecht, Bachmann/Bärwald, Sorger. Schöne Bescherung

Foto Tilmann P. Gangloff

Die sechs Folgen dieser Amazon-Serie dauern bloß jeweils knapp dreißig Minuten, aber die Kurzweiligkeit von „Friedliche Weihnachten“ (The Amazing Film Company) hat vor allem mit der enormen Gagdichte zu tun: Fast jeder Szenenwechsel sorgt für eine witzige Volte. Die Handlung orientiert sich einerseits am vielfach kopierten Muster der Hollywood-Komödie „Meine Braut, ihr Vater und ich“, bedient sich aber auch jener Zutaten, die seit einigen Jahren zuverlässig in den ZDF-Filmen über die von Andrea Sawatzki erfundene Familie Bundschuh funktioniert: Ein junges Paar, das sich vor zwölf Monaten an Heiligabend kennengelernt hat, verbringt die Feiertage gemeinsam mit den völlig unterschiedlichen Herkunftssippen in den Tiroler Bergen. Das ist mitunter recht dick aufgetragen, zumal einige Mitwirkende ihre Figuren an den Rand der Karikatur befördern, aber meistens ziemlich lustig.

Seit gut zwanzig Jahren dient die Hollywood-Komödie „Meine Braut, ihr Vater und ich“ (2000) als Vorbild für heitere Geschichten über das erste Treffen mit den Schwiegereltern. Die launige sechsteilige Serie „Friedliche Weihnachten“ geht noch einen Schritt weiter und lässt beide Sippen aufeinander los: Das Schicksal wollte es, dass sich Anton Lewandowski und Johanna Hansen (Timur Bartels, Valerie Huber) an Heiligabend in der Notaufnahme ineinander verliebt haben; sie als angehende Ärztin, er als Patient. Zum Jahrestag möchte Anton ihr einen Heiratsantrag machen. Außerdem wird es höchste Zeit, dass beide die jeweiligen Elternpaare kennenlernen. Da trifft es sich gut, dass die Familie von Johannas Schwager ein großzügiges Ferienhaus in Tirol besitzt, wo alle Beteiligten Platz haben. Allerdings gibt es ein kleines Problem: Vater Hansen (Uwe Ochsenknecht), eine Koryphäe auf dem Gebiet der Anästhesie, würde als Schwiegersohn nur einen Arzt akzeptieren; frühere Kandidaten hat er erfolgreich vergrault. Deshalb muss sich Anton, eigentlich Besitzer eines Plattenladens, völlig unvorbereitet als Orthopäde ausgeben, was ihn aus Sicht von Prof. Dr. Dr. Hansen allerdings nur zu einem Arzt zweiter Klasse macht.

Damit das komödiantische Potenzial noch größer wird, hat Familie Lewandowski aus Duisburg einen gänzlich anderen sozialen Hintergrund: Der Vater (Matthias Komm) ist Spediteur, die Mutter (Elena Uhlig) Hundefriseurin; prompt hält Hansen die beiden zunächst für Personal. Komplettiert wird die illustre Runde durch Johannas Schwester Ella (Lena Meckel) und ihren Mann Oliver (Wayne Carpendale), Sprössling einer Reederdynastie, dem die Steuerfahndung im Nacken sitzt. Die polnische Großmutter Lewandowski (Doris Plenert) hält den Opa (Horst Janson) der Hansen-Schwestern für einen Nazi und einen syrischen Flüchtling, der sich im Keller versteckt, für einen Terroristen.

Friedliche WeihnachtenFoto: Amazon Prime Video
Ella (Lena Meckel) hat sich den Sprössling einer Reeder-Dynastie (Carpendale) geangelt; dem sitzt die Steuerfahndung im Nacken.

„Friedliche Weihnachten“ ist kurzweilig, und das nicht nur, weil die Folgen bloß knapp dreißig Minuten dauern: Die Serie wirkt, als hätte das Drehbuchduo Julia Bachmann  und Felix Bärwald den gesamten Bekanntenkreis um Bescherungsanekdoten gebeten, weshalb die eigentliche Handlung vor lauter Gags, Slapsticks und Missgeschicken des Öfteren in den Hintergrund rückt. Fast jeder Szenenwechsel sorgt für eine witzige Volte, wobei die Inszenierung (Sebastian Sorger) auch gern mal übers Ziel hinausschießt. Einige Scherze sind mehr schlicht als recht, selbst wenn es durchaus lustig ist, wenn die Ehefrauen „Sissi“ anschauen und jedes Mal ein ein Glas Eierlikör leeren, wenn jemand „Majestät“ sagt. Allerdings haben nicht alle Mitwirkenden das Format von Uwe Ochsenknecht. Während er seine Rolle als satirische Figur anlegt, geraten die anderen mitunter zur Karikatur. Das gilt vor allem für Matthias Komm und Elena Uhlig: Er wirkt als Klischee des kernigen Kumpels aus dem Revier wie eine Zweitbesetzung für Henning Baum, sie zieht alle möglichen Register der rheinischen Frohnatur. Im Gegensatz zu den Ich-bezogenen Hansens – die Frau des Professors (Esther Schweins) ist meistens bekifft – würden die Lewandowskis alles für ihren Sprössling tun, daher spielen sie ohne zu Zögern bei der Arztscharade mit. Als der Schwindel auffliegt, treten die Gegensätze zwischen den Familien umso heftiger zutage.

Am besten ist „Friedliche Weihnachten“ dennoch immer dann, wenn die Handlung ohne Worte auskommt: Wie die Vorweihnachtszeit verfliegt, lässt sich ganz einfach anhand der brennenden Kerzen auf dem Adventskranz verdeutlichen. Kein Running-, sondern ein watschelnder Gag ist schließlich ein Ganter, der dank Ellas Sohn (Valentin Thatenhorst) seinem Schicksal als Weihnachtsgans entkommt. Im Großen und Ganzen wirkt die Serie wie ein Pendant zu den auf Andrea Sawatzkis Romanen beruhenden Geschichten über die Familie Bundschuh, die das ZDF seit einigen Jahren regelmäßig erzählt, hier allerdings aus Sicht eines jungen Paares und mit Blick auf eine jüngere Zielgruppe. Anton und Johanna sind dank der „Romeo und Julia“-Konstellation ohnehin die Sympathieträger der Geschichte; Ella hat immerhin die besten Dialoge. Der Schluss schließlich liefert die perfekte Vorlage für eine Fortsetzung: Das nächste Treffen der beiden Familien soll auf Mallorca stattfinden; da war die Bundschuh-Sippe auch schon. Dann wird vielleicht auch das düstere Rätsel um Babette gelöst: Olivers Schwester ist das totgeschwiegene schwarze Schaf der Familie Hansen.

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Mit Valerie Huber, Timur Bartels, Uwe Ochsenknecht, Esther Schweins, Elena Uhlig, Lena Meckel, Wayne Carpendale, Matthias Komm, Doris Plenert, Khalil Aassy, Valentin Thatenhorst, Horst Janson

Kamera: Namche Okon

Szenenbild: Christian Kettler

Kostüm: Stefanie Schroeter

Schnitt: Sabine Rottmann

Musik: Michael Kamm, Peter Horsch.

Soundtrack: Timur Bartels („Ein guter Grund“, Titelsong)

Produktionsfirma: The Amazing Film Company

Produktion: Thomas Peter Friedl

Drehbuch: Julia Bachmann, Felix Bärwald – Idee: Thomas Peter Friedl

Regie: Sebastian Sorger

EA: 09.12.2022 10:00 Uhr | Amazon Prime Video

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