Bereits in der Grundschule waren sie Freunde. Jetzt ist die Hälfte eines bislang ziemlich abwechslungsreichen Lebens rum. Bernsteinkünstlerin Jette (Anne Weinknecht), Pastorin Johanna (Greta Galisch de Palma), Handwerker Malte (Oliver Bröcker) und Pensions- und Restaurantbesitzer Fabian (Nicola Fritzen) sind auf Rügen aufgewachsen. Nach der Wende zog es den einen oder die andere von ihnen vorübergehend fort; mittlerweile leben alle vier wieder in ihrer alten Heimat – und sind noch immer beste Freunde. Johanna und Fabian sind darüber hinaus auch noch ein Paar. Malte dagegen ist seit Jahrzehnten Single; es scheint, als ob er unter einem Dach mit seinem Vater (Jörg Schüttauf) ein zufriedenes Leben führt. „Nicht jeder muss eine eigene Familie gründen“, weiß Johanna, die als Kirchenfrau von Lebenshilfe bis zum Gemeinplatz immer einen Tipp parat hat. Doch als eine ebenso sympathische wie neugierige junge Frau (Hanna Plaß) im Ort auftaucht, ist für Malte bald nichts mehr, wie es war. Zuvor jedoch ist Jette das Sorgenkind der Viererbande. Seit einem halben Jahr ist ihr Mann mit seinem Boot auf einer Bernstein-Tour verschollen. Während ihr Teenagersohn (Frederic Balonier) glaubt, dass sein Vater tot ist, legt Jette dasselbe Wunschdenken wie ihr Jüngster (Jonathan Wirtz) an den Tag. Es ist nun an Johanna, Malte und Fabian, ihre Freundin wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen. Ihr Rat: akzeptieren, trauern, weiterleben.
Frischer Wind auf dem „Herzkino“-Sendeplatz im ZDF. Nach „Ella Schön“, „Ein Tisch in der Bretagne“ und „Nächste Ausfahrt Glück“ geht nun eine weitere Reihe an den Start, die mehr verspricht als das jahrelang übliche Romantik-Muster: „Freunde sind mehr“ lockt dafür mal wieder mit dem einladend restaurierten Osten – und nicht nur die Freunde, auch das „Meer“ ist allgegenwärtig (und die Homophonie gewiss beabsichtigt). Die Klammer um den jeweiligen Episoden-Hauptplot ist die Freundschaft der Vier – womit auch gleichzeitig der Lösungsweg vorgegeben ist: Von eher simplen Ratschlägen bis zu persönlichen Zweiergesprächen bietet das Quartett mehrere Varianten der Unterstützung an. Die Frauen haben eine emotionalere Bindung, Fabian ist eher der wenig empathische Luftikus, Malte wirkt introvertiert, und eine Beziehung innerhalb der Vierergruppe eröffnet weitere Interaktions-Möglichkeiten. In der Anlage als länger laufende Reihe ist das von Christian Lex gut konzipiert. Bislang allerdings ist in Sachen Intensität und Tiefe noch Luft nach oben; auch ein Drama im Unterhaltungsfach sollte psychologisch plausibel sein. Vor allem der erste Film, „Zur Feier des Tages“, leidet ein wenig unter der üblichen Last einer Reihen-Exposition. Während Charaktere, Konstellationen und Konflikte stimmig und filmisch vor allem flott & luftig eingeführt werden, gehören die Dialoge – dramaturgisch gesehen – zu den Schwachpunkten. Die meisten Dialogwechsel transportieren Inhalte für den Zuschauer, den Beziehungsaspekt indes spiegeln sie nicht wider. Welche Sandkastenfreundin und Pastorin fragt wohl nach über dreißig Jahren ihren Partner: „Woran glaubst du eigentlich?“ Und ein Satz wie „Aber warum muss das unsere Beziehung ständig in so Untiefen stürzen“, geht selbst einem Schauspieler kaum über die Lippen.
Soundtrack:
(Eps.1) Sufjan Stevens („Death With Dignity“), Lenny Kravitz („Always On The Run“), 21 Savage & Metro Boomin feat. Drake („Mr. Right Now“), Mighty Oaks („Storm“), R.E.M. („Losing My Religion“), Dirk Michaelis („Als ich fortging“)
(Eps.2) A Tribe Called Quest („We The People“), Joy Oladokum („Breath Again“), Kaleo („Way Down We Go“), Sufjan Stevens („Should Have Known Better“), Sophie Hunger („Sliver Lane“)
Anne Weinknecht spielt die Hauptrolle in „Zur Feier des Tages“. Sie ist sehr passend besetzt als Mutter, ehemalige Bernsteinprinzessin und Vielleicht-Witwe, die offenbar immer schon einen Hang zur Realitätsverweigerung hatte und die sich heute nicht nur die (vergangenen) Probleme ihres Mannes schönredet, sondern sich auch in das Prinzessinnenkleid von vor 25 Jahren zwängt, ohne dabei zu erkennen, wie sie sich selbst etwas vormacht. Kombiniert mit den typischen Ausrastern von Jettes Söhnen bleiben die Konflikte äußerlich und vorhersehbar: Mal macht sich der eine, mal der andere aus dem Staub. Für Episodisches, Amüsantes am Rande, und für die anderen Charaktere jenseits der Heidemanns bleibt wenig Zeit. Selbst die Freundschaft – so sympathisch sie auch kurzzeitig vermittelt wird – wirkt mitunter behauptet. Ob eine große Geschichte pro Episode der „Herzkino“-Weisheit letzter Schluss ist? In den beiden besten ZDF-Sonntagsreihen „Ella Schön“ und „Ein Tisch in der Bretagne“ verteilt sich die Handlung zumeist auf mehrere (alltagsnahe) Problemzonen, während es in „Freunde sind mehr“ ans grundsätzlich Existenzielle geht, mit einer entsprechenden Fallhöhe. Der Mann wahrscheinlich tot – wie weiterleben? Wie es dem Kleinsten beibringen? Wie die Bernstein-Manufaktur am Leben halten? Dass in der zweiten Episode nur noch ein paar Sekunden ein Gedenktisch an den Ehemann erinnert, und die beste Freundin sachlich fragt: „Wie kommst du zurecht – ohne Oliver?“ und „Kannst du ihm verzeihen?“ – damit vergibt man eine Chance. In zwei aufeinanderfolgenden Episoden wäre da mehr narrative „Bindung“ zu erwarten. Gerade solche emotionale Bezüge zwischen den Episoden, die den Charakteren eine Wahrhaftigkeit verleihen und so Nähe zu ihnen herstellen, sind das A&O einer solchen Wohlfühl-Reihe.
Dass die Episode „Viergefühl“ runder wirkt, das hat zum einen mit dem Wahrnehmungs-Phänomen zu tun, dass das Wiedererkennen von Bekanntem mehr Lust bereitet als etwas völlig Neues, es zweite Episoden also immer leichter haben als erste, solange diese nicht völlig danebengegangen sind. Es liegt aber auch an der Geschichte und seinen Protagonisten. Schon im ersten Film „Zur Feier des Tages“ (Regie führt in beiden Dagmar Seume) findet Oliver Bröcker stets den richtigen Ton, und die Szenen mit Filmvater Jörg Schüttauf bilden kurze, angenehme Ruhepole. Im zweiten Film steht Bröckers Malte im Mittelpunkt. Als Hauptfigur, die mit schwerem Gepäck unterwegs ist, kann sich der Schauspieler nun nicht mehr auf (s)ein beiläufiges realistisches Spiel zurückziehen; aber auch für das Mehr an Drama findet er die passenden mimischen Lösungen. Für einen Profi wie ihn, der bereits mit 15 Jahren in Wolfgang Beckers „Kinderspiele“, also in einem Qualitätsdrama, zu überzeugen wusste, kein Problem. Ein weiterer Lichtblick in dieser Episode ist Hanna Plaß (in einer markanten Doppelrolle). Es wäre nicht nur der Figuren-Konstellation zu wünschen, dass sie der Reihe bei einer Fortsetzung erhalten bleibt. Obwohl in der Handlung die privaten Schattenseiten der DDR-Geschichte als „Spielmaterial“ benutzt werden, strahlt „Viergefühl“ – der Titel ist Programm – eine größere positive Energie aus. Einsicht allerdings ist in beiden Filmen der Weg, den die Figuren gehen. Nicht die schlechteste Lösung. Das mag manch einem zu harmoniebetont sein. Aber so ticken Fernsehfilme dieser Gattung: verstehen, vergeben, sich versöhnen und immer zu einer Entschuldigung bereit. (Text-Stand: 12.3.2022)