Ihre Ehe besteht seit Jahren nur noch auf dem Papier. Marlene, die wieder heiraten möchte, will endlich einen Schlussstrich ziehen und nicht mehr an die letzten 40 Jahre erinnert werden. Mit der Scheidung will sie auch gleich die gemeinsame Berliner Wohnung veräußern. Dummerweise nur ist ihr Noch-Ehemann Paul da gerade wieder eingezogen, nachdem ihn seine letzte Ex rausgeschmissen hat. Keine guten Nachrichten auch vom Scheidungsanwalt: da Marlene die Trennung von Tisch und Bett nicht ausreichend belegen kann, muss ein offizielles Trennungsjahr vollzogen werden. Beschleunigung erhofft sich die kampfeslustige Gattin davon, dass sie wieder selbst mit in die gemeinsame Wohnung einzieht – und mit einem peinlich genauen Wohnungsnutzungsplan den scheidungsunwilligen Chaoten zum Aufgeben zwingt. Alternative: „eine unzumutbare Härte“ müsste nachgewiesen werden, dann könnte von einem Scheidungsjahr abgesehen werden. Auch dafür hat Marlene einen perfiden Plan.
Mit Alkohol geht Vieles besser. Auch eine Scheidung? Senta Berger und Henry Hübchen dürfen in „Frauen verstehen“ dem Affen so richtig schön Zucker geben. In der zentralen Szene des Films von Jörg Grünler nach dem ebenso lebensklugen wie vorzüglich gebauten Drehbuch von Maria Solrun und Martina Mouchot besäuft sich das Paar fast bis zur Besinnungslosigkeit und zerdeppert dabei genüsslich die verhasste Porzellansammlung von Pauls Schwiegermutter. Auch der Lampenschirm leidet, der Vorhang ist heruntergerissen und es stapeln sich die leeren Raki-Flaschen. Was die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens des Noch-Ehepaares dokumentieren könnte, dokumentiert vor allen eines: die beiden kennen sich, sie verstehen sich – und da ist etwas zwischen den beiden, was zwischen ihr und ihrem neuen Partner, dem Psychologen, der im ruhigen Gewässer segeln möchte, so nie sein wird: eine unbändige Spannung, eine Anziehungskraft, Leidenschaft. Die beiden lassen es krachen, und Berger/Hübchen stehen ihnen in nichts nach. Die Teller knallen gegen die Wand. Noch einmal Polterabend. Alles dreht sich. Dann verabschieden sich die beiden, die Kamera kreist – Lochblende zu, Lochblende auf – und gebiert am Morgen danach zwei Schnapsleichen.
Foto: Degeto / Conny Klein
Die Sache mit dem Alkohol ist auch dramaturgisch eine glänzende Idee. Der alkoholisierte, aber durchaus inhaltlich geführte Dialog über die Ehejahre inklusive das Zugeben eigener Fehler macht aus der Nummer keine moralinsaure, kleinmütige Erinnerungsshow womöglich noch mit romantischem Flair, sondern wird zu einem komödiantischen Kabinettstück mit ernsthaften Zwischentönen. Diese Szene treibt perfekt zum Höhepunkt, was der Film bereits in anderen Szenen und im Plot generell andeutet: „Frauen verstehen“ beschränkt sich weder auf das im Genre so beliebte Katz-und-Maus-Spiel-Prinzip, noch wird ständig das Romantik-Fass aufgemacht. Stärker als andere Komödien orientiert sich diese Degeto-Produktion an dem Subgenre der Screwball Comedy. Während die Deutschen gern moralisieren und in Komödien den Inhaltsaspekt diskutieren, haben es die amerikanischen Screwball-Comedies auf den Beziehungsaspekt, den Akt der Kommunikation, abgesehen, sind verspielter, strukturorientierter und schneller. Im Dialog zählt nicht nur, was gesagt wird, sondern vor allem, wie es gesagt wird – lallend, lächelnd, mit dem Messer in der Tasche, mit Lust oder mit List. Beziehung ist immer auch ein Stück weit Kampf – Geschlechterkampf. Dieser hat in der Beziehung von Marlene und Paul als Basis eine konkrete, reale Grundlage: er war für den Spaß, sie immer für die Arbeit zuständig. Aber dieser Kampf hat eben auch etwas Unerklärliches, etwas Sinnlich-Zügelloses. Die Autorinnen basteln daraus nicht den so oft bemühten Mythos der Liebe, sondern zeigen, was Sache ist: Es ist vor allem die körperliche Anziehungskraft, die über die Jahre noch immer wirksam ist. Daran ändert auch nichts, dass der rasch geläuterte, in die Jahre gekommene Womanizer auf Frauenversteher-Kurs geht („Ich will sie einfach nur mal verstehen“) – indem er die alten Tagebücher seiner Frau liest.
Dass „Frauen verstehen“ ein weiteres Subgenre bedient, die „Remarriage Comedy“, ist von Beginn an abzusehen – und dürfte auch von den Zuschauerinnen sehnlich erhofft werden. Henry Hübchen als Paul, früh verrenteter Kfz-Mechaniker, lässig mit Lederjacke, Motorrad, zwischen frechem Grinsen und kleinlauter Büßerpose, ist schon eine coole Nummer. Und Senta Berger ist als damenhaft und elegant gekleidete Marlene eine Frau, die (heute) den Ton angibt, die aber – mit einem handlungsentscheidenden Trauma ausgestattet – nie zur Karikatur dieses im Fernsehen so beliebten Frauentypus wird. Der Fernsehfilm setzt also auf das Liebesprinzip „Gegensätze ziehen sich an“ – womit auch das „Frauen verstehen“ im Titel relativiert wird und einen angenehm ironischen Unterton bekommt.