„Mit Verve, Witz und Weißwein“: Ob das Alliterationsmotto wirklich ein junges Publikum anlockt? Die digitale ProSiebenSat-1-Plattform Joyn wirbt mit diesem Spruch für „Frau Jordan stellt gleich“. Ralf Husmann hat nicht nur die Drehbücher geschrieben, er ist auch der „Showrunner“ der zehnteiligen Serie, die Person also, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Der Werbeslogan klingt zwar, als habe sich das eine PR-Agentur ausgedacht, aber mehrere Episodentitel erfreuen sich ebenfalls am Stabreim („Titten und Taten“, „Nazis und Neuwahlen“, „Menstruation und Machos“, „Femen und Feuerwehr“). Katrin Bauerfeind spielt die Titelfigur Eva Jordan, eine trinkfreudige Gleichstellungsbeauftragte, die auf allen nur denkbaren Gebieten gegen Sexismus kämpft; aber wenn sie mit dem Bürgermeister über ein höheres Budget für ihre Abteilung verhandeln muss, sorgt sie dafür, dass dem Mann beim Anblick ihres Dekolletees Hören und Sehen vergehen.
Die Serie ist also ein allerdings nicht immer rundum gelungener Versuch, echte Probleme heiter zu verpacken. Gleich zu Beginn geht es um die Frage, wo bei weiblichen Brüsten die Grenze zwischen sexueller Diskriminierung und Kunst verläuft; Bilder des Anstoßes sind eine Reklame für ein Eiscafé und das Plakat einer Kunstausstellung. Während der entsprechende Diskurs eher als Vorwand für amüsante Dialoge dient, ist ein Fall von vermeintlich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ebenso ernst zu nehmen wie das Bestreben, einen Hindenburg-Platz nach einer verdienten Frau zu benennen. Auch die weiteren Folgen haben einen seriösen Hintergrund: In einem Kindergarten protestieren Eltern gegen Spielzeug, das traditionelle Rollenbilder verfestigt; ein Brandmeister verhindert, dass eine Frau Feuerwehrfrau wird; ein angesagtes Café will keine Seniorenkundschaft.
Foto: Pro Sieben / Joyn
Die Grundidee ist nicht schlecht: Einerseits nimmt Husmann den missionarischen Eifer auf die Schippe, mit dem eine Minderheit die Gender-Frage verfolgt; andererseits regt er zum Nachdenken über Themen an, die aus Sicht vieler Menschen wie ein linksgrüner Zeitvertreib anmuten. Die Ernsthaftigkeit, mit der diese Aspekte behandelt werden, lässt die Serie allerdings in zwei Teile fallen: hier die in sich abgeschlossenen Handlungsstränge, bei denen zumeist allein die Hauptfigur für die komischen Momente sorgt; dort die kleinen und großen Machtkämpfe innerhalb des Beamtenapparats und das mitunter etwas angestrengt um Heiterkeit bemühte Mit- und Gegeneinander im Gleichstellungsbüro. Der von Ulrich Gebauer am Rande der Witzfigur verkörperte Bürgermeister Brinkmann zum Beispiel ist ein Chauvinist alter Schule, der sich grundsätzlich abfällig über die Gleichstellungsabteilung äußert („Muschibüro“) und den einzigen männlichen Mitarbeiter, Philipp (Alexander Khuon), nach Herzenslust mobbt („Mitarbeiterin des Monats“), wann immer er ihm über den Weg läuft. Für die Gleichstellungsbeauftragte ist Brinkmann ohnehin kein Gegner, ganz im Gegensatz zu seiner ehrgeizigen Parteifreundin Sommerfeld (Adina Vetter), die es unverhohlen auf seinen Job abgesehen hat. Eva lässt sich von ihrem Stab dazu überreden, ebenfalls für das nach einem Herzanfall des Amtsinhabers vakante Amt zu kandidieren. In den gern auch mit unfairen Mitteln geführten Zweikämpfen der beiden Frauen liegt fortan ein besonderer Reiz der Reihe.
Inszenierung und Machart entsprechen im Großen und Ganzen jenem Stil, den RTL fälschlicherweise „Sitcom“ nennt. Szenenwechsel werden durch kurze musikalische Intermezzi signalisiert, in den Dialogen geht es meist um den schnellen Gag; deshalb sind die Ensemblepassagen auch deutlich flotter als die Exkurse in die Gemeinde. Ähnlich wie Gebauer interpretieren einige der Mitwirkenden ihre Rollen allerdings allzu sehr wie typische Comedy-Figuren, was den Grat an Witzigkeit selten verdoppelt. Zur Abteilung gehören noch Natalia Belitski als lesbische Mitarbeiterin, die alle attraktiven jungen Besucherinnen anbaggert, sowie Mira Partecke als begriffsstutzige Büromaus mit Piepsstimme.
Foto: Pro Sieben / Joyn
Dem Vergleich mit Husmanns bekanntester Schöpfung, „Stromberg“ (2004-2012, ProSieben), hält „Frau Jordan stellt gleich“ ohnehin nicht stand, aber keineswegs bloß, weil Katrin Bauerfeind nicht das Format von Christoph Maria Herbst hat. Tatsächlich macht es durchaus Spaß, ihr zuzuschauen, zumal sie gerade bei Schlagfertigkeitsduellen das richtige Tempo hat und ihre Rolle auch mit einiger Tiefe erfüllt. Husmann selbst hat allerdings dafür gesorgt, dass sich die Figur immer wieder selbst diskreditiert. Als sich Eva im Kindergarten darüber mokiert, dass die Fahrräder für die Mädchen Stützräder haben, als ob weibliche Wesen automatisch Probleme hätten, das Gleichgewicht zu halten, kippt sie prompt mit ihrem Sitzball um. Ein derartiger Einfall könnte theoretisch sogar lustig sein, und das ist ein weiteres Problem der Serie: Was hätte wohl ein Regisseur wie Arne Feldhusen („Stromberg“, „Der Tatortreiniger“) daraus gemacht? Davon abgesehen schwebt über vielen Szenen ein Geist, der sich zwei Jahre nach dem Beginn der „MeToo“-Kampagne merkwürdig gestrig anfühlt. Während die entsprechenden Provokationen vermutlich der Witz an der Sache sein sollen, stammt der Bürgermeister, der im Zusammenhang mit Evas Ausschnitt von „heraushängenden Glocken“ spricht, aus einer Ära, in der ein Bundeskanzler Frauenfragen als „Gedöns“ abtun konnte. Ähnlich verstaubt sind Dialog-Gags wie „Ich bin Philipps Mutter.“ – „Hallo, Philipps Mutter!“ Dass die Frau ihren Sohn in der Öffentlichkeit „Pupsi“ nennt, hat auch nicht gerade Grimme-Preis-Niveau. (Text-Stand: 5.9.2019)
„Frau Jordan stellt gleich“ ist gezielt für Joyn produziert worden; 2020 soll die Serie dann bei ProSieben gezeigt werden. Regie führten Felix Stienz und Fabian Möhrke. Husmann hat bei drei Drehbüchern der zweiten Hälfte Unterstützung durch Elena Senft, Anneke Janssen und Christian Martin erhalten. Die Serie kann kostenlos bei Joyn abgerufen werden. Diese Strategie hat offenbar einen gewissen Erfolg. Mit der dritten Staffel von Ulmens Serie „Jerks“ ist ProSieben-Sat.1 ähnlich verfahren; „Jerks“ gehört zu den erfolgreichsten Joyn-Angeboten.