Es gab eine Zeit, da verging kaum eine Woche ohne Neubauer-Film. Gerade die innige Kooperation zwischen der ARD-Tochter Degeto und Ziegler Film hatte zur Folge, dass Christine Neubauer immer wieder freitags in die Wohnzimmer schaute. Seit der Sendeplatz unter neuer Degeto-Führung eine andere Ausrichtung erlebt hat, bleibt im Grunde nur noch das „Herzkino“ als Heimat für den typischen Neubauer-Film, in dem die Hauptdarstellerin meist mit der Verkörperung großer Gefühle ringen muss. Vor zwei Jahren haben Ziegler Film und ZDF eine neue Plattform für die Münchenerin geschaffen: Das Drama „Die Pastorin“ erzählte von einer bayerischen Seelsorgerin, die nach Lübeck zieht, damit ihre Kinder den Kontakt zum Vater nicht verlieren; der Gatte hatte eine Jüngere kennen und lieben gelernt.
Die Fortsetzung trägt nun die reihentauglichere Bezeichnung „Franziskas Welt“; das ZDF setzt ja seit einiger Zeit gern auf Eigennamen („Marie Brand“, „Helen Dorn“, „Hanna Hellmann“). Der Allerweltstitel eröffnet dem Sender nicht nur inhaltlich, sondern auch genretechnisch alle Möglichkeiten. „Hochzeiten und andere Hürden“, wie die Episode heißt, klingt zwar nach Komödie, doch die verschiedenen Plots sollen vor allem berühren. Das gilt besonders für die Geschichte über Karin (Michaela May), deren Mann Paul (Peter Prager) unter Alzheimer leidet. Weil der ehemalige Anwalt dauernd mitten in der Nacht in die Kanzlei wollte, hat ihn seine Frau irgendwann der Obhut eines luxuriösen Heims anvertraut. Nun plagen sie die Schuldgefühle, weil sich sein Zustand rapide verschlechtert hat; noch mehr schmerzt sie allerdings, dass sich Paul verliebt hat und sie bei ihren Besuchen nicht mehr erkennt. Pastorin Franziska kommt ins Spiel, als Karin sie um Rat bittet. Dabei müsste sich die Seelsorgerin eigentlich um die eigene Seele sorgen: Nicht nur, dass sie ausgerechnet den eigenen Ex-Gatten (Dirk Borchardt) trauen musste, nun bekümmert sie auch noch, dass sich ihre neue (deutlich jüngere) Liebe Antonio (René Ifrah) der Beziehung längst nicht so bedingungslos widmet wie sie; womöglich, weil ihn mit der jungen Kollegin Betty mehr als nur Sympathie verbindet.
Soundtrack: The Beatthiefs & Amp Suzee X Featr. Peyton Vs. Prydz (“Feeling Pjanoo”), Pharrell Williams (“Happy”), David Bowie (“Space Oddity”), Charlotte Gainsbourg (“Time Of The Assassins”), Dan Mangan (“About As Helpful As You Can Be Without Being Any Help At All”), Benjamin Gibbard (“Bigger Than Love”)
Foto: ZDF / Christine Pausch
Beide Geschichten (Drehbuch: Katrin Ammon, Astrid Ströher) sind nicht sonderlich originell, aber das erwartet die Zielgruppe von diesem Sendeplatz auch nicht; Hauptsache, es gibt viel Gefühl. Allerdings hapert es an der Authentizität dieser Gefühle, weil sowohl Michaela May als auch Christine Neubauer hüftsteif agieren (bildlich gesprochen) und ihre Rollen exakt verkörpern, wie sie das immer tun. Neubauers Dialoge klingen zudem ähnlich unspontan wie die Texte des kleinen Milan Andreew, der ihren Sohn Felix als typisches Filmkind spielt und ganz offenkundig nicht wegen eines etwaigen darstellerischen Talents, sondern wegen seiner Wuschelköpfigkeit ausgewählt worden ist. Die ungekünstelte Natürlichkeit Dirk Borchardts ist im Vergleich zu den Anstrengungen der beiden Hauptdarstellerinnen geradezu wohltuend.
Aber „Liebe erträgt alles“, predigt Franziska zu Beginn bei der Hochzeit, und das gilt selbstredend auch für die Fans von Christine Neubauer. Dabei hat „Hochzeit und andere Hürden“ diverse Ungereimtheiten und Unglaubwürdigkeiten zu bieten. Die Leidenschaft der Pastorin fürs Motorradfahren zum Beispiel ist zwar ein hübsches Detail, das viel über einen Menschen aussagen könnte; bloß passt es gar nicht zu Franziska. Und wer die Musik von David Bowie mag, mag sich kaum vorstellen, dass die brave Karin 1972 in San Francisco bei einem Bowie-Konzert war. Dort hat sie Paul kennen gelernt, und „Space Oddity“ ist ihr gemeinsames Lied geworden, weshalb Jörg Lemberg das Motiv immer wieder sehr hübsch in seiner Filmmusik anklingen lässt. Ansonsten aber ist die Umsetzung (Regie: Bruno Grass) eher unauffällig. Kameramann Christoph Nicolaisen hat bislang fast ausschließlich für den Sonntagssendeplatz im „Zweiten“ gedreht, weshalb er sich brav an die Richtlinien für „Herzkino“-Bildgestalter hält; „Franziskas Welt“ erfreut daher immerhin mit Kameraflügen und -fahrten über schöne Küstenstreifen und wallende Kornfelder. (Text-Stand: 23.2.2015)