Der Flugzeug-Zusammenstoß von Überlingen 2002 war ein Aufeinandertreffen unglaublicher Zufälle. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Kollision kommt, wenn sich nur zwei Flugzeuge in einem Luftraum befinden, tendiert gegen Null. Und die Verkettung unglücklicher Tatsachen ging weiter: Der Fluglotse, der das Unglück nicht verhindern konnte, wird eineinhalb Jahre später von einem Hinterbliebenen, der bei dem Absturz Frau und Kinder verloren hatte, erstochen… Eine zu „unerhörte“ Geschichte, um aus ihr einen guten Film zu machen, möchte man meinen. Till Endemann und Don Bohlinger ist es dennoch gelungen. Es ist gelungen, weil sie Position beziehen und doch keine wohlfeile Abrechnung liefern. Der Film analysiert, zeigt Mängel im System, deutet an, wie die zweite Tragödie hätte verhindert werden können, ohne die Funktionsträger zu stereotyp gezeichneten Bösewichtern zu degradieren. Eine solche filmische Unternehmung bleibt eine Gratwanderung. Die Produktion bewegt sich nah genug an den Fakten, um zur Diskussion anzuregen, und ist zugleich weit genug weg von den konkreten Schicksalen – aus Rücksichtnahme vor den Betroffenen.
„Flug in die Nacht – Das Unglück von Überlingen“ sorgte für emotionale Hochspannungsmomente vor dem Crash. Man schwitzte als Zuschauer förmlich mit. Die Haupthandlung kreiste dann um die innere Logik des zweiten Unglücks. Till Endemann erzählte die Geschichte als tragisches Doppel: der deutsche Fluglotse hier, der russische Rächer dort, das anonyme System des Geldes prallt auf eine Philosophie, die den zwischenmenschlichen Kontakt – die Entschuldigung – sucht. Die Macher klagen nicht an, sie erbeten leise Buße. Es gibt im Film eine Gedenkfeier, die die Stimmung des ganzen Films sinnbildlich trifft. Dieses TV-Drama ist eine Andacht, ein Versuch, konsequent mit dem Herzen und nicht mit Paragrafen zu argumentieren. Es wird viel geweint, Ken Duken und Jevgenij Sitochin sind brillant, dieser Film geht einem nahe und nach. (Text-Stand: 29.7.2009)