„Erst freut man sich, alle wieder zu sehen und dann…“, sagt Sophie. Alle, die sich im Landhaus ihrer Mutter im Laufe der Sommerferien einquartieren, haben die selben Empfindungen. Es herrscht eine gedrückte Stimmung bei den Gastgebern Anna und ihrem zweiten Mann Robert. Aber auch Tochter Laura und ihr Paul, die mit ihren beiden Kindern unbeschwert Urlaub machen wollten, stecken in einer schweren Ehekrise. Hier in der völligen Abgeschiedenheit, irgendwo in der Pampa im Nordosten Deutschlands, gibt es kein Entrinnen. Jeder ist auf sich selbst zurückgeworfen und kann auch den anderen nicht entkommen. Und so tritt über die Jahre unter den Teppich Gekehrtes zu Tage und bedroht das Sommeridyll.
Der Zuschauer muss sich einsehen in diesen Film von Thomas Arslan, der alles andere ist als ein klassisches Familiendrama, wie man es im Fernsehen für gewöhnlich zu sehen bekommt. Die Konflikte werden nicht hoch gepeitscht, vielmehr sieht man als Zuschauer den Menschen mit gebührender Distanz bei ihrer oftmals unzulänglichen Beziehungsarbeit zu. „Ich versuche Filme zu machen, die ohne Überwältigungsdramaturgie auskommen“, betont Arslan. Wie sein Kollege Christian Petzold, der namhafteste Vertreter der so genannten „Berliner Schule“, bevorzugt der 1962 in Braunschweig geborene Filmemacher eine formale Strenge, die er nicht als Coolness missverstanden wissen will. „Auch ich versuche in meinen Filmen, Emotionen zu wecken, nur auf anderen Wegen – nicht so, dass der Zuschauer am Nacken gepackt und mit der Nase drauf gestoßen wird.“ Arslan orientiert sich lieber an seiner Erfahrung als an den Konventionen des Genreerzählens. Das Filmemachen ist für ihn eine bestimmte Art, die Welt zu sehen, eine Welt, in der das Geheimnis noch einen Wert darstellt. „Ich will die Figuren meiner Geschichten nicht komplett erklären“, sagt er. „Auch bei einem Menschen, den man persönlich gut kennt, gibt es ja immer große Bereiche des Unbekannten.“
Eine vom Mut zur Langsamkeit geprägte Filmsprache mit Einstellungen von bis zu zweiminütiger Länge wirkt bei „Ferien“ weniger befremdlich als beispielsweise bei Arslans mehrfach preisgekröntem Film „Dealer“, der auf den ersten Blick ein Krimi ist und von dem man mehr Spannung erwarten würde. Bei diesen „Szenen einer Familie“ passt dieses dramaturgische Understatement, dieses ausschnitthafte, atmosphärische Erzählen ohne psychologische Erklärungen. Wer sich auf diesen Film einlässt, bei dem der Einfluss von Meisterregisseuren wie Rossellini, Bresson oder Rohmer unverkennbar ist, kann Erfahrungen machen, die einer Kur ähnlich sind. Ist es da der Körper, können sich hier die überreizten Sinne erholen. Wenn dann auch noch Ausnahmeschauspieler wie Angela Winkler, Karoline Eichhorn oder Uwe Bohm die Szenerie mit ihrer zurückgenommenen Präsenz beleben, schlägt zumindest des Cinéasten Herz höher. Die Frage, ob das Fernsehen der richtige Ort für einen ästhetisch ungewöhnlichen Film wie „Ferien“ ist, scheint müßig zu sein angesichts eines deutschen Kinos, in dem es für solche wunderbaren Filme keinen Verleih mehr gibt.