Es ist Sommer, die Sonne strahlt über Hamburg, die Hochzeitsgäste haben sich fein gemacht, eine Stretch-Limousine fährt vor… Nichts steht einem perfekten Fest, wie es zur Tüftel- und Planungsqueen Isabel (Katharina Schüttler) passen würde, im Weg. Allein, vom Brautpaar fehlt jede Spur. Hat der sonst so unkonventionelle Ivo (Aleksandar Jovanovic) doch noch einen Rückzieher gemacht? Oder ist neben seiner Knast-Vergangenheit womöglich noch eine weitere Überraschung ans Tageslicht gekommen, weshalb sich die Braut vielleicht nicht traut? Ungleicher als diese beiden kann ein Paar kaum sein. Und so sind sie sich denn auch nur durch Zufall über den Weg gelaufen. Durch sie hat er seinen Aushilfsjob als Kellner verloren. Später dann revanchiert sie sich und gibt ihm eine Anstellung als Pflegekraft – denn keiner kann so gut mit ihrem pflegebedürftigen Vater (Manfred Zapatka), einst ein knochenharter Kapitän, wie der ausgebildete Marinesanitäter. Überhaupt scheint diesen Ivo so gut wie nichts aus der Ruhe zu bringen. Selbst der hanseatisch zugeknöpften Isabel begegnet er stets mit einem offenen, charmanten Lächeln. Sie bleibt aber zunächst distanziert. Ihre ökologisch verantwortungsvolle Arbeit als Schiffbauingenieurin ist ihr Leben. Doch ihr Ex (Tim Ehlert), für den sie immer noch arbeitet, zieht nur wenig nachhaltige Aufträge an Land. Als Ivo sie heimlich bei ihrem Herzensprojekt, einem „Meeresstaubsauger“, unterstützt, ist das Eis zwischen ihnen gebrochen. Jetzt will sie nur noch das machen, was ihr wirklich wichtig ist.
In Filmen ziehen sich – ähnlich wie im Leben – Gegensätze an. Besonders Beziehungs-Komödien setzen auf die manchmal gar nicht so kleinen Unterschiede. Auch in „Fast perfekt verliebt“ begegnen sich zwei, die auf den ersten Blick so gar nichts gemeinsam haben. Er ist immer zum Flunkern aufgelegt, sie indes versteht keinen Spaß, was wortwörtlich zu nehmen ist. Sie wirkt gehemmt, er locker. Sie denkt, er macht. „Wenn Ivo eine Idee hat, dann setzt er sie erst um und dann denkt er darüber nach“, so beschreibt ihn seine Tochter (Carolyn Genzkow). „Wenn ich eine Idee hab‘, dann denke ich so lange darüber nach, dass es sich irgendwann nicht mehr lohnt, sie umzusetzen“, sagt Isabel mit einem Schmunzeln und zeigt, dass sie in Sachen Humor und (Selbst-)Ironie zumindest lernfähig ist. Dieser gravierende Mentalitätsunterschied ist in dem ZDF-Fernsehfilm von Sinan Akkus („Evet, ich will“) keine oberflächliche Setzung, sondern er zieht sich durch alle Ebenen der Narration. Auch die Liebe wird diese Differenz nicht aufheben können; allenfalls die lange Zeit sehr (hüft)steife Heldin wird sich wohl künftig etwas mehr Unperfektheit herausnehmen. Schön, dass das in guter Unterhaltung erfahrene Autorenduo Birgit Maiwald („Lotta“-Reihe) und Jörg Tensing („Bloch“- & „Liebe-am-Fjord“-Reihe) diese Wesensarten in den Mittelpunkt rücken und nicht auf Ivos Knast-Vergangenheit herumreiten oder gar die Phase herzlicher Abneigung, ein unausrottbares RomCom-Klischee, der Liebe vorausschicken. Es gibt zwar einen Moment der Enttäuschung bei der weiblichen Hauptfigur – aber sie, die Frau, die schwierigen Gesprächen gern aus dem Weg geht, sucht die erwachsene Aussprache und denkt gar nicht daran, mit diesem Mann Schluss zu machen. Das wiegt umso mehr, als Isabel eine Frau ist, die gern alles unter Kontrolle hat und nichts weniger liebt als Überraschungen. Einer wird sie sich allerdings noch stellen müssen. Sie ist der Grund für die Abwesenheit des Brautpaars zur Hochzeit.
Was am Ende einer solchen romantischen Komödie steht, ist bekannt. Wie es allerdings dazu kommt, der Weg, aber vor allem die ästhetische Darstellung dieses Wegs, entscheidet über die Qualität in diesem Genre. „Fast perfekt verliebt“ macht handwerklich so gut wie alles richtig. Die auf den ersten Blick etwas altbackene Rückblende erweist sich nach dem Hochzeitsbeginn ohne Brautpaar (das kennt man aus dem Hollywood-Klassiker „Palm Beach Story“) als eine sehr gute Lösung, da auf diese Weise die Liebesgeschichte von Isabel & Ivo ausschnitthaft und pointiert erzählt werden kann. Amüsant ist vor allem das Spiel mit den Konstanten der Screwball Comedy. Maiwald und Tensing kehren geschlechterspezifisch hier das übliche Muster um: Wir treffen nicht auf das „verrückte Huhn“ und den verkopften Professor wie beispielsweise in „Leoparden küsst man nicht“, „Die Falschspielerin“ oder „Is‘ was, Doc?“, sondern auf eine emotional gehemmte, etwas weltfremde Frau und einen Charmeur ohne Plan. Nur in einem Punkt sind sie sich ähnlich: Beide wollen es ihren Liebsten recht machen. Dafür geht der spontane Ivo in den Knast, und auch Isabel begibt sich ins Gefängnis, allerdings eines, welches sie sich selbst aus ihren Vorstellungen von der perfekten Frau gezimmert hat. Wie das vermeintlich moralische, so wird auch das soziale, materielle Gefälle nicht überstrapaziert, sondern angenehm sophisticated in die Comedy eingebaut. So steht kurzzeitig von Seiten Ivos Tochter der Gedanke im Raum, dass ihr Vater von dieser Frau ausgehalten werden könnte. Bezahlt wird der aber natürlich für seine Pflegedienste. Dennoch gibt es eine Szene, die auf diesen Subtext subtil rekurriert. Als Ivo einen Vorschuss erbittet, kommentiert Isabel die Lohnauszahlung mit den Worten: „Und 50 mehr – war ja auch ohne Gummi.“ Darauf findet selbst Ivo keine lockere Antwort. Er springt sofort auf den Subtext an, dabei wollte sie offensichtlich auch nur einmal witzig sein; doch der Witz geht daneben.
Die Gegensätze zwischen dem Paar sind nicht nur dafür verantwortlich, dass es so lange dauert, bis die beiden zueinander finden, die Gegensätze bestimmen auch die Dramaturgie des Augenblicks; sie kommen dabei mit gepflegtem Understatement daher (er sagt irgendwann mal, dass er Vegetarier sei, und dann sieht man sie, wie sie sich Riesensalamistullen reinhaut). Aleksandar Jovanovic, früher in Krimis gern genommen als einer für die extrem sadistischen Fälle, spielt den (meist) tiefenentspannten Lebenskünstler als einen Mann zum Liebhaben. Und Katharina Schüttler gibt der faszinierenden Verzögerungsmethode, die der Film über die gesamte Laufzeit beherzigt, ein Gesicht. Wenn sie eines jener besagten Salamibrot isst, könnte man ihr minutenlang dabei zusehen. Sie spielt ihre Isabel, als würde diese ständig überlegen, welche Reaktion angemessen, welcher Gesichtsausdruck jetzt wohl der richtige wäre. Dass diese Angst vorm Kontrollverlust ganz am Ende von dessen „Mitverursacher“, ihrem mittlerweile so handzahmen Vater, wiederaufgenommen wird, ohne dass die Angst dem Film vorher als Sub-Thema aufgeladen worden wäre, ist auch eine Stärke dieser Geschichte, die ihre erzählerische Dichte beiläufig entwickelt. Was die Erzählweise angeht, so sind die ersten 70 Minuten für eine Komödie eher langsam – und doch hat der Film einen fast perfekten (!) Flow. So strukturieren Rückblenden den Plot und ermöglichen rasche Szenenwechsel.
Die einzelnen Situationen werden dann aber ausgespielt, einige von ihnen so köstlich und für TV-Verhältnisse (erst recht im „Herzkino“-Vergleich) unkonventionell, dass man sie nicht so schnell vergessen wird. Wenn beispielsweise Isabel (ein Tusch für die Kostüme: Majie Pötschke) an einem ihrer zahllosen, blass unifarbenen Pullis herumnestelt, um irgendwann unter ihrer braven Bluse einen Brustbeutel hervorzuholen, dann ist das nicht nur einer jener klugen, herrlich gedehnten Schmunzelmomente, sondern auch eine sehr wahrhaftige Situation, in der sich ihre Unsicherheit und Ängstlichkeit (Brustbeutel!), ihre Angepasstheit an die überkommene hanseatische Etikette und auch das Machtverhältnis zwischen ihr und Ivo spiegeln. Da ist der Heiratsantrag mit Champagnerverschluss als Ringersatz, dem eine gnadenlose Verlegenheitsszene mit Eklat-Option vorausgeht, die von Schüttler phantastisch in der Schwebe gehalten wird. Ähnlich unvergesslich: der erste Kuss. Dieser resultiert quasi aus einem Spiel im Spiel. Isabel, die man in der Schule nicht die Julia spielen lassen wollte, rezitiert entgeistert den Shakespeare-Text, und Ivo kann davon nicht genug kriegen: „Wollen Sie mir nicht auch noch die anderen Kussszenen vorspielen?“ (Text-Stand: 10.4.2019)