Lebenskünstler sind meist Männer, jedenfalls im Fernsehfilm: Gelassen nehmen sie die Dinge, wie sie kommen, und fallen immer wieder auf die Füße. Schon allein deshalb ist eine Figur wie Fanny Steininger erfrischend: Das „alte Mädchen“ hält es selten länger als ein paar Wochen an einer Arbeitsstelle aus und ist über beide Ohren verschuldet, lässt sich den Spaß am Leben aber nicht nehmen. Damit ist die Originalität der Geschichte von Thomas O. Walendy schon erschöpft, und auch Regisseur Mark Monheim, der 2015 mit dem Kinofilm „About a Girl“ debütierte, hilft der Handlung seiner ersten TV-Arbeit nicht sonderlich auf die Sprünge. Tempo und Intensität der Inszenierung erinnern eher an längst vergangene Zeiten, als sich die Freitagsfilme der ARD-Tochter Degeto an einer ältlichen Zielgruppe orientierten.
Umso erfrischender ist Jutta Speidel, auch wenn die erfahrene Schauspielerin solche Rollen gern und schon oft verkörpert hat: Fanny mag Falten haben, aber im Herzen ist sie jung geblieben, und das dokumentiert sie durch eine betont bunte Kleidung. Außerdem ist sie immer für Überraschungen gut; als Fahrkartenkontrolleurin bricht sie einem Grabscher auch mal ein paar Finger. Als sie daraufhin den Job verliert und wieder mal vor der Privatinsolvenz steht, ereilt sie aus heiterem Himmel eine frohe Botschaft: Ein Verstorbener, von dem sie noch nie gehört hat, setzt sie als Alleinerbin ein. Das Erbe beläuft sich nicht nur auf stattliche 180.000 Euro und ein paar Zerquetschte, es schließt auch ein traumhaft gelegenes Anwesen am Ammersee mit ein. Die Sache hat allerdings einen Haken: Haus und Geld bekommt sie nur, wenn sie sich um ihren Halbbruder kümmert. Der junge Mann ist zwar liebenswert, aber auch anstrengend: Elias (Dennis Mojen) ist geistig behindert. Und weil Fanny auch unsympathische Züge hat, heuchelt sie Großherzigkeit, um von einer Richterin zur Betreuerin ernannt zu werden, sucht dann jedoch umgehend nach einem Ausweg: Erbe ja, Elias nein.
Foto: Degeto / Barbara Bauriedl
Bei der ARD-Degeto sucht man nach dem Aus von vorgestrigen Freitagsreihen wie „Das Traumhotel“, „Lilly Schönauer“ oder „Die Landärztin“ nach Ersatz. Alexandra Neldels „Hochzeitsplanerin“ war ein bisschen sehr auf Sat 1 gebürstet, auch „Unser Traum von Kanada“ erwies sich – insbesondere nach dem Ausscheiden von Gwisdek – als wenig zukunftsträchtig. Allein „Hotel Heidelberg“ fand den richtigen Ton zwischen Drama & Komödie, leicht & anspruchsvoll und ist von der Besetzung ohnehin kaum zu toppen. Jutta Speidel wäre nun für ein bestimmtes ARD-Klientel schon die richtige Frontfrau. Auch die Ausgangsidee, unsere Erbengesellschaft bzw. -generation ins Spiel zu bringen, ist ja erst einmal nicht verkehrt. Reihen-Konzept wie Plot-Konstruktion wirken aber extrem ausgedacht und das Ergebnis lässt schwer zu wünschen übrig. Die Zeiten, in denen man mit Schauspieler-Vehikeln (die ARD machte das mit Neubauer, Wied & Co jahrelang vor) das TV-Publikum locken kann, sind vorbei. Gut so! tit.
Seltsamerweise verliert der Film den Jungen anschließend völlig aus den Augen. Stattdessen schicken Walendy und Monheim ihre Heldin in eine Kanzlei, wo sich der Film umgehend dem Niveau einer Vorabendserie annähert. Der für Fanny zuständige Anwalt mit dem wohlklingenden Namen Tristan Hackenbusch ist ein Schlacks, den Johann David Talinski spielt, als wolle er Joko Winterscheidt kopieren. Allein das ständige Zurechtrücken der Brille ist ein völlig abgenutztes filmisches Signal für Unsicherheit. Der ins Souterrain abgeschobene Tristan hat gehörigen Respekt vor seiner ehrgeizigen Kollegin Rita (Jennifer Ulrich), auf die sein Vater Wotan (Stefan Merki) wiederum große Stücke hält. Weil sich Fanny gern von den eigenen Problemen ablenkt, indem sie sich in die Angelegenheiten anderer Leute mischt, ergreift sie Partei in einem weiteren Erbschaftsstreit: Ein wohlhabender Brauereibesitzer (André Jung) will noch rasch seine Pfründe unter den ehelichen Kindern verteilen, damit er seiner unehelichen Tochter Lydia (Julia Jendroßek) möglichst wenig abgeben muss; natürlich vertritt Rita den Unternehmer. Dabei will Lydia gar kein Geld, sondern vor allem einen Vater. Von der Sorte hatte Fanny zwei, aber leider sind nun beide tot. Trotzdem führt sie regelmäßige Zwiegespräche mit dem Mann, denn sie 60 Jahre lang auch als Erzeuger betrachtet hat, denn Otto Steininger (Max Schmidt) schaut immer mal wieder aus dem Jenseits vorbei, um ihr Ratschläge zu geben. In einem der wenigen wirklich verblüffenden Momente richtet er sich unvermutet wie weiland Nosferatu kerzengerade in einem Sarg auf, als seine Tochter beim Bestatter die Formalitäten für die Beerdigung ihres leiblichen Vaters regelt.
Potenzial bietet die Handlung also genug, zumal Fanny noch mit zwei Schwestern (Isolde Barth & Lena Stolze) gesegnet ist, die es ihr mit deren besserwisserischen Art auch nicht immer leicht machen. Am Ende wird sie neue Empfangsdame in der Kanzlei Hackenbusch. Es gibt zwar ungleich besser qualifizierte Bewerberinnen, doch Fanny macht den besten Kaffee; so funktioniert dieser Film. Die nächsten Geschichten mit der Lebenskünstlerin, „Fanny und die gestohlene Frau“, zeigt die ARD 14 Tage später.