Hannes Westhoff (Günther Maria Halmer), einst ein berühmter Konzertpianist, heute nur noch Kotzbrocken und Haustyrann, lädt zum 70. Geburtstag. Oder war es vielmehr seine zweite Frau, die harmoniesüchtige Anne (Michaela May)? Der Familienpatriarch jedenfalls macht keinen Hehl daraus, dass er keinen gesteigerten Wert darauf legt, von seiner Loser-Sippe gefeiert zu werden. Er ist nicht gerade stolz auf „Schlaumeier“ Max (Lars Eidinger), auf „Windei“ Gregor (Marc Hosemann) und den schwulen Frederik (Barnaby Metschurat). Und dass seine bessere Hälfte auch noch seine erste Frau, die alkoholsüchtige Renate (Hannelore Elsner), in die Ehrfurcht einflößende Westhoff-Villa eingeladen hat, nimmt der von der Öffentlichkeit als „Der Unnahbare“ titulierte genialische Künstler einfach hin. Des lieben Friedens Willen. Doch dieser Frieden hält nicht lange. Die Ex säuft, der älteste Sohn spuckt Blut, der mittlere schleimt, weil er Geld braucht, damit er sich aus den Fängen brutaler Kredithaie freikaufen kann, und der jüngste verbrennt des alten Herren kostbare Partituren als Antwort auf dessen homophobe Unverschämtheiten. Dazwischen Anne, die gern vermitteln würde, aber die komplizierten Stimmungslagen nicht überblickt. Allein Krankenschwester Jenny (Jördis Triebel), die Max als seine Freundin vorstellt, obwohl sich beide gerade erst nach einem Unfall im Krankenhaus kennengelernt haben, findet als Außenstehende die passenden Worte für die zynische Stinkstiefeligkeit des arroganten Hausherren.
„Das Drehbuch von ‚Familienfest’ traut seinem Ensemble aus hervorragenden Schauspielern wenig Zwischentöne zu. Es will zu schnell zu viel. Und ‚viel’ heißt in diesem Fall: Missstimmung, offene Konflikte, Drama.“ (Spiegel online)
Das Vatermonster. „Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs geboren, gehört Westhoff zwar zu der Generation, die in den 60ern gegen die Eltern und deren Verbrechen rebelliert hat. Doch längst ist er zu einem Widergänger seines eigenen Vaters, der allem Anschein nach ein aktiver Teil der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten war, geworden.“ (epd film)
„Ein Film mit bombensicherem Dramödien-Sujet und mit einem Cast vom Feinsten, aber keine Pointe will zünden. Keine großen Schauspieler-Auftritte, keine überraschende Wendung, kein Kinobild, zu dem sich das Chaos verdichtet. Nur die langsame Verfertigung der Genrekonvention mit erwartungsgemäßer Versöhnung am Totenbett (…) und reichlich Anachronismen.“ (Tagesspiegel)
Dass die Kritik zum Kinostart von „Familienfest“ im Herbst 2015 die mangelnde Treffsicherheit der Pointen anmahnte, überrascht ein wenig – ist der Film von Lars Kraume nach dem Drehbuch von Andrea Stoll und Martin Rauhaus doch ein kapitales Drama und keine jener immer wieder gern gesehenen Tragikomödien, bei denen die Zuschauer lustvoll in Dialogen, gut bekannten Boshaftigkeiten und kleinen Handgreiflichkeiten baden können. Das freilich stellt ihn eher in die Tradition von Thomas Vintenbergs Missbrauchs-Drama „Das Fest“, mit dem es dieser zwar hochkarätig besetzte, aber eben doch nur mit einem niedrigen TV-Budget entwickelte Fernsehfilm (der nur aufgrund seines Erfolgs beim Münchner Filmfest den Weg in die Kinos fand) nicht aufnehmen kann. Dafür sind die Dialoge nicht individuell und spitzzüngig genug, die Konflikte und Charaktere zu nah am Klischee gebaut; und vor allem kommt das Drama, das alles mitbringt, was sowohl große Tragödie als auch seine triviale Ausformung, die Seifenoper, auszeichnet, so früh laut dahergepoltert, dass man eine grundsätzliche Wendung dieser Familienaufstellung annehmen muss. Zwar kommt es dann nicht so fernsehtypisch – sprich: läuterungsselig – wie befürchtet, keine der Figuren wird an die Dramaturgie verraten (darum bemühen sich auch die Schauspieler), aber dem alten „Arschloch“ wird im Schlussdrittel dann doch der Zahn gezogen. Und eine psychologische Erklärung gibt es auch: Der Vater hatte einen Vater – und der war noch schlimmer! Das vermeintliche Drama einer Abrechnung mutiert zum Melodram: das ist wirkungsvoll, bringt die Familienangelegenheit zwar nicht weiter, aber in dieser Sache ist nach 90 Minuten ohnehin nicht mehr möglich. Und so endet „Familienfest“ – anders als sein angriffslustiger Beginn – eher gedämpft. So wie derartige Familienzusammenkünfte in Wirklichkeit wohl auch zu enden pflegen. Und eines stimmt versöhnlich: die unglückselige Traditionslinie der Familie scheint – nachdem das erste Opfer zu beklagen ist – gebrochen zu sein. (Text-Stand: 10.10.2016)