Schauspieler, Charmeur, Scharlatan. Clemens Wilmenrod war der Kochshow-Erfinder und der erste Fernsehkoch. Vom Kochen verstand er anfangs zwar so gut wie nichts, doch mit Hilfe seiner geschäftstüchtigen Ehefrau wurde er 1953 der erste bundesdeutsche Fernsehstar. „Bitte in zehn Minuten zu Tisch“, hieß seine Sendung, jeden Freitagabend um 21.30 Uhr. Es war das erste TV-Format, das sich an Frauen richtete. Und die Damenwelt himmelte ihn an, diesen leidenschaftlichen Erzähler und flunkernden Schwerenöter, der von erfundenen Reisen in ferne Länder zu berichten wusste und in gestelztem Deutsch zu seiner Fan-Gemeinde („Ihr lieben goldigen Menschen“) sprach.
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Wilmenrod verstand sich als Künstler. Er parlierte wie die UFA-Stars jener Jahre, er war ein gnadenlos selbstverliebter Selbstdarsteller, ein Egomane von jenem Typus Mann, den die 1950er Jahre hervorbrachten und den vornehmlich die Frau vor sich selbst zu schützen hatte. Er entdeckte die Zielgruppe im Fernsehen und erfand die Schleichwerbung. „Er hatte ein warmes Herz und war ein Spieler, der alles auf ein paar unsichere Karten setzte, er war labil und oft unklug, selbstherrlich und kameradschaftlich, risikobereit und besessen vom eigenen Ego und der Liebe der Fans.“ So charakterisiert Jan Josef Liefers den „großen Zampano mit der verletzten Seele“. Der Schauspieler spielt Wilmenrod in Kaspar Heidelbachs Biopic.
„Es liegt mir auf der Zunge“ erzählt vom raschen Aufstieg, vom kurzen süßen Leben und vom steten Niedergang mit Scheidung, Krankheit und Selbstmord jenes charismatischen Fernsehkochs, dem die Frauen, der Alkohol und sein Hang zur Selbstüberschätzung zum Verhängnis wurden. Die Redaktionsleitung bei dieser amüsanten Hochstapler-Geschichte hatte übrigens Doris J. Heinze. Auch ihr stieg bekanntlich die Macht zu Kopfe.
12 Kilo durfte sich Liefers anfressen. Im Film gibt es kaum eine Szene, in der er nicht sein Bourbon- oder Weinglas schwenkt. Der Film sucht anfangs die humorige Tonlage. Auch die knallbunten 50er-Jahre-Interieurs, die Mode, das Design oder die formschönen Automobile jener Wirtschaftswunderjahre zielen in die eher nostalgisch-launige Richtung. Doch die tiefe Tragik von Wilmenrods Leben schleicht sich formvollendet in die Handlung. Die Frauen werden jünger, Wilmenrod feister. Liefers gelingt es, den traurigen Koch zum Leben zu erwecken, der so bizarr wirkte wie viele seiner kulinarischen Kreationen, vom „Arabischen Reiterfleisch“ bis zum berühmten „Toast Hawaii“. Wirkt jener manieristisch agierende Narziss lange Zeit wie eine Kunstfigur, so verwandelt er sich gegen Ende in eine bemitleidenswerte Kreatur. Tadellos auch Anna Loos – in jenem höchst unterhaltsamen Film der flotten Reime aus jenen Tagen, als die Fernsehbilder laufen lernten. (Text-Stand: 25.11.2009)