Erzgebirgskrimi – Der Tote im Stollen

Stephan Luca, Mandoki, Weißbach, Ard/Jahreis, Ulrich Zrenner. Die Region ist der Star

Foto: ZDF / Uwe Frauendorf
Foto Tilmann P. Gangloff

Das Erzgebirge mit seiner viele Jahrhunderte alten Bergbautradition und seinem enormen Reichtum an Sagen und Legenden ist ein reizvoller Schauplatz für die neue Krimireihe, mit der das ZDF an seine „Crime and Nature“-Tradition anknüpft. Ähnlich sehenswert wie die eindrucksvolle Landschaft ist das Ensemble dieses ersten „Erzgebirgekrimis“ (NFP): Stephan Luca und Lara Mandoki sind ein interessantes Gespann; auch die weiteren Rollen sind reizvoll und namhaft besetzt. Die angebotenen Verdachtsmomente mögen den üblichen Zutaten entsprechen, aber die Handlung schlägt genügend Haken, um fesselnd zu bleiben. Die Umsetzung ist konventionell, die Bildgestaltung dafür ebenso sorgfältig wie die Arbeit mit den Schauspielern. „Der Tote im Stollen“ enthält zahlreiche spritzig-amüsante Wortwechsel, sodass der Film trotz kleiner Schauermomente durchaus familientauglich ist.

Wenn die Polizei aufs Dorf muss, heißen die entsprechenden Filme in der Sendersprache „Crime and Nature“; das klingt weltläufiger als Provinz-, Heimat- oder gar Regionalkrimi. Dabei sind auch diese Gattungsbegriffe alles andere als abschätzig, schließlich leben ganze Buchverlage schon seit geraumer Zeit von diesem Genre. Früher galt die Großstadt als Moloch, in dem Mord und Totschlag grassieren, und für die klassischen Reihen und Serien stimmt das immer noch; aber gerade das ZDF siedelt seine Krimis seit einigen Jahren gern in entlegenen Gegenden an. Das ist auch eine Frage des Programmauftrags, schließlich soll das öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht nur die Metropolen abbilden. Der österreichische ORF hat 2014 mit dem „Landkrimi“ sogar eine Art Pendant zum urbanen „Tatort“ eingeführt.

Provinzkrimis haben zudem einen dramaturgischen Vorteil, den auch der erste „Erzgebirgskrimi“ weidlich nutzt: Die Ermittler kommen aus der Stadt und werden auf dem Land mit einer Welt konfrontiert, in der die Uhren anders laufen. In diesem Fall gilt das ganz besonders, denn das Erzgebirge ist dank seines Sagenreichtums ein Schauplatz, an dem Autoren – Krimiroutinier Jürgen Pomorin (alias Leo P. Ard) hat das Drehbuch gemeinsam mit dem Produzenten Rainer Jahreis geschrieben – aus dem Vollen schöpfen können. Und noch eins zeichnet die Region aus: Seit Jahrhunderten ist das sächsische Mittelgebirge vom Bergbau geprägt. Früher wurden vor allem Silber und Marmor gefördert, zu DDR-Zeiten ist hier Uran für die Atomraketen der Sowjetunion abgebaut worden. Heute heißt das Zauberwort Lithium; und darum geht es in der Auftaktepisode zur neuen Reihe, „Der Tote im Stollen“.

Erzgebirgskrimi – Der Tote im StollenFoto: ZDF / Uwe Frauendorf
Kommissarin Szabo (Lara Mandoki) ist die zweite Kraft im Ermittlungsbunde. Die traditionelle Handwerkskunst aus dem Erzgebirge kommt einen Monat vor Weihnachten nicht zu kurz in der Auftaktepisode der ZDF-Reihe. Christian Grashof

Schon der geschickt eingefädelte Auftakt deutet an, dass Pomorin und Jahreis keinen Krimi von der Stange erzählen wollten. Kommissar Ralf Adam (Stephan Luca) war zuletzt in Berlin und muss sich erst mal an den besonderen Menschenschlag im Erzgebirge gewöhnen. Er selbst ist allerdings auch recht speziell; seine jüngere Kollegin Karina Szabo (Lara Mandoki) scheitert immer wieder bei dem Versuch, ihn dazu zu bewegen, etwas Persönliches preiszugeben. Rechtsmedizinerin und Gutsbesitzerin Charlotte von Sellin (Adina Vetter), die sich in ihrer Freizeit auch mal auf den Traktor setzt, ist dagegen umso redseliger; die kessen Dialoge dieser gutgelaunten Frauen machen Spaß und lassen Adam noch eigenbrötlerischer wirken. Allerdings trägt der Kommissar auch ein Trauma mit sich herum, wie sein klaustrophobisches Unbehagen im Stollen und spätere regelmäßige Alpträume verdeutlichen; selbstredend muss er seine Phobie am Ende überwinden, um die junge Kollegin zu retten.

Das Ermittler-Ensemble ist also schon mal sehenswert und schauspielerisch ansprechend zusammengestellt. Die Geschichte ist ebenfalls interessant, selbst wenn die angebotenen Verdachtsmomente – hat ein Wilderer (Hansjürgen Hürrig) das erschlagene Opfer auf dem Gewissen, handelt es sich um ein klassisches Eifersuchtsdrama? – zunächst nicht sonderlich originell wirken. Der Tote war zu Lebzeiten Professor an der Bergakademie Freiberg, die Ehe war glücklich, heißt es, aber Besetzung und Darstellerführung säen umgehend Zweifel. Tatsächlich brauchen Adam und Szabo nicht lange, um rauszufinden, dass der Professor seine Frau mit einer Studentin betrogen hat. Die Witwe (Katrin Bühring) wiederum hat ein Verhältnis ausgerechnet mit Hellmanns Erzfeind an der Hochschule; Arnd Klawitter gehört zu jener bedauernswerten Schauspielspezies, die regelmäßig als Verdächtige besetzt wird. Es ist letztlich der regionale Charakter, der die Story aus dem Krimialltag heraushebt: Hellmann wusste dank einer alten Karte, wo es sich lohnt, nach Lithium zu suchen. Noch reizvoller sind die rätselhaften Einschübe mit ihren Bezügen zur Sagenwelt des Erzgebirges. So geistert regelmäßig die „Weiße Frau von Schneeberg“ durch die Szenerie, eine Unheilsbotin, die den Tod ankündigt… Trotz kleiner Schauermomente ist der Krimi durchaus familientauglich.

Leider hält Inszenierung nicht ganz, was die Geschichte verspricht. Ausgesprochen einfallslos sind beispielsweise die vielen Kameraflüge, die praktisch jede Autofahrt begleiten und viele Szenenwechsel einleiten; Regie führte Ulrich Zrenner, der in den letzten Jahren fast ausschließlich fürs ZDF gearbeitet und diverse Episoden für Reihen wie „Ein starkes Team“ oder „Unter Verdacht“ sowie viele Serienepisoden gedreht hat. Immerhin setzt Kameramann Andreas Doub, der in den Filmen von Hannu Salonen regelmäßig für besondere Bilder gesorgt hat, optische Akzente; gerade das Licht in den Nachtaufnahmen ist mit großer Sorgfalt gestaltet. Sehr gelungen ist auch der sympathische Tonfall des Films: „Der Tote im Stollen“ ist zwar keine Komödie, aber viele Wortwechsel sind spritzig und ziemlich amüsant. Ähnlich gut ist Zrenners Arbeit mit den Schauspielern, zumal Teresa Weißbach mit leichtem Dialekt für Lokalkolorit sorgt. Sie ist in der Erzgebirgsstadt Stollberg aufgewachsen und spielt die Leiterin des Fortreviers: Saskia Bergelt hat die Leiche im Stollen gefunden. Sie mag den Kommissar und lässt sich auch durch seine Maulfaulheit nicht abschrecken. In einer kleineren Rolle wirkt Andreas Schmidt-Schaller als Saskias Vater und Ex-Förster mit.

Erzgebirgskrimi – Der Tote im StollenFoto: ZDF / Uwe Frauendorf
Tierärztin Kristin Hellmann (Katrin Bühring) sieht nach dem angeschossenen Jagdhund von Försterin Saskia Bergelt (Teresa Weißbach).

Eigentlicher Star des Films ist jedoch die Region, die im Unterschied zum Elbesandstein-Gebirge oder zum Harz bislang nur selten Filmschauplatz gewesen ist, obwohl die einheimischen Sitten und Gebräuche eine wahre Fundgrube an Geschichten bietet. Ein Großteil der Handlung spielt in Schwarzenberg; die Gemeinde war nach dem Zweiten Weltkrieg für kurze Zeit unbesetzt und hat damals die „Freie Republik Schwarzenberg“ ausgerufen. Ein zweiter „Erzgebirgskrimi“ mit den gleichen Teams vor und hinter der Kamera ist bereits abgedreht, der Bezug zur Region wird darin laut ZDF noch größer sein. Die Ausstrahlung ist für das Frühjahr 2020 geplant. (Text-Stand: 14.10.2019)

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Reihe

ZDF

Mit Stephan Luca, Lara Mandoki, Teresa Weißbach, Katrin Bühring, Arnd Klawitter, Adina Vetter, Christian Grashof, Andreas Schmidt-Schaller, Adrian Topol, Hansjürgen Hürrig, Caro Cult

Kamera: Andreas Doub

Szenenbild: Stefanie Granitza

Kostüm: Bettina Catharina Proske

Schnitt: Verena Neumann, Marco Baumhof

Musik: Ludwig Eckmann

Soundtrack: Chris Stapleton („Death Row“), Bob Dylan („Lay Lady Lay”)

Redaktion: Pit Rampelt

Produktionsfirma: NFP

Produktion: Clemens Schaeffer, Rainer Jahreis

Drehbuch: Leo P. Ard, Rainer Jahreis

Regie: Ulrich Zrenner

Quote: 6,21 Mio. Zuschauer (20,8% MA)

EA: 09.11.2019 20:15 Uhr | ZDF

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