Nach „Urlaub mit Mama“ und Urlaub mit dem Ex in „Unzertrennlich nach Verona“ lädt das „Erste“ sein Publikum zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen zur heiteren Italienreise; diesmal fahren eine Hamburger Großmutter und ihre Enkelin nach Meran. Trotz unterschiedlicher Sendetage handelt es sich bei allen Komödien um Freitagsfilme, die im Auftrag der Degeto entstanden sind. Dankenswerterweise hat die ARD auf den Arbeitstitel „Meine Oma spinnt“ verzichtet und sich anstelle des naheliegenden Titels „Urlaub mit Oma“ für „Endlich Gardasee!“ entschieden. Dort treffen die Frauen zwar erst ganz am Schluss ein, aber für die Großmutter erfüllt sich ein lebenslanger Wunschtraum. Wie stets, wenn ältere Herrschaften im Zentrum romantischer Dramen stehen, lautet die Botschaft also: Es ist nie zu spät für einen Neuanfang. Das denkt sich auch Lotti (Cornelia Froboess), die mit Mitte siebzig noch mal von vorn anfangen will: Weil Ehemann Heinz (Willem Menne) als Hobbyfunker den ganzen Tag akustisch durch den Äther streift, sucht sich die Gattin kurzerhand eine eigene Wohnung. Enkelin Eva (Julia Nachtmann) ist schockiert und hofft, dass ein gemeinsamer Urlaub auf Usedom die Oma auf andere Gedanken bringt. Eva, Physiotherapeutin mit eigener Praxis, tut die Abwechslung auch ganz gut: Sie lebt zwar mit ihrem Freund Hannes (Bernhard Piesk) zusammen, hat sich aber in einen Patienten verliebt. Auf dem Weg ans Meer fassen die beiden Frauen den spontanen Entschluss, nach Italien zu fahren. Für Lotti ist der Gardasee ein Sehnsuchtsort, an dem Heinz und sie vor Jahrzehnten schon ihre Flitterwochen verbringen wollten, aber es war nie genug Geld für die Reise da. Eva wiederum zieht es gen Süden, weil Tobias (Ulrich Friedrich Brandhoff), die Praxisbekanntschaft, seinen Urlaub in Meran verbringt; und selbstredend treffen am Ende alle Beteiligten dort aufeinander.
Foto: Degeto / Hans Joachim Pfeiffer
Autorin Sophia Krapoth („Pilgerfahrt nach Padua“) steht für sehenswerte Komödien, die gern als heitere Verpackung für ernste Handlungskerne dienen. Bestes Beispiel ist „Die Hochzeit meiner Eltern“ (2016), ein Film über ein langjähriges Paar, dessen späte Hochzeit in einen Tag der Abrechnung ausartet; auch und gerade zwischen Braut und Bräutigam. „Endlich Gardasee!“ gehört allerdings stärker in die Kategorie jener Geschichten, die freitags im „Ersten“ und sonntags im „Zweiten“ eine gewisse Tradition haben: Frauen freuen sich auf den gemeinsamen Lebensabend mit dem Ehemann, um endlich all’ das nachzuholen, wofür wegen Beruf und Familie nie Zeit war, doch der Gatte kann entweder nicht von seinem Beruf lassen, hat ein zeitraubendes Hobby oder schlicht keine Lust. So radikal wie Lotti verhalten sich die Frauen in den entsprechenden Komödien allerdings selten. Gerade während des ersten Filmdrittels legt Regisseurin Ulrike Grote jedoch ein eher überschaubares Tempo vor; in Schwung kommt die Geschichte erst, als die Reise beginnt. Zeitverschwendung ist der erste Akt trotzdem nicht, weil Cornelia Froboess und Julia Nachtmann wunderbar zusammenpassen. Ihre gemeinsamen Szenen sind von einer Nähe geprägt, die die Dialoge sehr authentisch wirken lässt; einige Gespräche sind so natürlich, als habe Grote die beiden Schauspielerinnen improvisieren lassen. Dass dies keineswegs nur an der Erfahrung von Froboess liegt, zeigt Nachtmann in den Momenten mit ihren beiden männlichen Kollegen. Sie gehörte bereits zum Ensemble des Überraschungserfolg „Die Kirche bleibt im Dorf“, aus dem Grote noch vor dem Kinostart im Auftrag des SWR eine Serie machen durfte.
Soundtrack: Sophia Loren („Bing! Bang! Bong“, „Mambo Bacàn“, „Tu vuò fà l’americano”, „Zoo Be Zoo Be Zoo”, „Mambo Italiano”), Roland Kaiser („Santa Maria”), Adriano Celentano („Blueberry Hill”, „Desidero te”, „Tell Me That you Love Me”), Louis Prima („Buona Sera”, „Just a Gigolo”), Doris Day („Perhaps, perhaps, perhaps”)
Foto: Degeto / Hans Joachim Pfeiffer
Natürlich verwöhnt „Endlich Gardasee!“ spätestens nach der Ankunft in Südtirol mit schönen Dolomitenbildern (Kamera: Pascal Mundt), aber das Alleinstellungsmerkmal der Geschichte ist Sophia Loren, denn Lotti ist ein großer Fan der Schauspielerin. Interessanterweise geht es dabei vor allem um ihre Lieder; ein Großteil der Canzoni, die im Verlauf der Handlung erklingen, stammen aus der frühen Gesangskarriere des späteren Weltstars. Nicht nur die Zuschauer im Alter der Hauptdarstellerin wissen natürlich, dass auch „Conny“ Froboess ihren Ruhm einst Hits wie „Zwei kleine Italiener“ (1962) und diversen Schlagerfilmen mit Peter Kraus zu verdanken hatte. Natürlich gibt es neben den Ohrwürmern von Loren noch weitere Evergreens, aber die Auswahl ist deutlich weniger klischeehaft als in den beiden anderen Italienfilmen der Degeto. Sehr stimmig ist auch die musikalische Untermalung von Jörn Kux, der den typischen Canzone-Stil so perfekt in seine Kompositionen integriert, dass sie anfangs oft wie ein weiterer Schlager klingen. Auch die Musik kann jedoch nicht verhindern, dass die bis dahin zwar nicht temporeich, aber doch flüssig inszenierte Reiseerzählung ins Stocken kommt, als die beiden Frauen ihr Ziel erreichen. Nun wirkt der Film nicht nur episodisch, einige der kleinen Ereignisse bringen die Handlung auch nicht weiter: Lotti geht zum Friseur, hat ihre Geldbörse vergessen, bittet Eva telefonisch um Hilfe, und die weiß auch sofort, wo sie die Großmutter findet. Solche kleinen Unebenheiten ändern indes nichts an der gelungenen Konzeption der Figuren, zumal Krapoth und Grote verschiedene Fragen, die zu Beginn offen bleiben, später beantworten: Eva ist bei den Großeltern aufgewachsen, das erklärt das besonders innige Verhältnis; und Lotti war viele Jahre lang heimlich in ihren alleinstehenden Chef verliebt und weint zur großen Verwunderung von Heinz und Eva bittere Tränen, als sie von seinem Tod erfährt. Damals hat sie die Chance verpasst; deshalb nun ihr Auszug aus scheinbar heiterem Himmel. Auch dafür findet der Film einen Dialog, wie er in seiner Knappheit vermutlich nicht untypisch für viele alt gewordene Ehepaare ist. Sie: „Ich zieh’ aus.“ Er: „Uns geht’s doch gut!“ Sie: „Du merkst auch gar nix.“ Dieses Miteinander, das eher einem Nebeneinander gleichkommt, erklärt zudem, warum Eva plötzlich ihre eigentlich doch prima funktionierende Beziehung aufs Spiel setzt: Sie hat Angst, mit ihrem Freund genauso zu enden wie ihre Großeltern. (Text-Stand: 22.9.2018)