Mädchen für alle(s), Mutter, Geschäftsfrau und immer noch Single
Katrin Busche (Anna Schudt) hat das, was anderen Eltern, deren Kinder nach dem Abi flügge werden, noch bevorsteht, schon ein paar Jahre hinter sich. Sie ist längst geschieden. Ihr Ex-Mann Daniel (Oliver Mommsen) hatte sich von ihr getrennt, um mit einer anderen Frau (Silja von Kriegsstein) eine Familie zu gründen. Das Verhältnis zwischen dem ehemaligen Paar ist einigermaßen freundschaftlich. Schon allein der gemeinsame Sohn Eric (Sven Gielnik) zwingt die beiden zur Vernunft. Doch nun ist dieser aus dem Haus – und Daniel möchte sein idyllisches Stadthäuschen verkaufen, das er seiner allein erziehenden Ex-Frau mietfrei die letzten Jahre überlassen hatte. Seine neue Partnerin ist das zweite Mal schwanger, und er braucht dringend das Geld, damit sie sich eine größere Wohnung leisten können. Katrin kommt das alles reichlich ungelegen, hat sie derzeit doch genügend Baustellen: Sie steht kurz vor der Eröffnung ihrer eigenen physiotherapeutischen Praxis, außerdem muss sie sich mehr als ihr lieb ist um ihren Vater (Walter Kreye) kümmern, dem ein Unfall nach dem anderen passiert. Und dann ist da noch dieser sympathische Anwalt Stefan Hartmann (Tim Bergmann), der ihr nicht aus dem Kopf geht. Dass er der Ehemann einer Patientin ist, der Paartherapeutin Sybille Merz (Christina Große), weiß sie noch nicht einmal. Und als dann ihr Sohn Eric mit seiner Freundin Mia (Sonja Bruns) plötzlich wieder in Hamburg auftaucht, sind weitere Turbulenzen vorprogrammiert. Da gerät der Verkauf des Häuschens bald an die hinterste Stelle – und Katrins Ex-Ehemann muss einsehen, dass nun er an der Reihe ist.
Flüssig & schlüssig: eine Fülle an Figuren, eine Vielfalt an Problemen
Wenn die Kinder das Haus verlassen, beginnt auch für die Eltern ein neuer Lebensabschnitt. Die Trilogie „Eltern allein zu Haus“ erzählt von Beziehungen auf dem Prüfstand, von eingeschlafenen Gefühlen, von Ehen, bei denen „Reparaturen“ zu spät kommen oder noch etwas zu retten ist, von amourösen Neuanfängen und die dritte Episode um eine patente Single-Mutter insbesondere davon, dass Eltern auch Eltern bleiben, selbst wenn sie längst geschieden und ihre Kinder (fast) erwachsen sind. Für „Frau Busche“ begibt sich Nina Bohlmann, die die Drehbücher zu allen drei Filmen geschrieben hat, in den Mikrokosmos einer Patchwork-Familie. Da sind zwei, die schneller sind als andere Paare und ihre Beziehung nicht jahrelang aussitzen. Die Busches wirken wie Prototypen des modernen Großstadtmenschen, selbstständig, flexibel, unabhängig. Doch mit der Unabhängigkeit ist das so eine Sache. Wer Beziehungen eingeht, wer Kinder hat, der hat auch Verpflichtungen. Der Film von Josh Broecker, der auch „Die Schröders“ und „Die Winters“ inszeniert hat, bringt das alles schlüssig und erzählerisch flüssig auf den Punkt. Man hat nie den Eindruck, als wolle der Film nur seine Themen abhaken. In diesem Sinne ist die Fülle an Figuren und die Vielfalt an Problemen, die hier vor allem spielerisch ins Feld gezogen werden, hilfreich. „Interaktion“, ohnehin das dramaturgische Funktionsprinzip Nummer eins dieser lebensklugen Unterhaltungsfilm-Trilogie, spielt in „Frau Busche“ auch in den Geschichten die ganz zentrale Rolle. Die vielen Baustellen, die allseitige Vernetzung, machen das Leben der Titelfigur nicht nur kompliziert, sondern auch schwierig. Sie muss sich „rausnehmen“, um von der Gemeinschaft nicht erdrückt und um am eigenen Leben nicht gehindert zu werden.
Dramaturgisch dicht, temporeich, kluge Interaktion & der Alltag steht Pate
Die Figur Katrin Busche ist das Herzstück dieser Episode, die man wie die beiden anderen als Dramödie bezeichnen könnte, aber ebenso gut auch als Beziehungskomödie. „Frau Busche“ wirkt spielerischer, dramaturgisch dichter (auch deshalb, weil man die Überschneidungen der drei Geschichten nun vollständig entschlüsseln kann), der Film besitzt auch ein höheres Tempo als seine Vorgänger und baut sogar ein paar Slapstick-Momente ein. Autorin Bohlmann versteht es, die vielen Geschichten und Subplots wunderbar zu strukturieren, sie nicht einfach aneinanderzureihen, wie es Komödien viel zu oft tun, sondern sie alltagsnah erscheinen zu lassen und zugleich spannungsdramaturgisch clever zu kombinieren. Da glaubt man, jetzt gibt es gleich den großen Beziehungsknall, als sich bei der Praxis-Eröffnung der Ex, der neue Geliebte und dessen Frau die Klinke in die Hand geben, doch elegant und emotional effektiv wird eine andere Auflösung gewählt. Über das konkret Erzählte hinaus entsteht so ein durchdachtes Interaktionsnetz, in dem man sich als Zuschauer gern verfängt. Das liegt auch am Ton, den die Charaktere anschlagen, den Dialogen und wie sie von den Schauspielern „gesprochen“ werden. Während Sittlers Figur in „Die Winters“ zur Karikatur neigt und Krassnitzers überzeugend gespielter Ehemann alter Prägung in seiner Ignoranz für den aufgeklärten Zuschauer – zumindest „gefühlt“ – eine Klischeefigur ist, wirken die Hauptfiguren von „Frau Busche“, bei aller Ausgedachtheit wie aus dem Leben gegriffen, authentisch, alltagsnah, während sich das Komödienhafte aus den Situationen ergibt.
Der Trilogie-Faktor: die „gemeinsamen“ Szenen der drei Filme
„Eltern allein zu Haus“ sind drei Einzelstücke, angesiedelt zwischen Komödie & Dramödie, die nicht thematisch zusammengehören und deren Geschichten auch konkret korrespondieren. So gibt es mehrere Szenen, beispielsweise die Abi-Feier, das Treffen in einem Konzert, im Fitnesscenter oder des Öfteren im Krankenhaus, in denen Charaktere aller drei Filme sich begegnen. Die Perspektive wird jeweils bestimmt von den Titelgebern. Bei „Die Schröders“ registriert man den Trilogie-Faktor interessiert, bei „Die Winters“ sind die sich überschneidenden Szenen schon ein bisschen aufschlussreicher und im dritten Film, „Frau Busche“, lassen sich dann auch die letzten dezenten Fragezeichen beantworten. Diese gefühlten zehn, zwölf „gemeinsamen“ Minuten eines jeden Films sind ein spielerischer Mehrwert für den Zuschauer. Wer nur eine Episode sieht, mag zwar etwas „verpassen“, ist sich dessen aber nicht bewusst; unverständliche Momente gibt es für den „Einzeltäter“ jedenfalls nicht. Besonders für den Unterhaltungssendeplatz am ARD-Freitag, an dem als Reihe bisher allenfalls „Hotel Heidelberg“ überzeugen konnte, ist diese Format- und Themenidee doppelt wertvoll. Und so gibt es bei allen drei Filmen für das kluge Degeto-Konzept einen halben ttv-Stern obendrauf!
Schudt, Mommsen, Große und die Balance zwischen Alltagston & Drama
Anna Schudt, so scheint es, legt ihren Charakter nicht anders an als bei einer Drama-Rolle. Bei Oliver Mommsen ist das nicht anders – auch wenn dessen Spiel immer etwas angenehm Saloppes besitzt. Überhaupt ist die stimmige Balance zwischen Alltagston und Drama, zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit das größte Plus dieses Films. Dass Anna Schudt und die in dieser Episode etwas stärker in den Vordergrund gerückte Christina Große als Paartherapeutin die komplexeste Haupt- und die komplexeste Nebenrolle von „Eltern allein zu Haus“ innehaben, dürfte kein Zufall sein, besitzen doch beide Schauspielerinnen – schaut man auf ihre bisherigen Filme – ein enormes Potenzial, was sich an der Bandbreite ihrer Rollen und auch an der emotionalen Bandbreite innerhalb einer Rolle ablesen lässt. Schudt muss in „Die Busche“ viele soziale Rollen übernehmen: Mutter, Ex-Frau, Tochter, Freundin, Liebhaberin, Geschäftsfrau. Jedes (falsche) Lächeln, jede ironische Spitze, jede grantige Bemerkung, jede besorgte Geste, jeder Vorwurf sitzt. Schön, dass auch das finale Aufeinandertreffen dieser beiden „Rivalinnen“, die längst keine Rivalinnen mehr sind, leise, respektvoll und mit Mitgefühl (und nicht mit einem Komödieneffekt) aufgelöst wird. Am Ende der Szene steht ein Satz, der tief blicken lässt: „Hättest du dir nicht einfach eine Jüngere suchen können – dann hättest du mir nicht so deutlich vor Augen geführt, dass du vor allem was ganz anderes willst.“
Einladung zur Selbsterkenntnis – spielerisch, hoffnungsfroh, unverkrampft
Alltagsnähe ist die Rezeptur dieser ARD-Trilogie. Damit besitzen ihre Geschichten für die meisten Zuschauer einen großen Wiedererkennungswert und eine außerordentlich hohe Anschlussfähigkeit. Erfreulicherweise funktionieren die drei Filme nur bedingt über das Muster Sympathie/Antipathie. Statt dessen darf man als Betrachter den Protagonisten von höherer Warte aus, mit launiger Distanz, bei ih-ren tragikomischen Kommunikationsproblemen zuschauen. Und dabei definiert weniger die Psychologie des Einzelnen als vielmehr das allgemeine Interaktionsmuster die Beziehung. Über allen drei Episoden von „Eltern allein zu Haus“ steht die altbekannte Psychotherapeuten-Weisheit: Zu jeder Beziehungskrise gehören immer zwei. Wird auch keine der Figuren von vornherein disqualifiziert (am wenigsten in der Patchworkfamilienkomödie „Frau Busche“), so dürfte dennoch jeder Zuschauer seine „Favoriten“ haben. Das sagt – genauso wie die Präferenz für einen der drei Filme (dem Kritiker gefällt „Frau Busche“ am besten) – auch viel über die Neigungen und Erfahrungen des jeweiligen Zuschauers aus. Insofern lädt diese mehr als respektable Trilogie spielerisch, unverkrampft und hoffnungsfroh zur Selbsterkenntnis ein. Und wer glaubt, ihn würde das alles nichts angehen, der wird auch seinen Spaß haben. (Text-Stand: 4.3.2017)