Die Sterneköchin Maria Bonnet ist eine Frau, die alles am liebsten selbst in die Hand nimmt. Für ihr schnuckelige Hotel am See mit dem Nobelrestaurant, das sich seit Jahrzehnten im Familienbesitz befindet, zerreißt sie sich. Jetzt steht auch noch ein Umbau ins Haus. Um ihn zu finanzieren, lädt sie sich auch noch eine TV-Kochshow auf. Die Mutter freut sich darüber. Ehemann und Tochter indes sind zunehmend entnervt: an diese einst so lebensfrohe Frau ist kein Rankommen, so etwas wie ein Familienleben gibt es nicht mehr. Auch die ersten Warnsignale ihres Körpers überhört Maria. Einen Hörsturz, die mögliche Vorstufe zu einem Burnout, nimmt sie zumindest zum Anlass, sich ein paar Tage in eine Spezialklinik zu begeben. Sie hofft auf Wellness, kriegt Inaktivitätstraining und Meditation verpasst – und ist deshalb nach ein paar Tagen wieder weg. Zu Hause haben sich derweil die Familienfronten verhärtet und die nächste Koch-Sendung wird zum Desaster. Jetzt findet Maria aus eigenen Stücken den Weg zurück in die Klinik, um sich ihren Ängsten und ihren Zwängen zu stellen.
Franziska Meletzky zur Dramaturgie des Films:
„Das Interessante ist für mich, dass es der erste Film ist, der nicht durch Plotpoints entschieden wird im klassischen Sinne, sondern durch emotionale Zustände, die jeweils den nächsten Erzählschritt motivieren. Das Aufregende dabei war, jeden dieser Schritte und Zustände mit Anja Kling zum Leben zu erwecken und dabei viel zu verstehen über die Relativität des Glücks.“
Foto: ZDF / Volker Roloff
Immer für andere da sein, sich vom Lob der anderen sättigen und bei allem an sich selbst zuletzt zu denken – dieses Muster hat jene Maria perfektionistisch verinnerlicht. „Einmal Leben bitte“ kommt schnell zur Sache. Das passt zu den motorischen Qualitäten der Heldin. Diese Frau ist eine Getriebene. Selbst in Momenten, in denen sie und ihr „Haus“ gefeiert werden, ist alles nur Stress für sie. Das Lächeln und die Freude über das Erreichte haben keine Zeit, um wirklich von Herzen zu kommen. Doch dieses Lächeln erstirbt gänzlich, als der Mann vom Bauamt seine Wertung abgibt. Der Hörsturz kündigt sich massiv an. Die Filmsprache macht das alles wunderbar transparent: dem hohen Tempo mit enormer Schnittgeschwindigkeit folgt das Chaos im Kopf, verzerrte Töne, Schwindel, Taumel, Ohnmacht. Diese Frau braucht schleunigst Ruhe – das spürt jeder Zuschauer.
Franziska Meletzky und ihrem Team gelingt es, diese individuelle Schicksalsgeschichte auch mit einer sehr individuellen Filmästhetik zu belegen – vergleicht man sie mit den üblichen „Herzkino“-Formaten und deren Erzählweisen. Da wird der Zuschauer vom Blick in die Pfanne förmlich verrückt. Es brutzelt und zischt – sinnlich bringt Kameramann Hannes Hubach in den ersten Minuten dem Zuschauer das Kochen nahe. Lecker, lecker – nur dass jene Maria von dieser Sinnlichkeit (zum Beispiel später in der Klinik, wo ihr die unästhetische Pampe gehörig gegen den Strich geht) allenfalls spricht und sie gar nicht mehr wahrnehmen kann. Ironie des Schicksals: ausgerechnet der Sterneköchin schwinden die Sinne – bald ist sogar der Geschmackssinn weg. Jetzt weiß auch sie, dass sie die Notbremse ziehen muss.
Foto: ZDF / Volker Roloff
Gab es Jahre, in denen man das Gefühl hatte, Anja Kling – so gut ihre Rollen und das, was sie aus ihnen gemacht hat, oft auch waren – ein bisschen zu häufig auf dem Bildschirm zu sehen, so kommt dieser Film nach einer längeren Kling-freien Phase genau richtig, um zu erkennen, wofür diese Schauspielerin steht. Sie vermag es, dem Zuschauer mit dem Gesicht der sympathischen Frau von nebenan bleierne Themen nahezubringen und somit zwischen Kopf und Bauch, zwischen Verstand und Gefühl, zwischen Diskurs und Drama, zwischen der Geschichte eines Films und den Zuschauern zu vermitteln. Sie vermag es, Menschen dort abzuholen, wo sie sich befinden. In diesem Sinne ist sie die Idealbesetzung für diesen Film, der für die vermeintliche Psycho-Kavalierskrankheit Burnout sensibilisiert und der sicher auch gegen einige Vorurteile gegenüber Sucht- und Seelenmassage-Kliniken ankommen muss.
Die mitunter augenzwinkernde Art und Weise, in der das Personal der Klinik gezeichnet wird, hilft dabei, den psychotherapeutischen Alltag (der dem Zuschauer einiges über die angelernten Muster der mit 14 zur Halbwaisen gewordenen Heldin verrät) auf dem Unterhaltungsfilm-Sendeplatz des ZDF gebührend zu zeigen. Dieser mitunter launige Tonfall, in dem auch eine Lust am Leben erkennbar wird, desavouiert keinesfalls die Institution und die Menschen dort, die der Heldin ja immerhin die Augen geöffnet haben für ihre ungesunden Verhaltensmuster. „Einmal Leben bitte“ ist mehr als ein gut gemeinter Lebensberatungsfilm. Das ist kurzweiliges, berührendes Themenfernsehen, visuell prägnant und filmästhetisch hoch reflektiert. Der klinische Fall bestimmt maßgeblich die Dramaturgie des Films. So ändert Meletzky in der Heilungsphase von Grund auf den Erzählton. Die Einstellungen werden länger, die Räume gewinnen an Kraft und der in winterliches Weiß getauchte Klinikpark ist mehr als nur das Stimmungsbarometer für die ausgebrannte Heldin. Ein bemerkenswertes „Herzkino“-Stück.
Foto: ZDF / Volker Roloff