Einer für alle, alles im Eimer

Hans Sigl, Sebastian Bezzel, Heiko Pinkowski. Wahre statt Ware Freundschaft

Foto: ZDF / Erika Hauri
Foto Rainer Tittelbach

„Einer für alle, alles im Eimer“ ist eine kurzweilige WG-Komödie, die weniger den Mythos von der „Männerwirtschaft“ als vielmehr den von der „wahren Freundschaft“ zum Besten gibt. In einer TV-Show lassen sich drei Freunde vorführen, weil sie das Preisgeld brauchen. Größtes Plus dieser „Buddy-Komödie“ sind die drei Hauptdarsteller, die einen munteren Typen- und Tonlagen-Mix ergeben. Regie führte ein unbeschriebenes Blatt: Maurus vom Scheidt; das Drehbuch, das auf jeder gehobenen Boulevard-Bühne seinem Genre alle Ehre machen würde, schrieb der Bühnen-Autor und Kabarettist Stefan Vögel. Amüsant!

Sie sind nicht mehr ganz jung, aber sie brauchen das Geld trotzdem, die drei alten Freunde aus München. Ingo ganz besonders. Der Lehrer ist tief verschuldet. Dem Haus, in dem seine schwedische Ex-Frau Sandra und ihr gemeinsamer Sohn Max leben, droht die Zwangsversteigerung. Und da sich die beiden aus diesem Grund bald in Richtung Schweden verdünnisieren könnten, muss Ingo rasch handeln. 160.000 € braucht er. Da ihm weder Justitiar Paul noch Banker Sebastian, seine beiden betuchteren Freunde, mit denen er seit Kurzem in einer Single-WG zusammenwohnt, das Geld leihen wollen, überfällt er kurzerhand das Kreditinstitut seines Freundes. Der erkennt ihn sofort. Um die emotionalen Wogen des dilettantischen Überfalls zu glätten, gibt er ihm das Geld aber trotzdem – mit der Absicht, es sich abends zurückgeben zu lassen, und so den Überfall quasi ungeschehen machen zu können. Das Geld aber befindet sich schon längst in Sandras Händen. Ingo hat derweil einen ganz anderen Plan, wie er mit Hilfe seiner Freunde das Geld zurückgeben kann: „Ware Freundschaft“, die TV-Sendung, in der 300.000 € zu gewinnen sind. Und so landen Ingo, Paul und Sebastian auf den heißen Stühlen dieser biestigen Reality-Show, die die Freundschaft der drei Kandidaten auf den Prüfstand stellen will – Motto: „Wir killen jede Beziehung“. Und so werden binnen einer Woche peinliche Wahrheiten ans Tageslicht gezerrt, die dazu führen, dass vielleicht auch der Banker und der Anwalt das (Preis-)Geld gut gebrauchen können.

Einer für alle, alles im EimerFoto: ZDF / Erika Hauri
Medienkritik light: „Ware Freundschaft“ enthüllt die Wahrheit über Justitiar Paul und seine Vorliebe für One-Night-Stands. Simon Schwarz und Sebastian Bezzel

Drei Freunde, fortysomethings, als Helden mit dezentem Anti-Status in einer TV-Komödie – lange her, dass so etwas im deutschen Unterhaltungsfernsehen, das vornehmlich auf romantische Gefühle geeicht ist, zu sehen war. Entsprechend gibt es ein erstes Plus fürs Sujet und das Subgenre der „Buddy-Komödie“. Das nächste Plus gehört den Schauspielerin: Den weithin unterschätzten „Bergdoktor“-Darsteller Hans Sigl mit Sebastian Bezzel (Bodensee-„Tatort“) und Heiko Pinkowski („Ich fühl mich Disco“) als identifikationsträchtiges Männer-Trio zu casten, ergibt einen munteren Tonlagen-Mix. Und diese WG ist auch in Hinblick auf die Zuschauer clever: Da ist der Mann für die Emotionen und die Frauenversteher-Blicke (Sigl), der Mann, der Womanizer-like jungenhaften Charme versprüht, aber dem auch Melancholie und dezente Depressionen gut zu Gesicht stehen (Bezzel) und schließlich der Mann, der Originalität und Individualität mit jedem seiner Pfunde verkörpert und der einen Hauch von Independent und Anderssein in den Film trägt (Pinkowsi, der freilich auch viele Mainstream-Nebenrollen gespielt hat). Noch mehr setzen das ZDF und die Akzente Film hinter der Kamera auf bisher weitgehend unentdeckte Kräfte. Das Drehbuch schrieb der österreichische Bühnenautor und Kabarettist Stefan Vögel; Regie führte Maurus vom Scheidt („Wie Licht schmeckt“), der die letzten Jahre vor allem als Werbefilmer gearbeitet hat.

Dem albernen Filmtitel zum Trotz ist „Einer für alle, alles im Eimer“ mit seiner Anspielung an den „Drei-Musketiere“-Wahlspruch eine kurzweilige Komödie, die weniger den (TV-)Mythos von der „Männerwirtschaft“ als vielmehr den von der „wahren Freundschaft“ zum Besten gibt. Die Idee mit der Fernsehshow, die für Geld Menschen öffentlich demütigt, macht das Ganze zeitgeistig, vielleicht sogar auch ein kleines Bisschen medienkritisch interessant – und die praktische Durchführung gerät mit Top-Komödiant Simon Schwarz als perfidem Moderator, der die Vergangenheit der drei Freunde nach Skandalträchtigem durchpflügt, äußerst amüsant. Dadurch freilich dringt die Handlung nicht nur tiefer in das Phänomen Freundschaft ein (und zeigt, woran die drei freundschaftstechnisch noch arbeiten können: Ehrlichkeit), sondern sie gibt den Hauptcharakteren auch stärkere Konturen und erweitert die Typen-Bilder der drei modernen Musketiere. Jeder Tag bringt neue Enthüllungen. Das Chaos, das dadurch im Leben der drei Männer zeitweise entsteht, lässt beinahe vermuten, dass etwas dran ist an dem Spruch: Kleine Lügen erhalten die Freundschaft. Der Druck von außen führt dazu, dass sich die drei freiwillig outen, noch bevor das Fernsehen die allzu peinlichen Wahrheiten aufdeckt. Schade, dass das eine oder andere an sich folgenschwere Geständnis, insbesondere Sebastians Verliebtheit in Paul, nur als Knallbonbon benutzt wird und in der Handlung nicht weiterverfolgt wird. Eigentlich untypisch für Stefan Vögels Drehbuch, das sich dramaturgisch klassisch an den Situationen und Konflikten abarbeitet und das auf jeder gehobenen deutschsprachigen Boulevard-Bühne seinem Genre alle Ehre machen würde.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Hans Sigl, Sebastian Bezzel, Heiko Pinkowski, Simon Schwarz, Lisa Werlinder, Julian Olivi, Bettina Mittenberger, Adnan Maral, Nathalie Schott, Hubert Mulzer, Thomas Limpinsel

Kamera: Fabian Rösler

Szenenbild: Markus Dicklhuber

Schnitt: Kilian von Keyserlingk

Produktionsfirma: Akzente Film & Fernsehproduktion

Drehbuch: Stefan Vögel

Regie: Maurus von Scheidt

Quote: 4,47 Mio. Zuschauer (14,2% MA)

EA: 15.10.2015 20:15 Uhr | ZDF

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