Ist das, was sich zwischen Julika (Lucie Heinze) und Konstantin (Golo Euler) anbahnt, mehr als eine Sommerliebelei? Es beginnt mit einer zufälligen Begegnung in der Straßenbahn. Er hat kein Ticket, sie hilft gedankenschnell aus – und wird den charmanten Fahrradstadtführer erst mal nicht mehr los. Schließlich möchte er ja die 60 Euro für das Schwarzfahrerticket bei ihr abbezahlen, in Form von 20 Kaffees. Als Konstantin allerdings nach Espresso Numero uno von Julikas Schwiegervater Georg (Miroslav Nemec) am Morgen nach einer platonischen ersten Nacht angegiftet wird, und er erfährt, dass diese Knallerfrau verwitwet ist und zwei Kinder (Falka Klare, Simon Tiefenbacher) hat, macht er erst mal einen Rückzieher. „Du brauchst in deiner Situation was ganz anderes“, stottert er, der einen Großteil des Jahres in Indien lebt und keine Lust darauf hat, sich als Lehrer verbiegen zu lassen. Die lässige, lockere Art ist es, die Julika offenbar anziehend findet. Nachdem sie ihm die Situation erklärt hat – der tödliche Unfall und die Ersatzfamilie nebenan, zu der auch noch Georgs Frau Christa (Lilly Forgách) gehört – können beide nicht mehr voneinander lassen. Die Konflikte aber sind vorprogrammiert: Denn nicht nur die Schwiegereltern übertreiben es mit dem Andenken an ihren Sohn, auch Julika scheint in ihrem Innersten noch nicht zu einer neuen Beziehung bereit zu sein. Und Konstantin möchte sich auch mit Ende dreißig nicht gern festlegen. Mit einer Freundin mit Kids kommt nun aber eine bisher ungekannte Verantwortung auf ihn zu.
„Ich versuche, aus jedem Moment das Schönste zu machen.“ Diese lustbetonte Lebensphilosophie der männlichen Hauptfigur färbt ein Stück weit auch auf die Stimmung ab, die der ARD-Fernsehfilm „Eine Liebe später“ vermittelt. Der Autorin Dominique Lorenz („Sturköpfe“), der Regisseurin Michaela Kezele („Die Brücke am Ibar“ / „Zimmer mit Stall“) und dem vielfach preisgekrönten Kameramann Holly Fink gelingt es, trotz eines Toten, der noch immer die Beziehungen einer Familie bestimmt, neunzig Minuten eine leichte, lockere und sehr luftige Tonlage vorherrschen zu lassen. Die Kennlern- und Verliebtheitsphase wird in wunderschöne, mal sonnendurchflutete, mal nächtlich kontrastreiche Bilder von München getaucht. Die Lebensfreude wird allerdings bald getrübt durch den Schwiegervater, der den Spielverderber in Sachen neue Liebe gibt. Immer öfter redet er sich in Rage, macht Julika Vorhaltungen und stellt merkwürdige Vergleiche mit den Kriegswitwen seiner Familie her. Natürlich stellt Georg, dieser Handwerker alter Schule, dramaturgisch gesehen den äußeren Konfliktherd dar, als Zuschauer ahnt man aber, dass hinter der Wut eine individuelle Erfahrung stecken muss. Denn diese vorgestrige Extremposition passt ansonsten nicht so recht zu einem Unterhaltungsfilm, der erfreulich alltagsnah von den Dingen des Lebens erzählt.
Auch wenn die Grundsituation, junge Witwe trifft Lebenskünstler, auf den ersten Blick etwas ausgedacht wirkt, wie die meisten ARD-„Endlich-Freitag“- oder ZDF-„Herzkino“-Plots, so macht dieser Buhmann doch den Weg frei für eine moderne Liebesgeschichte und trägt mit zu deren dramaturgisch sicheren Fundament bei. So müssen sich die beiden frisch Verknallten (erst einmal) nicht mit ihren eigenen emotionalen Baustellen befassen. Und es scheint ja auch alles gut zu klappen: Der Luftikus ist nicht nur Mann für den Kaffee, sondern er packt auch mit an und ist für den kleinen Max sofort Kumpel und Vaterersatz. Tochter Leni tut sich allerdings schwer mit dem Mann im Gästezimmer und Julika mit dem Sex, wenn oben die Kinder toben und nebenan die Schwiegereltern lauern. Und dann platzt dem grantigen Georg der Kragen. Spätestens jetzt ist es mit dem Liebesglück vorbei. Konstantin erinnert sich wieder an seine Lebensphilosophie, an Indien, an ein Leben jenseits kleinbürgerlicher Gartenzaun-Zänkereien, und Julika erkennt, dass sie nicht ohne Grund den Handyvertrag ihres Mannes nach zwei Jahren immer noch nicht abbestellt hat; noch immer ruft sie ihn in schwierigen Situationen an, um ihm auf die Mailbox zu sprechen. Nicht loslassen können, ein abgedroschener Begriff im Unterhaltungsfernsehen ebenso wie in der Küchenpsychologie gängiger Liebesratgeber – in „Eine Liebe später“ finden die Macher ein schönes Bild dafür. Auch der Wind wird zweimal wunderbar als sinnliche Metapher der Liebe eingesetzt.
Die Dramaturgie schlägt keine Saltos, sorgt letztlich aber dafür, dass die Handlung angenehm in der Schwebe bleibt und man nie den Eindruck hat, es werde hier nur wieder mal eine Genreschablone. Für den angenehmen Flow der Geschichte spielen die Charaktere eine entscheidende Rolle. Sie sind keine Erfüllungsgehilfen des Plots. Diese Menschenentwürfe mögen zwar ausgedacht sein, vor allem aber sind sie glaubwürdig. Beide Figuren spiegeln diese Lebensfreude, die der Film ausstrahlt, trotz der Spaßbremse, die Miroslav Nemec gibt. Jedem anderen Dritten müssen diese zwei einfach als sympathisch und liebenswert erscheinen. Dieser Eindruck ist untrennbar mit Lucie Heinze und Golo Euler verbunden, zwei Schauspielern, die in allen Genres zuhause sind, also anders als viele Darsteller*innen des leichten Fachs nicht mit gutem Aussehen allein punkten (müssen). In deren Gesichtern gibt es viel zu sehen, alles, was in einer so komplizierten, vielleicht dauerhaften (Sommer-)Liebe an Emotionen steckt. Am Ende bleibt ein realistisches Gefühl von Offenheit. Und so sind beide zwar bereit für eine neue Beziehung, einen festen Plan für die Zukunft haben sie allerdings nicht. Und ob trotz des symbolhaft etwas überstrapazierten Fahrradmotivs (Tod durch Fahrrad-Unfall, Max‘ Angst vorm Radfahren, Konstantin verdient sein Geld als Fahrradstadtführer), das am Ende des Films steht, es bei Konstantins Job bleibt oder er sich vielleicht doch überreden lässt, als Lehrer zu arbeiten (was für die Überlebenschancen dieser Liebe in München deutliche Vorteile hätte), das ist eine andere Geschichte. (Text-Stand: 19.12.2021)