Zwei Wochen, die ein Leben verändern
Im Jahre 1876 tritt die mittellose Gräfin Bertha von Kinsky in Paris in die Dienste des Wissenschaftlers Alfred Nobel. Als dieser wenig später nach Schweden beordert wird, reist er allein, ohne seine hochverehrte Privatsekretärin. Ein Fehler, der dem wohlhabenden, zurückgezogen lebenden Mann sein großes Herz zu brechen scheint. Denn Berthas Verlobter, Arthur von Suttner, ist aus Wien angereist und „entführt“ seine Liebste vor den Traualtar. Weil der Adelsspross wegen seiner Liaison enterbt wurde, schlagen sich die beiden fortan schreibend durchs Leben. Im Kaukasus sind sie Augenzeugen des Russisch-türkischen Kriegs. Im Angesicht dieser Schlachtfeldgräuel, „mit diesen grauenhaften Bildern in Kopf“, wird Bertha von Suttner zur überzeugten Pazifistin. Mit dem Roman „Die Waffen nieder!“ wird sie zu einer der berühmtesten Friedensaktivistinnen Europas. Dass ihre heimliche Liebe, Alfred Nobel, mit dem sie in regem Briefwechsel steht, mit seinen Erfindungen die Voraussetzungen für den Krieg schafft, ist vor allem Arthur von Suttner ein Dorn im Auge. Er spürt, welche Nähe trotz geographischer Distanz zwischen Nobel und Bertha besteht.
Foto: Degeto / Oliver Roth
Die Geschichte einer ungelebten Liebe
Bertha von Suttner und Alfred Nobel führten eine geistige (Fern-)Beziehung. Nach den knapp zwei Wochen, in denen die Schriftstellerin in spe dem Chemiker und Erfinder des Dynamits die Geschäfte führte, sollen sich die beiden kein weiteres Mal getroffen, sich aber ein Leben lang geschrieben haben. „Eine Liebe für den Frieden“ frei nach Esther Vilars Theaterstück „Mr. & Mrs. Nobel“ macht nun aus dieser Bekanntschaft eine unerfüllte Liebe: Bertha von Suttner, „die Friedenstante“, Alfred Nobel, „der Kriegstreiber“, zwei, die füreinander bestimmt waren. Urs Eggers Fernsehfilm erzählt von dieser fiktiven Liebesgeschichte zwischen den Bildern, mit Blicken, die diese Liebe erahnen lassen, gelegentlich in parallelen Episoden, mit einem deutlichen Übergewicht auf der Vita von Bertha von Suttner, die 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Drehbuchautor Rainer Berg lässt die beiden dann aber doch noch mehrere Male zusammenkommen. Anfangs verbindet sie ihr Intellekt, die Liebe zu den Büchern. Nobel: „Ich hab etwas gegen Dummheit.“ Darauf lächelnd von Suttner: „Da sind wir schon mal zu zweit.“ Nach 60 Filmminuten stehen sich beide in Nobels nobler Bibliothek gegenüber. Er: „Ich möchte Sie umarmen.“ Sie: „Ich weiß.“ Intimer wird es nicht. Später auf einem Boot, inmitten eines italienischen Sees, sinnieren sie nur über ihr Leben und was kommen wird. Ihre Beziehung bleibt die Geschichte einer ungelebten Liebe.
Foto: Degeto / Oliver Roth
Ein Film, der von der Größe seiner Helden lebt
„Eine Liebe für den Frieden – Bertha von Suttner und Alfred Nobel“ lebt vor allem von der erhabenen Größe zweier Persönlichkeiten, von deren weitsichtiger Klugheit und intellektueller Kultiviertheit. Der Film lebt neben der wohlbekannten Rhetorik jener Jahre mit ihren Kutschen, Handküssen und den überaus gepflegten Umgangsformen, eine Rhetorik, die hier nur selten aufs Melodramatische verfällt, vor allem aber durch die Stärke seiner beiden Hauptcharaktere und das nachhaltige Spiel von Birgit Minichmayr und Sebastian Koch. Da sind sehr viel mehr als nur amouröse Zwischentöne zu entdecken. Den beiden lässt sich auch gut bei ihren weltanschaulichen Wortwechseln zuhören, gerade eben, weil dieser Inhaltsaspekt vom Beziehungsaspekt sinnlich überlagert wird. Und diese Gespräche wiederum, die häufig um den Widerspruch kreisen, dass der Kriegsgegner Nobel, der früh die Theorie der militärischen Abschreckung entwirft, mit seinen Erfindungen die Kriegseuphorie befeuere, vertiefen selbstredend auch die Verbundenheit der beiden. Im Übrigen deckt der Film – was er allerdings nicht erzählt – einen weiteren Widerspruch auf: dass der Nobelpreis (und damit auch der Friedensnobelpreis), der noch immer aus dem enormen, zum Teil vom Vater Alfred Nobels ererbten Geldes finanziert wird, letztlich auch aus „Kriegsgewinnen“ gestiftet wird.
Emotional wohltemperiertes Ausstattungs-TV
Dramaturgisch und filmästhetisch ist diese deutsch-österreichischen Koproduktion, die die Historie sinnhaft und charakterorientiert in Szene setzt, anstatt üppig in kostümierter Vergangenheit zu schwelgen, kein Meisterwerk. Dafür sind die Voraussetzungen des eher undramatischen Stoffs aber auch nicht gegeben. So dauert es anfangs seine Zeit, bis man sich als Zuschauer in die altmodische Chronologie der historischen Ereignisse einfindet und bereit ist, sich mit zwei faszinierenden Menschen auf eine vorhersehbare (Zeit-)Reise zu begeben… „Eine Liebe für den Frieden“ ist ein (emotional) wohltemperiertes Ausstattungsstück, eine filmische Würdigung, ein Denkmal für zwei Denker des ausgehenden 19. Jahrhunderts.