Wie zwei Cowboys „reiten“ Harry und Paul auf ihren schweren Motorrädern in die norddeutsche Provinz ein. Vor über 50 Jahren, nach dem legendären Bill-Haley-Konzert in Hamburg, bei dem so manches zu Bruch ging, verließen sie wild entschlossen ihre Heimat. Freiheit! Raus aus dem Muff der 50er Jahre, nach Übersee, ein Leben für die Rockmusik, ein Leben als Roadie. Zu Bruch gingen damals nicht nur die Stühle im Konzertsaal, zu Bruch ging auch die Beziehung zwischen Harry und seiner Elly. Jetzt sehen sie sich zum ersten Mal seit jenem Schicksalsjahr 1958 wieder. Und Harry staunt nicht schlecht, als er den einstigen Wildfang als „Schwester Elisabeth“ wieder findet, als evangelische Ordensfrau. Gott ist ihr Mann. Auch Harry war nie verheiratet. Die Straße war sein Zuhause. Beide haben schwer zu kämpfen mit der Situation. Elisabeth steht völlig neben sich – und Harry hat Schmerzen im Bauch. Beide müssen erkennen, dass sie die Situation damals falsch eingeschätzt haben. Der Schmerz über den Geliebten, der sich aus dem Staub gemacht hat, und die schwere Enttäuschung über die Liebste, die alle seine Briefe unbeantwortet ließ, hat einen Dritten als Urheber: den falschen Freund Fred. Er sollte den Postillon d’Amour spielen. Tat es aber nicht.
Foto: Degeto / Christine Schröder
Zu sehr sollte man diese Handlung nicht nach (psycho)logischen Kriterien abzuklopfen versuchen. Und schon gar nicht mit „Glaubwürdigkeit“ kommen. „Eine halbe Ewigkeit“ etabliert einen biographischen und sozialpsychologischen Rahmen, um eine „innere“ Geschichte in Gang zu setzen, die davon erzählt, was ungelebt geblieben ist in zwei Leben. „Kann die Kommunität ein bloßer Ersatz für im Leben Vermisstes sein?“, fragt Schwester Elisabeth die junge Schwester Hilde, die kurz vor ihrer „Einsegnung“ steht, und es ist eine Frage, die sie sich selbst stellt. Diese an Projektionen reiche Szene im Klostergarten zwischen der Hauptdarstellerin Cornelia Froboess und Anna Maria Sturm ist eine der vielen intensiv und nuancenreich gespielten, tief bewegenden Situationen dieses außergewöhnlichen ARD-Freitagsfilms. „Eine halbe Ewigkeit“ ist wie jeder gute Fernsehfilm ein Spiel mit Möglichkeiten. Die Plausibilität des Ganzen erwächst aus solchen Szenen, die durch ihre Genauigkeit eine weitaus größere Wahrhaftigkeit besitzen als die etwas ausgedachte Ausgangshandlung. Da raunzt Habich, da flüstert Froboess und oft hört man die Vögel im Hintergrund zwitschern. Kameramann Klaus Merkel weiß viel mit der Gotteshaus-Location anzufangen, die er zumeist sommerlich-frisch (Sturms junge Schwester ist Sinnbild dieser Haltung) und nur in Hinblick auf die Heldin protestantisch selbstkasteiend visualisiert.
Die unzähligen „besten Momente“ dieses Degeto-Melodramas von „Gefühlsregisseur“ Matthias Tiefenbacher („Das Haus ihres Vaters“) finden den richtigen Ton zwischen Sinn und Sinnlichkeit. Die Szene auf dem Autofriedhof beispielsweise. Oder die Schlaflos-in-der-Kapelle-Szene zwischen dem sich nur langsam wieder findenden Paar. Wunderbar auch der Ausflug an den See, der in einer Super-8-Filmvorführung gipfelt: die beiden, 1958, auch am See, ein Blick, ein Blinzeln, ein Kuss. So schön kann Liebe sein. Und so bewegend ein Filmmoment (in dem so viel mehr enthalten ist als in einer herkömmlichen Rückblende). Autor und Produzent Volker Krappen hatte bei dem Film in jeder Hinsicht ein glückliches Händchen. Perfekte Besetzung, der richtige Regisseur – und über den Schluss lässt sich diskutieren… Tod? Zweite Trennung? Oder werden Harry und Elly am Ende Harry und Sally spielen?