Eine ganz heiße Nummer 2.0

Schneeberger, Thomass, Mittendorfer, Rainer Kaufmann. Ende der Ausbaustrecke

Foto: ZDF / Marc Reimann
Foto Tilmann P. Gangloff

„Eine ganz heiße Nummer“ war der deutsche Überraschungs-Hit des Kinojahres 2011. Die Fortsetzung konnte acht Jahre später nicht annähernd an diesen Erfolg anknüpfen. „Eine ganz heiße Nummer 2.0“ (ZDF / Ratpack) ist zwar nicht minder kurzweilig, aber der Film wirkt mit seinen aneinandergereihten heiteren Nummern zuweilen wie eine Sketch-Comedy: Weil ihr niederbayerisches Heimatdorf keinen Anschluss ans Internetzeitalter bekommt, wollen die drei Heldinnen aus dem ersten Film die Anschubfinanzierung für die Glasfaserverkabelung bei einem Tanzwettbewerb gewinnen. Die Dialoge sind stellenweise von erfrischender Bosheit, der herzhafte Humor ist mitunter ähnlich deftig wie in den Eberhofer-Krimis; die Zielgruppen müssten eigentlich identisch sein. Die Hauptdarstellerinnen Rosalie Thomass, Gisela Schneeberger und Bettina Mittendorfer sind erneut ohne Einschränkung sehenswert.

Weil drei Frauen dringend Geld brauchen, um ihren kleinen Lebensmittelmarkt zu retten, gründen sie unter dem Motto „Liebesgrüße aus der Heimat“ kurzerhand eine Sexhotline: Das ist im Kern die Handlung des Romans „Eine ganz heiße Nummer“ von Andrea Sixt. Seinen besonderen Reiz verdanken das Buch wie auch die gleichnamige Verfilmung, für die Sixt selbst das Drehbuch geschrieben hat, dem Kontrast zwischen dem anrüchigen Geschäft und der bigotten Umgebung: Die Geschichte spielt in der erzkatholischen niederbayerischen Provinz. Der Film war mit über 1,3 Millionen Kinobesuchern der deutsche Überraschungs-Hit des Jahres 2011. Umso erstaunlicher, dass es so lange bis zur Fortsetzung gedauert hat. „Eine ganz heiße Nummer 2.0“ (2019) konnte allerdings nicht annähernd an den Erfolg anknüpfen: Dem zweiten Teil fehlt die Unbeschwertheit, durch die sich das Original auszeichnete; die Produktion wirkt wie der Versuch, mit den gleichen Zutaten ein neues Gericht zu zaubern. Die drei Hauptdarstellerinnen Rosalie Thomass, Gisela Schneeberger und Bettina Mittendorfer machen allerdings erneut großen Spaß.

Eine ganz heiße Nummer 2.0Foto: ZDF / Marc Reimann
Offenbar kann nur eine High-Speed-Internet-Leitung Marienzell retten. Diese müssen die Dörfler aus Kostengründen allerdings selbst verlegen. Die Fronten verhärten sich – auch zwischen Lena (Rosalie Thomass) und Ehemann Willi (Matthias Ransberger).

Das Drehbuch ist vom Duo Kathrin Richter und Jürgen Schlagenhof, die schon des Öfteren Vorlagen für Rainer Kaufmann geliefert haben, darunter die tragikomische vierteilige ZDF-Familienfilm-Saga, die im Gefolge von „Das Beste kommt erst“ (2009) entstanden ist. Bei Kaufmann sind die Figuren zwar in guten Händen, aber selbst der erfahrene und mit allen wichtigen Fernsehpreisen ausgezeichnete Regisseur (Grimme-Preise für „Marias letzte Reise“, 2005, und „In aller Stille“, 2011) kann nicht verhindern, dass die Fortsetzung mitunter wie eine Sketch-Comedy wirkt, weil eine heitere Nummer die nächste jagt. Zwar war auch im ersten Film die Handlungsbasis überschaubar, aber die Geschichte lebte nicht zuletzt von den liebevoll gezeichneten Nebenrollen; Schlagenhof und Richter konzentrieren sich dagegen deutlich stärker auf das zentrale Trio.

Diesmal geht es erst in zweiter Linie ums Geld: Während man ein paar Dörfer weiter mit „Heischpied“ durchs Internet surfen kann, gibt es in Marienzell keine Zufahrt zur Datenautobahn; für die paar Seelen lohnt sich die Investition nicht, findet man in der Münchener Zentrale des Kommunikationskonzerns. Angesichts des drohenden Exodus’ ihrer Mitbürger überredet Lena (Thomass) ihre deutlich älteren Freundinnen dazu, für einen Tanzwettbewerb im Nachbardorf zu trainieren; das Preisgeld wäre gewissermaßen die Anschubfinanzierung für den über 200.000 Euro teuren Anschluss ans Glasfasernetz. Der Enthusiasmus der Damen ist allerdings weitaus größer als ihr Talent; da ist selbst der zufällig in die Handlung hineingeschneite Jorge González machtlos. Außerdem hat das Trio in der ebenso ehrgeizigen wie missgünstigen Gattin (Franziska Schlattner) des Bürgermeisters eine Mitbewerberin, die zu einem ganz miesen Trick greift, um ihnen die Lorbeeren für die Rettung des Dorfes im letzten Moment vor der Nase wegzuschnappen.

Eine ganz heiße Nummer 2.0Foto: ZDF / Marc Reimann
Noch stärker als im Überraschungskinohit „Eine ganz heiße Nummer“ konzentriert sich die Handlung in „Eine ganz heiße Nummer 2.0“ stärker auf die drei Hauptfiguren. Gisela Schneeberger, Rosalie Thomass und Bettina Mittendorfer sind zwar wie gewohnt große Klasse, dafür aber ist das Nebenpersonal nicht mehr so urig wie 2011.

Den kritischen Einwänden zum Trotz ist „Eine ganz heiße Nummer 2.0“ ausgesprochen amüsant, selbst wenn es natürlich etwas kurz gegriffen ist, das Thema Landflucht auf das Tempo des Internetanschlusses zu reduzieren. Ganz herausragend ist zum Beispiel die Musik, eine Art flotter Volksmusikpop (Martin Probst), dem der Film sein Tempo verdankt. Viel Freude bereiten auch Ideen wie jene, die sexuell frustrierte Lena nur mit einem BH bekleidet auf dem Trecker durchs Dorf brettern zu lassen. Ehemann Willi (Matthias Ransberger) vertreibt sich die Zeit seltsamerweise lieber mit Pornos (dafür scheint die Bandbreite zu reichen), weshalb sich Lena samt Ferkel Paul davon macht. Auch die beiden anderen Frauen haben ihre liebe Not mit den Männern: Freizeitfriseurin Waltraud (Schneeberger) ist mit einem Kerl (Felix von Manteuffel) geschlagen, der sein Auto mehr liebt als die Gattin, und arbeitet als Haushaltshilfe für einen Arzt (Günther Maria Halmer), den die drei bloß „Dr. Grabscher“ nennen, weil seine eindeutigen Avancen an sexuelle Belästigung grenzen. Maria (Mittendorfer) schließlich trauert ihrer Ehe mit dem schmucken Manni (Hardy Krüger jr.) hinterher, der sie wegen einer Jüngeren sitzengelassen hat.

Das einzige wirklich sympathische Mannsbild ist Busfahrer Loisi, der Maria in stiller Liebe ergeben ist und sich außerdem als begnadeter Tänzer entpuppt; Tristan Seith offenbart trotz seines beachtlichen Bauchumfangs eine bewundernswerte Körperbeherrschung. Die Dialoge sind zuweilen von erfrischender Bosheit, der herzhafte Humor ist über weite Strecken ähnlich deftig wie in den Eberhofer-Krimis; die Zielgruppen müssten eigentlich identisch sein. Filmisch bleibt Kaufmann dagegen deutlich unter seinen Möglichkeiten; viel zu selten sorgen ein Schnitt oder ein Schwenk für heitere Effekte. Der Regisseur hat diesmal nicht mit seinem gewohnten Kamera-Alter-Ego Klaus Eichhammer, sondern mit Fabian Rösler zusammengearbeitet, der die Bilder in ein schönes weiches Landlicht getaucht hat.

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Kinofilm

ZDF

Mit Gisela Schneeberger, Rosalie Thomass, Bettina Mittendorfer, Felix von Manteuffel, Franziska Schlattner, Matthias Ransberger, Tristan Seith, Jorge González, Günther Maria Halmer, Hardy Krüger jr.

Kamera: Fabian Rösler

Szenenbild: Petra Heim

Kostüm: Lucie Bates

Schnitt: Ueli Christen, Zaz Montana

Musik: Martin Probst

Soundtrack: Dicht & Ergreifend („Schofal Boogie“), Yma Somac („Gopher“), Harry Belafonte („Jump In The Line“), Patti LaBelle („Lady Marmelade“), LaBrassBanda („Danzn“)

Redaktion: Caroline von Senden

Produktionsfirma: Rat Pack Filmproduktion

Produktion: Christian Becker, Martin Richter

Drehbuch: Kathrin Richter, Jürgen Schlagenhof

Regie: Rainer Kaufmann

Quote: 3,67 Mio. Zuschauer (14,9% MA)

EA: 29.07.2021 20:15 Uhr

Spenden über:

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