Der Chef der Qualitätsprüfung einer Berliner Papierfabrik landet im Altpapier-Zerhäcksler. Wenige Tage zuvor wurde in der Villa des Geschäftsführers Hans Zoche eingebrochen und auch sein Büro wurde verwüstet. Die Firma steht keineswegs so gut da, wie sein Chef Glauben machen will. Also Rache eines Kunden oder eines Geschäftspartners? Als Zoche entführt wird, erhärtet sich zunächst diese Annahme. Doch als dessen Gattin 3,5 Millionen Euro vom Konto ihres Mannes abhebt und eine Übergabe abwickelt, bei der am Ende das Geld weg, Zoche aber nicht frei ist, schätzt Verena „den Fall“ plötzlich anders ein. Die Zoches wollen sich offenbar mit dem Geld ins Ausland absetzen. Otto kann und will das nicht glauben. Denn Susanne Zoche ist seine große Liebe gewesen. Vor über 20 Jahren. Wegen Befangenheit gibt er den Fall ab. Doch dann ist seine Suse eines Nachts wieder am Telefon…
„Was war Herr Kaupp denn für ein Mensch?“, fragt Otto den Vorarbeiter. „Ruhig, ein sehr stiller Mensch“, kommt es zurück. Währenddessen dröhnt und lärmt es in der Fabrik, dass die beiden kaum ihr eigenes Wort verstehen. Ein winziges Detail, an dem sich erkennen lässt, dass „Am Abgrund“ eine sehr sorgfältig inszenierte Episode vom „Starken Team“ ist. Auch die Geschichte besitzt mehr Tiefe und Emotion als üblich in dieser sich oft allzu flapsig gebenden Reihe. Das kommt vor allem Florian Martens zugute, der hier mehr sein darf als der kumpelige Bulle mit dem Käppi und der sprichwörtlichen Berliner Schnauze. Die Otto-Suse-Psychologie orientiert sich zwar mehr am seriellen Regelwerk und weniger am individuellen, realistischen Drama, dennoch atmet dieser Film reichlich deutsche Wirklichkeit. Zwischen Schuldenberatern und Insolvenzverwaltern, schönem Schein und finanziellem Desaster bewegt sich das Personal dieses wendungsreichen Whodunits. Der Pleitegeier schwebt über Berlin. Und die Geschäftswelt macht weiterhin auf dicke Hose. „Seit wann schlafen Sie im Büro?“, fragt Verena Zoches Kompagnon. Antwort: „In meiner Villa sind die Handwerker.“
Wer die Hochstapler-Tragikomödie „So glücklich war ich noch nie“ kennt, ahnt, weshalb den Autor und Grimme-Preisträger Alexander Adolph diese Geschichte für seine zweite Regie gereizt haben muss. „Am Abgrund“ – mit seinen starken Locations ein echter Berlin-Krimi – hat auch eine Verlierer-Figur, die lange wie der sichere Gewinner aussieht. Gesine Cukrowski spielt die ehemalige Berliner Göre, die sich hoch gemogelt und hoch geschlafen, sich dabei aber ein Stück weit ihre Naivität bewahrt hat. Sonst wäre die Schlusswendung nicht glaubhaft. Am Ende dann stehen Otto und Verena im Büdchen. Ein Bier, ein letztes Wort. Und langsam schwenkt die Kamera weg in die Berliner Nacht. Ein stimmungsvolles Schlussbild.