Als Kind war Charlotte (Julie Engelbrecht) öfter in der Provence, verlebte unbeschwerte Sommer bei ihrem Onkel. Dann riss der Kontakt ab, weil er sich mit Charlottes Mutter überworfen hatte. Nach seinem Tod besucht Charlotte, mittlerweile Anfang 30 und Unternehmensberaterin, zum ersten Mal seit damals wieder das kleine Château in der malerischen Landschaft. Der Onkel hat ihr die Hälfte seines Bestattungsinstituts vermacht, ein idyllisch zwischen Lavendelfeldern gelegener Natursteinbau. Die andere Hälfte erbt André (Bruno Bruni), sein bester Mitarbeiter und ein Bestatter aus Überzeugung. Laut Testament sind die beiden dazu verdammt, sich zu einigen. Doch das wird schwierig, denn André will mit seinen Mitstreitern Gilbert (Tony de Maeyer) und Emilie (Mathilde Irrmann), die alle einen ungewöhnlich offenen Umgang mit dem Tod pflegen, das Lebenswerk seines Ziehvaters unbedingt fortsetzen, während Charlotte das Institut so schnell wie möglich verkaufen und der Tourismusbranche zuführen möchte. Dabei ist die Deutsche auch bereit, unfaire Mittel einzusetzen. Doch André glaubt nach wie vor an das Gute in dieser jungen Frau, mit der er als Kind durch Felder und Wiesen tobte. Ein bisschen enttäuscht ist er allerdings schon, dass sich der blonde Wildfang von einst offenbar gar nicht mehr an ihn erinnern kann.
Foto: ZDF / Christiane Pausch
Die Sinnlichkeit der Landschaft, die betörende Wirkung der Lavendelfelder, das warme Licht des Südens, der verheißungsvolle Wind, der von Anfang an die Bäume biegt und später die Aufgabe haben wird die Asche des Onkels über sein geliebtes Land zu verstreuen, das alles ist in der Arbeitsfassung, die das ZDF Journalisten zur Verfügung gestellt hat, wenn auch nicht spürbar, so doch zu erahnen. Schneller deutlich wird allerdings, dass von Seiten der Charaktere in „Ein Sommer in Südfrankreich“ nicht mehr als herkömmliches „Herzkino“ zu erwarten ist. Der Plot ist grob gerastert, der Konflikt Dramaturgie von der Stange und der Weg zum Happy End folgt den ausgetretenen Pfaden, auf die sich offenbar – zumindest im ZDF – eine Romanze begeben muss. Die Dramaturgie mit der weiblichen Intrige, der selbstredend die Scham auf dem Fuß folgt, ist simpel – und richtig ärgerlich deshalb, weil es die beste ZDF-Sonntagsreihe, „Ein Sommer in…“, schon so häufig anders und richtig gut gemacht hat. Hauptmanko sind die Charaktere, denen es völlig an Eigen-Sinn fehlt, mit dem sie den alles abtötenden 08/15-Erzählmustern etwas entgegensetzen könnten. Der Franzose hat da ein bisschen mehr zu bieten. „Ich glaube einfach, dass es ganz wichtig ist, dass man sich immer wieder bewusst macht, dass wir irgendwann sterben werden – sonst wird man Teil der Mühle und lebt sein Leben nicht mehr und schaut ihm nur noch beim Vergehen zu“, sagt jener André in der „Wiedererkennungsszene“ nach 45 Minuten. Schön gesagt. Ein guter Gedanke, auf dem man eine jener Selbstfindungsstorys durchaus aufbauen kann. Aber er bleibt nur ein Statement wie das Meiste zur französischen Lebensart in diesem Film. Eine bloße Behauptung. Was „Ein Sommer in Südfrankreich“ fehlt, ist die Stimme der Erfahrung. Es fehlen die Charaktere wie sie beispielsweise von Ulrike Kriener, Sabine Postel oder Rüdiger Vogler in anderen Filmen der Reihe verkörpert wurden, Figuren, denen man ihre gelebte Überzeugung abnimmt. Hier ist ein Freak, der anfangs nur die Funktion hat, gegen die Deutsche zu sticheln, hier ist eine junge Frau, die dem Tod geweiht ist, was ihren Lebensstil stark beeinflusst (aber erst spät im Film angesprochen wird) und da ist die männliche Hauptfigur, lieb und nett, völlig kanten- und konturlos, auch deshalb, weil dieser französische Bestatter in die Deutsche oder zumindest in das Bild, das er von ihr hat, verliebt ist.
Foto: ZDF / Christiane Pausch
Soundtrack: Eileen („Ces bottes sont fait pour marcher“), Rita Mitsouko („Marcia Baila“), Zaz („Si jamais j’oublie“), Claude Bolling („Fatty Fats“), Vanessa Paradis & Benjamin Biolay („Les roses roses“), Berry („Si souvent“)
Auch die Besetzung passt ins Bild. Kein einziger Hochkaräter. Bruno Bruni wirkt ganz sympathisch und knuffig, aber ihm fehlt die Ausstrahlung, die beispielsweise in dem anderen Frankreich-Film der Reihe, „Ein Sommer im Elsass“, Jean-Yves Berteloot mitbrachte. Julie Engelbrecht, in Paris geboren, trifft das hierzulande gängige Schönheitsideal und mag gut zum französischen Flair passen, und sie ist eine Darstellerin, von der sich vielleicht das Marketing etwas verspricht, schauspielerisch aber eher ein Leichtgewicht; es fehlt ihr einfach an der regelmäßigen Erfahrung mit dem „ernsthaften“ Drama. Kein Vergleich mit anderen „Ein Sommer in“-Hauptdarstellerinnen in den Dreißigern (während der Dreharbeiten) wie Christina Hecke, Henriette Richter-Röhl, Chiara Schoras, Teresa Weißbach, Petra Schmidt-Schaller oder Sinja Dieks. Ein Beziehungsmelodram steht oder fällt mit dem mehr oder weniger romantischen Paar. Bei „Ein Sommer in Südfrankreich“ fällt der Film mit dem Paar. Denn alles das, was diesen Film hätte besser machen können, ist mit dieser Besetzung, aber auch mit dieser Figurenkonstellation schwer denkbar: mehr Lebensphilosophie, die Vertiefung des Gedankens, dass das Bewusstsein vom Tod das Leben verändert, mehr Kontemplation, mehr individueller Freiheitsgedanke, eine größere und vor allem spürbarere Lust am französischen Müßiggang – das alles hätte dem Film in seiner Wirkung nur gut tun können. Stattdessen dominiert erzählerische Konvention. Dass diesem Film – zumindest in der Rohfassung – über das bloße Abbild von Landschaft, Architektur & nationaler Mentalität hinaus filmästhetisch die französische Leichtigkeit des Seins weitgehend abgeht, sollte man nicht aufs Herzkino“-Label schieben. Eine etwas luftigere Erzählweise und offenere Dramaturgie, die einen Film über das „savoir vivre“ stimmiger und stimmungsvoller macht, kann auch einem Unterhaltungsfilm nicht schaden, wie Ende September in der ARD „Eine Sommerliebe zu dritt“ zeigt(e).