Ein Sommer in Salamanca

Hoecke, Aulitzky, Corral, Cortez, Fraunholz, Keusch. Zwei auf ungleichem Weg

Foto: ZDF / Manju Sawhney
Foto Rainer Tittelbach

„Ein Sommer in Salamanca“ (Moviepool) hält dem grassierenden Helfersyndrom hiesiger „Herzkino“- und Freitagsfilm-Reihen ein Stück weit den Spiegel vor. In der Geschichte der 29. Episode der nicht nur konzeptionell besten ZDF-Sonntagsreihe „Ein Sommer…“ geht es um die Beziehung zweier sehr unterschiedlicher Schwester, die ihr Leben und ihre Beziehung zueinander während eines Volunteering-Urlaubs am Jakobsweg neu ausrichten. Die Männer bleiben da eher die schönste Nebensache der Welt. Der angenehm handlungsarme Film verzichtet auf dramatisch hochgespielte Konflikte und ist beiläufig und urlaubsmäßig entspannt erzählt. Patricia Aulitzky als die unkonventionelle, ältere Schwester ist eine sichere Bank, und die Besetzung mit Susan Hoecke als die etwas oberflächliche Problemlöserin mit Hang zum Äußerlichen erweist sich im Film als sehr viel besser als auf dem Papier, auch, weil sich die Story ihr Image als Tussi-Darstellerin mit attraktivem Äußeren zu Nutze macht.

Die Schwestern Rike (Susan Hoecke) und Nicola (Patricia Aulitzky) pflegen eine schöne Tradition: Ein Mal im Jahr machen sie gemeinsam Urlaub. Abwechselnd bestimmt eine der beiden, wohin die Reise geht. Diesmal ist Nicola an der Reihe, die ältere und unkonventionellere der ungleichen Schwestern. Sie hat sich etwas Besonderes ausgedacht: einen Volunteering-Urlaub am Jakobsweg, nahe der ehemaligen Kulturhauptstadt Salamanca. Eigentlich käme für Logistik-Expertin Nicola, die auf Wellness-Urlaube und Shopping steht statt auf soziales Engagement und Selbstfindung, ein solcher Urlaub nicht in Frage, wäre da nicht die handfeste Ehekrise der Schwester. Und so heißt es die nächsten Tage für die beiden den Weg zu einer Quelle freilegen – und damit einen Beitrag leisten zum plastikfreien Pilgern. Unterstützt werden soll mit dieser Aktion Felipe (Adolfo Assor), ein Herbergsvater ohne Gäste. Wegen gesundheitlicher Probleme spannt dieser zunehmend seine Söhne, den Sprachlehrer Carlos (Fernando Corral) und den Luftikus Pablo (Manuel Cortez), für das Projekt ein. Dass die zwei mehr ein Auge auf die Schwestern als auf Witwe Helga (Dagmar Sachse), Pilgerin Marion (Katharina Zapatka) und den larmoyanten Paul (Mirza Sakic) geworfen haben, ist unverkennbar. Und offenbar sucht auch Nicola etwas Abwechslung vom untreuen Ehemann. Für die jüngere Schwester ist das ein Unding – hat sie sich doch in den Kopf gesetzt, Nicolas Ehe zu retten. Damit aber berührt Rike ein altes Thema, das nun in der spanischen Naturidylle mit Selbstverpflegung auf den Tisch kommt. Sind sich die beiden Schwestern emotional vielleicht gar nicht so nah, wie ihr Reiseritual vermuten lässt?

Ein Sommer in SalamancaFoto: ZDF / Manju Sawhney
So langsam gewöhnt sich selbst Rike (Susan Hoecke) an die Selbstverpflegung und die Arbeit im Urlaub. Dass sie und Nicola (Patricia Aulitzky), die das Ganze geplant hat, an diesem Ort schon einmal als kleine Kinder ihre Ferien verbracht haben, das ist für beide bewegend. Es war offenbar der letzte Urlaub vor der Krankheit der Mutter.

„Ein Sommer in Salamanca“ hält dem grassierenden Helfersyndrom hiesiger „Herzkino“- und Freitagsfilm-Reihen ein Stück weit den Spiegel vor, indem Autorin Beate Fraunholz („Bella Casa – Hier zieht keiner aus“) den Konflikt der beiden Hauptfiguren im Motiv des ewigen dem anderen helfen wollen („Ich bin immer für dich da“) verankert. In der Geschichte der 29. Episode der nicht nur konzeptionell besten ZDF-Sonntagsreihe „Ein Sommer…“ geht es der zwei-Schwestern-zwei-Brüder-Konstellation zum Trotz in erster Linie um die Beziehung der beiden unterschiedlichen Frauen. Erst nach und nach rücken die Figuren mit ihren Problemen heraus. Die jüngere Schwester rutschte als Kind in die Mutterrolle und scheint sie in Bezug auf ihre ältere Schwester noch immer nicht aufgegeben zu haben, was diese maßlos nervt und was der Helfenden offensichtlich das eigene Glück erschwert. Dass die Probleme erst im Schlussdrittel mit den entsprechenden Untertönen („Bei dir geht’s immer nur ums Äußere“) ausgesprochen werden, das passt dramaturgisch gut zu diesem angenehm handlungsarmen Film, der auf künstlich hochgespielte Dramatik verzichtet und der durchgängig urlaubsmäßig entspannt erzählt ist. Zugleich wirkt diese figurenorientierte, alltagsnahe Dramaturgie realistisch, denn auch im wahren Leben braucht es ja bekanntlich Zeit, bis man sich an tiefsitzende Verhaltens- und Beziehungsmuster heranwagt – und die Harmonie aufgibt.

Und so wird zunächst vor allem gearbeitet und ein bisschen geflirtet, sodass sich wohl jeder Romanzen-Liebhaber die Frage stellen dürfte: wer kriegt hier am Ende wen? Eine Frage, die sich allerdings schlussendlich als eher nebensächlich erweist. Umgesetzt ist das passend zum Ambiente weniger in glatten Hochglanzbildern als vielmehr unter einer südländischen Sonne in Szene gesetzt, die deutlich vom Himmel brennt; da kann es auch schon mal ein bisschen stauben. Hat man aber erst mal ein schattiges Plätzchen gefunden, ist diese spanische Herberge ein telegener Sehnsuchtsort, zumindest für all jene, die mit Landlust und Naturliebe etwas anzufangen wissen, und denen das Herz aufgeht bei einer munteren Mittagstafel oder einem gemeinschaftlichen Picknick im Grünen. Mag das Volunteering-Motiv auf den ersten Blick auch nur den Rahmen für die Geschichte abgeben, so ist es doch doppelt gut gewählt: diese freiwillige Arbeit im Urlaub für einen guten Zweck ist einerseits ein guter Katalysator für die Probleme der Schwestern, andererseits ist dieses Zeitphänomen als narrative Grundlage für eine Beziehungsgeschichte sehr viel interessanter als die albernen Vorwände oder Backstorys anderer ZDF-Sonntagsfilme. Ähnlich klug ist der Umgang mit den Nebenfiguren: Es wird ihnen nur so viel Raum zugestanden, wie für die Glaubwürdigkeit des Volunteering-Projektes notwendig ist; entsprechend aufgesetzt wirken dafür zwar deren privaten Geschichten, was aber allemal besser ist, als ihre Probleme zu vertiefen – geht es doch in der Hauptsache darum, dass die Schwester ihren Weg finden. So nah am Jakobsweg sollte das alles andere als ein Problem sein. Da werden dann folgerichtig selbst die Männer zur Nebensache.

Ein Sommer in SalamancaFoto: ZDF / Manju Sawhney
Zwei auf gleichem Weg? Die notorische Helferin findet wohl doch noch den richtigen Abzweig für die nächste Lebensphase. Die „Wandlung“ tut auch der Schauspielerin Susan Hoecke sichtlich gut. Ob Mann, ob Frau, wer möchte da nicht mitwandern.

Was vor allem an „Ein Sommer in Salamanca“ gefällt, ist die sympathische Beiläufigkeit, mit der die kleinen emotionalen Krisen und Selbstfindungsprozesse ins Spiel kommen. Das ist im Drehbuch deutlich angelegt, setzt sich aber gleichermaßen fort bei der Regie des „Ein Sommer in“-erfahrenen Michael Keusch („Die Samenhändlerin“), der ja – insbesondere in seiner RTL-Movie-Zeit – für eine auch explizitere Form von Sinnlichkeit bekannt ist, bei der Bildgestaltung von Peter Joachim Krause („Sanft schläft der Tod“) und bei Christine Aufderhaars einfallsreichem, folkloristisch angehauchtem Score, der nach drei Pop-Rock-Soul-Klassikern den musikalischen guten Ton angibt mit einer klaren Instrumentierung statt des üblichen Pilcher-Lindströms-Soundbreis. Und auch die Schauspieler verstehen sich aufs Beiläufige. Patricia Aulitzky tat gut daran, aus der Heimatfilm-Reihe „Lena Lorenz“ auszusteigen; denn sie hat mehr drauf, was sie in „Mörderisches Tal – Pregau“, im ORF-Landkrimi „Drachenjungfrau“ oder in dem Melodram-Vierteiler „Gestüt Hochstetten“ nachdrücklich bewiesen hat. Auch in diesem Jubiläumsfilm der „Ein Sommer…“-Reihe hat sie die schauspielerisch markantesten Momente. Sie ist die Person, die die Vergangenheit ans Licht bringt, die Tacheles redet, die die kaputte Seele der Mutter zum Thema macht und die die Heilung der Schwestern-Beziehung im Blick hat. Dagegen ist Susan Hoecke eine weniger sichere Bank: „Sekretärinnen – Überleben von 9 bis 5“, „Triple Ex“ oder diverse TV-Movies der Privaten sind nicht die beste Referenz. Doch sie hat den aus solchen Rollen resultierenden Hang zum Overacting weitgehend abgelegt. Ihre Rike ist zunächst die oberflächliche junge Frau, die immer nur den Schein wahren will, legt dann allerdings unter dem Druck der Schwester eine gewisse Nachdenklichkeit an den Tag. Insofern spielt die Besetzung ein Stück weit auch mit Hoeckes Image als Tussi-Darstellerin mit attraktivem Äußeren. Und so ist vielleicht nicht nur ihre Rike an einer Weggabelung angekommen. (Text-Stand: 27.1.2019)

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Reihe

ZDF

Mit Susan Hoecke, Patricia Aulitzky, Fernando Corral, Manuel Cortez, Adolfo Assor, Dagmar Sachse, Katharina Zapatka, Mirza Sakic

Kamera: Peter Joachim Krause

Szenenbild: Thomas Franz

Kostüm: Maria Schicker

Schnitt: Corinna Dietz-Heyne

Musik: Christine Aufderhaar

Soundtrack: Carole King („I Feel The Earth Move“), Canned Heat („Going Up The Country“), Earth Wind & Fire („September“), Feist („1234“), Ituana („You Can’t Always Get What You Want“)

Redaktion: Rita Nasser

Produktionsfirma: Moviepool

Produktion: Bernadette Schugg

Drehbuch: Beate Fraunholz

Regie: Michael Keusch

Quote: 4,69 Mio. Zuschauer (13% MA); Wh. (2022): 3,23 Mio. (12,8% MA)

EA: 27.01.2019 20:15 Uhr | ZDF

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