Katrin Gutmann (Katja Weitzenböck) ist zum ersten Mal in Prag – die Psychologin hat jedoch das Gefühl, mit dieser Stadt schicksalhaft verbunden zu sein. Vor 30 Jahren war sie mit einem Tschechen liiert, doch der verschwand ebenso plötzlich wie er zuvor in ihr Leben getreten war, hinterließ ihr allerdings eine Tochter. Jene Jana (Laura Preiss) erfuhr erst vor Kurzem, dass der Mann, den ihre Mutter ihr als Vater präsentierte, nicht ihr leiblicher Vater ist. Wie jener Richard (Tomás Hanák) damals nichts von seinem Kind wusste, so weiß Katrin heute noch immer nicht, weshalb er damals nicht mehr zu ihr nach München zurückgekehrt ist. Hat es zwischen Richard, der Anfang der 1980er Jahre aus der Tschechoslowakei in den Westen flüchtete, und seiner Ex-Frau beim Wiedersehen in Paris vielleicht wieder gefunkt? Kein Brief, kein Telefonat, keine Erklärung. Dass das Ganze mit einem schicksalhaften Flug und dem Kalten Krieg zu tun hatte, wird sie erst jetzt erfahren. Lange hat Katrin das Thema Richard verdrängt. Jetzt will sie Klarheit, auch und besonders ihrer Tochter wegen. Zunächst einmal ist sie aber nach Prag gekommen, um eine von ihr entwickelte „Sorry“-App bei einer Tagung ihres langjährigen Freundes Jannick (Peter Benedict) vorzustellen. Die wird der Psychologin bald auch privat hilfreiche Dienste leisten. Denn nicht nur die alte Liebe wohnt immer noch in Prag, auch ihre Tochter Jana ist in der Stadt, um ihren Vater kennenzulernen.
Prag ist zwar eine Millionenstadt, das „Herzkino“ aber macht aus der legendären „Goldenen Stadt“ einen sehr überschaubaren romantischen Mikrokosmos: „Ein Sommer in Prag“ erzählt eine entsprechend märchenhafte Geschichte von Liebe und Schicksal, von Familienbande und dem Zulassen von Gefühlen. Jindrich Mann, der Enkel von Heinrich Mann, und dessen Tochter Lucia Mann haben ein passend zum Stadtbild angenehm altmodisch anmutendes Scenario entworfen. Inhaltlich und dramaturgisch gibt es wenig Überraschungen: Die Konflikte sind überschaubar, die Lösungsmöglichkeiten absehbar, zumal der Zuschauer einen Wissensvorsprung besitzt gegenüber der Hauptfigur. So muss es der Psychologin letztlich nur noch gelingen, endlich über ihren Schatten zu springen – und zu verzeihen, wie sie das für alle Welt (nur offenbar nicht für sich selbst) mit ihrer App vorgesehen hat. Während der Zufall als narratives Prinzip fast immer ein Qualitätskiller ist, besitzt er bei dieser Art von Dramaturgie eine wichtige Funktion: Der Zufall betont das spielerische Moment, das solche Geschichten benötigen, um nicht in den ernsthaft banalen Niederungen des Trivialen zu landen. Bereits in der Exposition am Prager Bahnhof wird dieses Prinzip geradezu choreographisch ins Bild gerückt: ein zerstreuter Professor, der bei der Tagung wieder auftauchen wird, ein junger Mann, den die Heldin auf der Reise kennengelernt hat, und – wie sich später herausstellen wird – die mit ihrer Mutter verkrachte Jana, die sich als Straßentänzerin in Prag ihr Geld verdient, verbindet die Kamera in einer 50 Sekunden langen schicksalsträchtigen Einstellung nicht ohne Grund. Auch wenn die Reisebekanntschaft wenig später mit Katrin zu flirten versucht, so dürfte die Tochter eher der passende Deckel zu diesem männlichen Topf sein… Dieses spielerische Moment zieht sich durch den ganzen Film – und es konterkariert am Ende – einem Hündchen, dem zerstreuten Professor, einem Beatles-Song und der sommerlichen Stimmung sei Dank – die (nicht zu) rührseligen Momente des Wiedersehens.
„Ein Sommer in Prag“ ist absolutes Zielgruppenfernsehen. Während viele jüngere Zuschauer diese Art von Wohlfühlfilm mit Gratifikationsdramaturgie (man wird belohnt mit dem befriedigenden Gefühl, dass alles so kommt, wie man es bereits früh geahnt hat) allenfalls in amerikanischem Gewand erträglich finden und Melodram-Hasser bei solchen Geschichten sowieso von vornherein Rot sehen, dürften Zuschauer, die beim Fernsehen Entspannung, Harmonie und eine Ordnung der Welt suchen, die sie in „Tagesschau“ und „Tatort“ nicht finden, voll auf ihre Kosten kommen. Beim ZDF nennt man das gerne eine „romantische Vereinbarung treffen mit dem Zuschauer“. Diese Vereinbarung mag vom Liebhaber solcher Filme vermutlich auch als erfüllt betrachtet werden, wenn die ZDF-Filme am Sonntag ohne jene für diesen Film konstatierte spielerische Leichtigkeit auskommen, wenn sie nicht so schön luftig sind wie die „Ein Sommer…“-Reihe insgesamt, wenn das Happy End nicht so locker (und weitgehend offen) ausfällt wie in diesem Prag-Melodram oder wenn die nicht deutschen Figuren wie hier mit authentischen, glaubhaften Gesichtern besetzt sind. Für den Kritiker machen diese kleinen ästhetischen Reize aber den gewissen Unterschied. „Ein Sommer in Prag“ besitzt insgesamt eine beschauliche Distanz, die weitgehend der Mentalität der Hauptfigur entspricht. Die Stadt selbst wird selbstredend nur von ihrer besten Seite gezeigt, die Bilder ähneln modernen(!) Postkartenansichten, doch durch die flotte Aneinanderreihung entsteht ein anderer Eindruck als in Sommer-Sonne-Meer-Landschaften, in denen das „Naturschöne“ nicht selten zum Kitsch-Tableau oder Klischee-Bild erstarrt.
Wer schon mal in Prag war, wird sich zu Hause fühlen in diesem Film. Neben der souveränen Kameraarbeit und dem Kostümbild, klar, stylish, luftig, individuell, in dem sich stimmig die Wesensart der Heldin spiegelt, fällt besonders das liebevoll ausgestattete Szenenbild ins Auge (so der museal anmutende Dachboden des Hotels, auf dem die Heldin eine Nacht lang eingeschlossen wird), das den historischen Charakter der Stadt betont. Aber auch die beiläufig eingefangenen Top-Locations wie Wenzelsplatz, Karlsbrücke oder die John-Lennon-Mauer (passend zur romantischen Note gibt es zwei McCartney-Beatles-Songs im Film) runden den guten visuellen Gesamteindruck ab. Ob der Film eine Geschichte erzählt oder lediglich emotionale Patterns geschickt kombiniert, dürfte im Auge des Betrachters liegen. Sehr viel offensichtlicher in ihrer Funktion sind dagegen die etwas ungelenken „Weißt-du-noch-damals“-Dialoge und einige andere vermeintlich originelle Erklärsituationen, in denen dem Zuschauer die Vorgeschichte nähergebracht wird. Und auch im Schlussbild, so angenehm unprätentiös das Happy End auch ausfällt, sieht es weniger so aus, als ob hier eine Geschichte zu ihrem (vorläufigen) Ende kommt und als ob einige Menschen wichtige Schritte in Richtung Glückssuche gemacht haben, sondern man hat eher den Eindruck, dass das Wohlempfinden des Zuschauers über der Erzählung steht. Alles wird gut. Die Betonung liegt auf „gut“. Gut wie Gutmann. Und da haben wir sie wieder: diese Mannsche (?) spielerische Qualität.