Es war nicht leicht, vor fünf Jahren, für Nina Petersen (Mira Bartuschek): Die Historikerin, die damals in Oxford promovierte, hatte sich unsterblich in ihren Doktorvater Thomas Rothwell (Dominic Raacke) verliebt. Der erwiderte zwar ihre Gefühle, aber von seiner Frau Eleanor (Nora Jensen), ebenfalls in leitender Position an der englischen Elite-Uni, wollte er sich damals nicht trennen. Seither hatten die beiden keinen Kontakt mehr. Jetzt allerdings kehrt Nina, die in Marburg lehrt, an ihren alten Studienort zurück. Thomas hat sie eingeladen für eine Sommer-Vortragsreihe, es geht um Fluchttraumata und Trauma-Weitergabe, das Spezialgebiet der jungen Wissenschaftlerin, die Thomas vor Jahren bei der Veröffentlichung historischer Liebesbriefe geholfen hat. Dabei entbrannte die Liebe zwischen den beiden. Auch in diesem Sommer spielen diese sogenannten Lord-Addington-Briefe wieder eine amouröse Rolle. Denn der Klempner, Daniel Miller (Michael Raphael Klein), der ihr kurz nach der Ankunft bei ihrer Pensionswirtin Molly (Barbara Spitz) über den Weg läuft, steht in einer engen familiären Beziehung zu Hedy Klinger, jener deutsch-jüdischen jungen Frau, die in den Kriegsjahren auf der Flucht vor den Nazis nach England kam und dort als Hausmädchen arbeitete. Ninas Seminar besucht Daniel also vor allem deshalb, um mehr über die weißen Flecken seiner Familiengeschichte zu erfahren. Natürlich hegt er auch gewisse Sympathien für die auf den ersten Blick so unkompliziert wirkende Historikerin. Als die beiden den greisen Lord (Terrence Hardiman) besuchen, um mehr über die Liebe zwischen ihm und Hedy Klinger zu erfahren, kommen sie sich näher, als es ihrem Doktorvater lieb sein kann.
Wann bleibt die Geschichte eines Films interessant, auch wenn sie in ein unzeitgemäßes, dramaturgisches Korsett eingezwängt ist? Oder wann obsiegt die Genre-Konvention über das in den Plot eingearbeitete Thema und hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl beim Zuschauer? Diese Fragen stellen sich des Öfteren für die Filme des ZDF-„Herzkinos“, so auch für „Ein Sommer in Oxford“. Das Thema Traumata-Weitergabe ist zunächst einmal ein großer Pluspunkt, denn es gibt mehr her als andere der so beliebten Familiengeheimnisse und „Schatten der Vergangenheit“, die die romantische Gegenwart immer wieder schicksalhaft tangieren. Und es ist das gemeinsame Thema, durch das das Paar zusammengeführt wird, also ein erwachsenes erotisches Anbahnungsprogramm, nicht die Liebe auf den ersten oder – in der TV-Romanze am Sonntag immer häufiger – auf den zweiten Blick. Die Heldin ist eine verkopfte, etwas zwanghafte Person, die vornehmlich für ihre Wissenschaft lebt, und der sympathische Klempner ist alles andere als ein Draufgänger; stattdessen treibt ihn das Trauma seiner Sippe um, was ihn immer wieder übersensibel reagieren lässt. „Psychologisch“ erscheint das Verhalten des füreinander bestimmten Paares (Paare mit einem Altersunterschied von über 20 Jahren gehören nicht ins „Herzkino“) also durchaus stimmig, gleicht man den Plot aber ab mit der Dramaturgie-Schablone, die offenbar noch immer über fast jedem ZDF-Sonntagsfilm liegen muss, bekommt man ob dieser ständigen Gleichförmigkeit selbst als ein dem leichten Genre zugeneigter Kritiker das große Gähnen. Alles kommt, wie es kommen muss, nach gut 60 Minuten liegen die zwei miteinander im Bett, siezen sich zwar noch und schlafen auch nicht miteinander, sind sich aber näher denn je, bevor das retardierende Moment – wie auf Knopfdruck – die beidseitig ernsthafte Romanze zwanghaft vorübergehend beendet.
Diese Geschichte dieser 28. Episode der „Ein Sommer“-Reihe hätte durchaus auch als Stoff für „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“ getaugt. Die Hauptfigur ist eine Frau, die ihre tiefe Sehnsucht nach Romantik mit Hilfe ihrer Arbeit zu verdrängen scheint, aber in Wahrheit, so schnell wie möglich in einen sicheren (Beziehungs-)Hafen einlaufen möchte. Die patente Wissenschaftlerin ist nur eine Fassade. Auch fehlt diesem Film aus England die Sinnlichkeit, die in südlichen „Ein Sommer“-Gefilden, aber auch den Filmen auf Island, in Dänemark, in Prag, Paris, im Elsass oder den Masuren zu spüren war. Die konservativen Stoffe sollte man doch besser Pilcher überlassen. Es geht schon nicht gut los. Die Exposition ist hölzern, weil Nina und der deutsche Oxforder Professor beim Wiedersehen peinlich berührt sind, sie fühlt sich überrumpelt, er ist nicht minder verunsichert, und die Geschichte oder die Optik des Films bieten einem nichts weiter an als dieses etwas verlegen wirkende Ex-Paar. Solche Fremdschäm-Szenen mit Sätzen („Wie lang ist das jetzt her?“), deren Antworten allein an die Adresse der Zuschauer gehen, sind nicht leicht zu ertragen. Auch das Geplänkel mit der Wirtin und die Szene, die aus den späten 1950er Jahren stammen könnte, in der sich die Heldin noch ausreichend bekleidet ihre vermeintliche Blöße Doris-Day-like mit einem Vorhang bedeckt, trägt zwar zur Charakterisierung dieser Frau bei, sie ist nett und pflichtbewusst, ziemlich verklemmt und prüde, das aber macht die Szene nicht unbedingt besser. Und das Happy End, das in dieser Reihe häufig offener und flexibler gehandhabt wird, wirkt altbacken. Man gönnt es allerdings den beiden von Herzen! Denn trotz der (dramaturgischen) Schwächen – die Chemie zwischen dem romantischen Paar, ein Grundpfeiler jedes „Herzkino“-Movies, diese Chemie stimmt. Hat man Mira Bartuschek auch schon häufig in ähnlichen Rollen, mit ganz ähnlicher Mimik und Körpersprache gesehen, so verkörpert sie doch ihre Figur – zumindest psychologisch – sehr treffend (ob man ihr allerdings die engagierte Historikerin glauben kann?). Die Entdeckung von „Ein Sommer in Oxford“ aber ist Michael Raphael Klein. Der Mann hat (die passende) Größe und Charisma – und braucht manchmal nur sein charmantes Lächeln aufzusetzen, um seinem Daniel Präsenz zu verleihen. Dass seine Figur zunächst die Lockerheit besitzt, die alle anderen vermissen lassen, spielt Klein natürlich in die Karten.