Ein Sommer in Istrien

Sophie Pfennigstorf, Korneev, Urban/Mann, Rudzik. Ein Film wie ein Urlaubsflirt

Foto: ZDF / Arvid Uhlig
Foto Rainer Tittelbach

Die Macher von „Ein Sommer in Istrien“ (ZDF / Moviepool) besinnen sich auf die Tugenden der vor zwölf Jahren gestarteten Reihe: alltägliche, filmisch frisch und sinnlich erzählte Begegnungen in malerischen Landschaften und pittoresken Locations, ohne kitschiges Happy End. Die Reihe steht und fällt wie andere Unterhaltungsformate mit den Charakteren und mehr noch mit den Darstellern: Sympathisch und „natürlich“ sein auf den ersten Blick ist für die „Ein Sommer“-Filme wichtiger als narrativ-triviales Beiwerk. Eine Talentscoutin als Heldin, das ist Botschaft genug. Besetzungstechnisch der größte Coup ist im 38. Film der Reihe die Wahl der Hauptdarstellerin: Sophie Pfennigstorf schenkt dem Film ein Gesicht (und viele Gesichtsausdrücke), das man nicht so schnell vergisst. Es zeigt sich, dass auch das „Herzkino“ profitiert, wenn die Held(inn)en nicht nur gut aussehen, sondern auch überdurchschnittliches schauspielerisches Talent mitbringen (dito Korneev). Auch die „schönen“ Bilder sind in „Ein Sommer in Istrien“ anders schön: Die Natur steht in Beziehung zu den Menschen; die Landschaft ist ein ikonografischer Mehrwert, klug cadriert, aber beiläufig eingefangen.

Fußball ist ihr Leben. Talentscoutin Anne (Sophie Pfennigstorf) kann selbst bei der Hochzeit ihrer besten Freundin Laura (Katrin Jaehne) ihre große Leidenschaft nicht vergessen. Und dies trotz der traumhaften Umgebung: Das Paar lebt zwar (noch) in Deutschland, geheiratet aber wird in Istrien, in einem Örtchen, nahe der kroatischen Riviera. Als Trauzeugin soll sie Zoran (Tim Borys), den jüngeren Bruder des Bräutigams (Toni Gojanovic), davon abhalten, alberne Gesellschaftsspiele oder peinliche Reden vorzubereiten. Nicht nur das gelingt ihr. Sofort hat sie auch einen nahegelegenen Fußballplatz ausgespäht, auf dem der knarzige Franjo (Leonard Lansink) ein paar Jungs trainiert. Hier sticht ihr der zwölfjährige Matija (Xaver Pucci) ins Auge; der Junge hat großes Talent und wäre zudem ideal für sie, um zur Spieler-Beraterin aufzusteigen. Doch erst einmal ist Hochzeit angesagt. Nach den ersten kleinen Pannen muss Anne nun gemeinsam mit Zoran, mit dem es nicht allein beim Flirten bleibt, selbst Hand anlegen. Und dann läuft ihr völlig überraschend Darijo (Vladimir Korneev), ihre erste große Liebe und ihre noch größere erste Enttäuschung über den Weg. Zunächst würdigt er sie keines Blickes. Er war schon immer der große Schweiger. Aber dann redet er doch.

Ein Sommer in IstrienFoto: ZDF / Pierre Guibert
Bei Filmen von „Natürlichkeit“ zu sprechen ist so eine Sache – aber die Momente zwischen den Freundinnen, mal ernsthaft („Er war nicht der Richtige für dich“), mal vertrautes Herumgealbere, besitzen große Alltagsnähe. Sophie Pfennigstorf & Katrin Jaehne

Eine Frau, zwei Männer und der Fußball. Die Ingredienzien und Konflikte von „Ein Sommer in Istrien“, die 38. Episode der ZDF-„Ein Sommer“-Reihe, sind übersichtlich. Einmal mehr wird vom Mythos The first cut ist he deepest erzählt. Auch Eifersucht wird eine Rolle spielen, erfreulicherweise aber nur eine kleine. Die Geschichten für Liebesfilme sind begrenzt. Während „Herzkino“-Formate wie „Inga Lindström“ oder „Rosamunde Pilcher“ das häufig mit schwergewichtigem narrativem Beiwerk auszugleichen versuchen, zeichnet sich die „Ein Sommer“-Reihe durch eine größere Alltagsnähe der Beziehungen aus. Außerdem ist das dramaturgische Korsett nicht so eng geschnürt; da muss nicht zwangsweise der jungen immer auch eine reifere Liebe zur Seite gestellt werden. In der neuen Episode wird zwar ein 15 Jahre altes Missverständnis aufgeklärt, was die sonst so unbeschwert wirkende Heldin nachdenklich werden lässt; aber es sind nicht die klischeebeladenen, schweren Schatten der Vergangenheit wie in den mitunter melodramatisch angehauchten Konkurrenz-Reihen, die das südländisch klare Licht verdunkeln würden. Und überhaupt: So sehr die Plot-Konstruktion auch auf Zufällen aufgebaut ist, nimmt man doch den Charakteren ihre Geschichten ab. Und mehr noch: Man scheint sich als dem Genre zugeneigter Zuschauer anzufreunden mit Anne & Co.

Solche 90minütigen zwischenfilmischen Begegnungen stehen und fallen mehr noch als in anspruchsvollen Dramen oder Arthaus-Krimis mit den Charakteren – und mehr noch mit den Darstellern. Denen muss es gelingen, eine gewisse Sympathie auf den ersten Blick bei den Zuschauer(inne)n zu erzeugen. Während Tim Borys‘ Lückenbüßer-Figur deutlich erst in der „Beziehung“ zur Hauptfigur an Attraktivität gewinnt, ist es bei Vladimir Korneev gerade die unzugängliche Art seiner Figur, die ihn über sein markantes Äußeres hinaus interessant macht. Beide Männer waren beste Freunde, jetzt sind sie sich immer noch nah, so gut das eben geht mit einem wie Darijo, der von schweren Schicksalsschlägen geplagt wurde. Die zweifache „Liebe“ zu Anne führt dann auch nicht zum Zerwürfnis der beiden Männer. Wenigstens einer der Rivalen kann noch vernünftig denken. Auch dieser alltagsnahe Konflikt wird also auf die ebenso alltagnahe „Ein Sommer in“-Weise gelöst (ist ja auch noch nicht viel passiert).

Ein Sommer in IstrienFoto: ZDF / Pierre Guibert
In Istrien umarmt man sich, sagt Vlados Vater Miha (Hansa Czypionka). Es fällt auf, dass in „Ein Sommer in Istrien“ Momente der Nähe mit viel verbindlicher Körpersprache ausgedrückt werden: Berührungen und Umarmungen, meist wie selbstverständlich, ganz beiläufig.

Besetzungstechnisch der größte Coup ist die Wahl der Hauptdarstellerin: Sophie Pfennigstorf schenkt dem Film ein Gesicht, das man als Zuschauer*in so schnell nicht vergessen dürfte: dieses Strahlen, dieses Lächeln, dieses offen sein für die unterschiedlichsten Situationen; und dazu noch diese lebenskluge, selbstkritisch gewitzte Haltung ihrer Figur zum Leben („Der Fußball bringt mich zum Leuchten“). Und ob im luftigen T-Shirt, ob kunterbunt oder im kleinen Schwarzen, ob lockere Urlaubsfrisur oder feierlich aufgebrezelt, die 32jährige gebürtige Leipzigerin macht in diesem Film stets eine gute Figur. Das aber lässt sich nicht mit gutem Aussehen und Kostüm allein hinkriegen. Pfennigstorf spielt auch Theater und hat in einigen erinnerungswürdigen Filmen und Rollen überzeugt, beispielsweise in Niki Steins SciFi-„Tatort – HAL“, dem bei Sat 1 etwas untergegangenen Krimidrama „Du sollst nícht lügen“ neben Felicitas Woll und Friederike Becht und ganz besonders in dem Polit-„Tatort – Dunkle Zeit“ als militante Aktivistin. Wandlungsfähig ist bei ihr wörtlich zu nehmen. Ohne Google und ohne tittelbach.tv-Archiv hätte der Kritiker sie stolz als Entdeckung gepriesen.

Nachdem man die Reihe in den letzten Episoden „Ein Sommer in Antwerpen“ und „Ein Sommer in Südtirol“ mit historischen Diskursen und Familientragödien dramaturgisch verdichtet und thematisch geschickt aufgewertet hat, besinnen sich die Macher von „Ein Sommer in Istrien“ wieder auf die ursprünglichen Tugenden der vor zwölf Jahren gestarteten Reihe: alltägliche, mitunter kurzlebige Erlebnisse in malerischen Landschaften und pittoresken Locations, Filme wie ein Urlaubsflirt, mal mit, mal ohne Happy End, und manchmal reichte es auch, wenn der Weg das Ziel war. In Istrien läuten zwar die Hochzeitsglocken, aber es sind die der bodenständigeren Freundin. Noch wichtiger als die nicht zum Drama hochgejazzten Konflikte sind in dem Film des deutsch-polnischen Regisseurs Tomasz E. Rudzik nach dem Drehbuch von Heinrich Manns Urenkelin Lucia Mann („Ein Sommer in Prag“) und Komödien-Profi Jens Urban („Wir tun es für Geld“) die kleinen Dinge des Lebens und die Details der Inszenierung. Die fließenden Wechsel zwischen Totalen und Großeinstellungen lassen einen die Gefühlslagen der Charaktere förmlich spüren. Das südländische Ambiente ist allgegenwärtig. Betörend (zu jeder Tageszeit) das Licht, das immer auch die Stimmung des lust- und liebevollen Miteinanders beeinflusst, wie im richtigen Leben. Es ist die Schönheit und die Sinnlichkeit des Augenblicks, die diesen Film im Rahmen des „Herzkino“ besonders macht. Dabei verselbständigt sich nie das Naturschöne, immer steht es in Beziehung zu den Menschen. Und so gibt es nicht die Reisefilm-verdächtigen Szenenübergänge, die Kamera ist vielmehr ganz auf die Charaktere fokussiert; die Landschaft ist ikonografischer Mehrwert, wohlüberlegt cadriert, aber ebenso beiläufig eingefangen. Das bereits gelobte Personal vor der Kamera passt bestens zu diesem Konzept, dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung zu geben. Bei Filmen, die wie Sommerurlaube erzählt sind, das richtige Prinzip. (Text-Stand: 25.10.2021)

Ein Sommer in IstrienFoto: ZDF / Arvid Uhlig
Das Happy End lässt erfreulicherweise die konkreten Zukunftsfragen offen. Viel wichtiger ist die Stimmung, mit der die Figuren ausgeblendet und die Zuschauer aus dem Film entlassen werden. Sophie Pfennigstorf, Vladimir Korneev

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Reihe

ZDF

Mit Sophie Pfennigstorf, Vladimir Korneev, Leonard Lansink, Tim Borys, Katrin Jaehne, Toni Gojanovic, Hansa Czypionka, Xaver Pucci, Vanja Matujec

Kamera: Enzo Brandner

Szenenbild: Thomas Franz

Kostüm: Anselmo Antonello di Meo

Schnitt: Melanie Landa

Musik: Martina Eisenreich

Redaktion: Beate Bramstedt

Produktionsfirma: Moviepool

Produktion: Bernadette Schugg

Drehbuch: Jens Urban, Lucia Mann

Regie: Tomasz E. Rudzik

Quote: 4,19 Mio. Zuschauer (12,6% MA)

EA: 14.11.2021 20:15 Uhr | ZDF

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