Ein Sommer in Griechenland

Szyszkowitz, Georgoulis, Tarrach, Kirdorf, Papavassiliou. Sonne, Liebe, Spardiktat

Foto: ZDF / Nikos Nikolopoulos
Foto Tilmann P. Gangloff

Kaum zu glauben, dass sich das ZDF traut, diesen Film zu zeigen: Die Geschichte über eine Busunternehmerin, die mit Hilfe eines gewitzten Einheimischen die Versicherung betrügt, bedient die meisten Griechenlandklischees. Sieht man darüber hinweg, ist „Ein Sommer in Griechenland“ von Jorgo Papavassiliou recht ansehnlich geraten: Die Romanze ist nett eingefädelt, die Athener sehen aus wie Filmstars und die Bilder machen Lust auf Urlaub.

Vermutlich wird Alexis Tsipras nicht die Zeit haben, sich „Ein Sommer in Griechenland“ anzuschauen, und das ist auch gut so, denn sonst müsste der Athener Regierungschef schon wieder wütend werden. Tatsächlich ist es mindestens mutig vom ZDF, die Geschichte des Films in dieser Form zu erzählen, denn sie bedient völlig unbeschwert viele Vorurteile: Ohne Handgeld läuft in Athen offenbar gar nichts, die Behörden funktionieren nach dem Mikado-Prinzip („Bloß nicht bewegen“), und auch sonst dauert alles ein bisschen länger – mindestens. Prototypisch in dieser Hinsicht ist ein Polizist, der sein Söhnchen mit zur Arbeit bringt und alle Zeit der Welt hat. Einen Bestechungsversuch weist er zunächst empört von sich, aber nur, um später ein Vielfaches der angebotenen Summe zu fordern.

Natürlich kann man diese Bedenken mit dem Hinweis, es sei doch bloß „Herzkino“, das ohnehin niemand erst nehme, beiseite wischen; außerdem sei der Film von Jorgo Papavassiliou („Die Sturmflut“) und somit einem gebürtigen Griechen inszeniert worden. Der Zielgruppe, die am Sonntagabend im ZDF pure Zerstreuung sucht, ist es vermutlich ohnehin wichtiger, dass die männlichen Griechen allesamt wie Film- oder Sportstars aussehen. Und Thomas Kirdorf könnte zu seiner Verteidigung anführen, er habe doch mehrfach Hinweise eingebaut, wie sehr die Griechen im Alltag unter dem Spardiktat zu leiden hätten.

Ein Sommer in GriechenlandFoto: ZDF / Nikos Nikolopoulos
Das Griechenland-Gegenbild zu den Nachrichten aus dem Jahr 2015. Yannis führt Rieke auch an einen für ihn emotional bedeutsamen Ort. Aglaia Szyszkowitz und Alexis Georgoulis in „Ein Sommer in Griechenland“

Trotzdem ist es vor allem die Handlung, die dem renommierten Autor mildernde Umstände verschafft: Aglaia Szyszkowitz, nach „Hochzeitskönig“ erneut Hauptdarstellerin einer Kirdorf-Geschichte, spielt eine Frau, die gemeinsam mit ihrer Schwester Leonie das Reiseunternehmen ihres Vaters übernommen hat; den nagelneuen Bus fährt sie selbst. Kaum ist sie mit ihrer Reisegruppe in Athen eingetroffen, wird der vor dem Hotel geparkte Bus geklaut. Weil die Versicherung nur zahlt, wenn das Gefährt auf einem bewachten Parkplatz abgestellt worden ist, hat Zufallsbekanntschaft Yannis (Alexis Georgoulis), ein Taxifahrer, der sich als arbeitsloser Anästhesist entpuppt, die rettende Idee: Er baut ein Häuschen auf und setzt sich davor; der eigens angereiste Abgesandte der Versicherung (Jürgen Tarrach) ist zufrieden. Nun fehlt nur noch die Diebstahlsbescheinigung der Polizei, aber das dauert.

Die Wartezeit vertreibt sich Rieke mit Yannis, der ihr seine Lieblingsplätze zeigt, was Papavassiliou den perfekten Vorwand liefert, um die für den Sendeplatz unverzichtbaren filmischen Ansichtskarten zu produzieren. Natürlich kann sich Rieke gar nicht satt sehen an der illuminierten Akropolis bei Nacht, am Hafen, am Meer oder am Sonnenuntergang über der Stadt; und der Kamera von Vladimir Subotic geht es genauso. Selbstredend muss das potenzielle Paar vor dem Happy End noch die eine oder andere Hürde überwinden: Zuerst glaubt Rieke, Yannis habe sie um 5000 Euro erleichtert, als er sie um Geld für die Herzoperation seiner Mutter bat; dann erfährt sie von der Frau, dass ihr Sohn verheiratet ist. Aber selbstredend findet das Drehbuch für alles eine Lösung.

Ein Sommer in GriechenlandFoto: ZDF / Nikos Nikolopoulos
Zickenalarm? Die bestens organisierte Leonie (Florentine Lahme) glaubt, ihrer etwas chaotischen, älteren Schwester mal wieder aus der Bredouille helfen zu müssen.

„Ein Sommer in…“ gehört zu den besseren Sonntagsreihen im ZDF. Der Beitrag aus Athen wird dem Standard jedoch nur handwerklich gerecht; die Figuren sind recht klischeehaft ausgefallen. Das gilt vor allem auch für die von Florentine Lahme gespielte Halbschwester Leonie, die zunächst in erster Linie Biest ist. Rechtzeitig zum Happy End macht sie zwar eine Wandlung durch, aber selbst das ist stereotyp für diese Filme. Etwas unglücklich ist auch der Umgang mit der Sprache. Einerseits ist es gut , dass die Griechen deutsch mit teilweise starkem Akzent sprechen. Andererseits ist nicht recht einzusehen, wieso sie untereinander ebenfalls deutsch miteinander reden; manchmal nimmt die Überzeugung der Redaktionen, das Publikum reagiere auf gelegentliche Untertitel mit promptem Umschalten, absurde Züge an.

Immerhin ist „Ein Sommer in Athen“ schauspielerisch sehenswert. Aglaia Szyszkowitz verkörpert Rieke als patente Sympathieträgerin; das ist nicht neu, aber immer wieder schön. Ungleich überraschender sind jedoch die Darsteller der beiden wichtigsten Einheimischen. Das gilt vor allem für den Deutschgriechen Kostas Sommer, der den Polizisten mit viel Süffisanz ausstattet; deshalb grenzt es an einen Verrat dieser Figur, als der Mann schließlich doch noch die Hand aufhält. Hörenswert ist auch die Musik von Karim Sebastian Elias, der zwar ein gerüttelt Maß an Sirtaki-Klängen einbauen muss, aber zum Ausgleich die eine oder andere ironische Note in seine Komposition geschmuggelt hat. (Text-Stand: 6.4.2015)

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Reihe

ZDF

Mit Aglaia Szyszkowitz, Alexis Georgoulis, Jürgen Tarrach, Florentine Lahme, Kostas Sommer, Xenia Kalogeropoulou, Maria Kremer

Kamera: Vladimir Subotic

Szenenbild: Lisa Tsouloupas

Schnitt: Ronny Mattas

Musik: Karim Sebastian Elias

Produktionsfirma: Zeitsprung Pictures

Drehbuch: Thomas Kirdorf

Regie: Jorgo Papavassiliou

Quote: 4,68 Mio. Zuschauer (13,2% MA)

EA: 26.04.2015 20:15 Uhr | ZDF

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