Britta (Kristin Suckow) macht ihrem Ruf mal wieder alle Ehre. Gerade hat sie ihrem letzten Freund den Laufpass gegeben, da ist sie schon wieder offen für ein neues Abenteuer. Keine neue Beziehung, sondern die entflammte Liebe für die Bretagne im Allgemeinen und ein traumhaftes Reetdach-Häuschen im Besonderen lässt sie einen neuen Lebensplan schmieden. Britta ist Tierärztin. Bedarf dafür gibt es in dieser Gegend. Praxis im Ausland kein Problem. Hauskauf in Frankreich ist ebenfalls machbar. Warum also nicht?! Ihre beiden Reisepartner, ihre beste Freundin Nina (Katharina Heyer) und deren Partner Jens (Eric Klotzsch), der das Unstete an Britta gern belächelt, können ob dieser Spontaneität nur staunen. Mit der Hotel-Besitzerin Nanette (Brigitte Zeh) hat sie bald eine Verbündete gefunden, die sie in ihrem Vorhaben, in der Bretagne Wurzeln zu schlagen, bestärkt. Die Sache hat nur einen Haken: Sie ist nicht die Einzige, die das idyllisch gelegene Anwesen unbedingt kaufen möchte. Yves (Karim Chérif), der Nachbar, möchte sich mit Ferienwohnungen ein zweites berufliches Standbein aufbauen, da er und sein Vater (André Jung) vom Fischfang allein nicht mehr leben können. Und da das Haus mit einem anonymen Bieterverfahren erworben werden muss, Britta nichts von der Konkurrenz weiß und in ihrem Überschwang ziemlich redselig ist, hat der Franzose bald die besseren Karten. Für die ebenso zarte wie unverbindliche Liaison zwischen den beiden dürfte es nach diesem Vertrauensbruch so oder so kaum eine Zukunft geben.
Foto: ZDF / Florian Licht
„Ein Sommer in der Bretagne“ macht dem Image der etwas anderen „Herzkino“-Reihe alle Ehre: nicht zu viel Handlung, reichlich Urlaubsstimmung mit zeitgemäßen Sehnsuchtsbildern Marke „Landlust“ statt Touristikbranchen-Hochglanz und zwei Hauptdarsteller, für die das von Truffaut gern zitierte, auf beide Geschlechter erweiterte Max-Ophüls-Zitat vorzüglich passt: Film zeichnet sich dadurch aus, schönen Menschen bei schönen Dingen zuzuschauen. Oder so ähnlich. Natürlich haben wir es bei diesem ZDF-Sonntagsfilm nicht mit dem Realismus eines Eric Rohmer oder eines Cédric Klapisch zu tun, natürlich ist die Geschichte so konstruiert, dass das dramaturgische Regelwerk der „Ein Sommer“-Reihe inklusive Plot-Points, nach denen sich die Uhr stellen lässt, bedient werden kann, und natürlich sprechen hier alle perfekt deutsch. Es wäre allerdings in diesem Fall auch reichlich widersinnig, Deutsche wie Brigitte Zeh als Nanette oder Deutsch sprechende Schauspieler wie Karim Chérif oder André Jung einen Akzent zu geben oder gar Untertitel zu verpassen. Wenngleich also Arthaus-Fernsehen hier nicht zu erwarten ist, so ist den Autorinnen Birgit Maiwald und Antje Huhs, Regisseurin Britta Keils und Kameramann Florian Licht doch ein Unterhaltungsfilm gelungen, der sich trotz fehlender narrativer Überraschungen neunzig Minuten lang ohne Reue gut weggucken lässt, weil er unter anderem zwar mit den obligatorischen Meerblicken nicht spart, sie aber nie als „wunderschön“ ausstellt, sondern sie entweder beiläufig einfängt, als ein Stück Realität, oder sie mit den Augen der weiblichen Hauptfigur sieht („Ist das nicht fantastisch?“).
Soundtrack: Bon Entendeur & Isabelle Pierre („Le Temps est bon“), Louane („Avenir“), Polo & Pan („Canopée“), Thomas Dutronc („Que je suis“), Carla Bruni („Quelqu’un m’a dit“), ZAZ („Je veux“), Bruno Mars („Leave the Door open“)
Foto: ZDF / Florian Licht
Das Hauptargument aber für diesen leicht frankophilen Sommerfilm im deutschen Winterprogramm ist die Besetzung. Schon der Nebenrollen-Cast mit Katharina Heyer, Brigitte Zeh und vor allem André Jung kann sich sehen lassen. Angenehm auch, dass hier wie meistens in der „Ein Sommer“-Reihe keine Oldie-Beziehung dem jungen Paar zwanghaft gegenübergestellt wird, wie das bei „Inga Lindström“ und „Rosamunde Pilcher“ häufig der Fall ist. So kommt es in „Ein Sommer in der Bretagne“ nicht zu jenem Generationen-Clash, der sich häufig als ein Clash der Spielweisen äußert – hier jung, frisch & alltagsnah, dort ältlich, exaltiert & überzogen. In dieser ZDF-Reihe dominiert die Gegenwart, werden selten die immergleichen Familiensünden aus der Vergangenheit mitgeschleppt; und wenn doch wie zuletzt in „Ein Sommer in Antwerpen“ oder „Ein Sommer in Südtirol“, dann auf eine weniger altbackene Weise. Die Bretagne-Episode wirkt nun ganz besonders heutig. Bestimmt wird die Geschichte von der weiblichen Hauptfigur. Deren Offenheit, Begeisterungsfähigkeit und Spontaneität setzt die Handlung in Gang: Erst fährt sie den bretonischen Fischer mit dem Fahrrad um, dann verarztet sie ihn und schließlich geht sie ihm beim Fischfang zur Hand. Das dramatische Potenzial ist überschaubar, dafür gewinnt die Situation umso mehr durch die Details in der Darstellung: Kristin Suckow („Ottilie von Faber-Castell – Eine mutige Frau“) und Karim Chérif („Die Füchsin“) sind für ein „Herzkino“-Einzelstück kleine Hochkaräter, auch wenn sie bei den Normalzuschauer*innen nicht übermäßig bekannt sein dürften.
Besonders in den Zwischentönen ihrer gemeinsamen Szenen zeigen sich die kleinen, wesentlichen Unterschiede ihres Spiels gegenüber „Herzkino“-Darstellern, die weniger Erfahrung im Genre Drama haben. Immer wieder sind es diese Momente des Zögerns, der sichtbar gemachte Zweifel, den ihre Interaktionen auszeichnet. Die spontane Britta wird anfangs durch die Zurückhaltung des Bretonen gebremst, vielleicht auch ein Stück weit verunsichert (normalerweise dürfte jeder von ihr hin und weg sein). Und Yves‘ Reserviertheit resultiert zunächst aus dem Wissen um die Konkurrenzsituation und später aus den Gewissensbissen wegen seines Vertrauensbruchs. Und so überrascht es nicht, dass der erste Kuss von ihr ausgeht. Aber auch das sehnsüchtige Schwärmen für Landschaft und Leute wird nicht nur behauptet, es vermittelt sich auch in den Bildern. Dass Suckows Figur nicht psychologisiert wird, sondern einfach sein darf, wie sie ist, passt zur Tonlage des Films; obgleich ja der Freund ihrer Freundin immer mal wieder versucht, ihr Verhalten als „Beziehungsunfähigkeit“ (sein Hinweis auf Romy Schneider und Quiberon) hinzustellen. Und der Bretone darf noch seine Herzensthemen, Überfischung und naturverträgliches, nachhaltiges Fischen als Lösung des Problems, im Film unterbringen – ohne dass es aufgesetzt wirkt. Fast alles in „Ein Sommer in der Bretagne“ ist ein Tick anders und damit sympathischer als der „Herzkino“-Standard. Auch die Schlussszene. Und auch hier wieder: das Zögern, das Nachdenken – und dann erst der Kuss! (Text-Stand: 27.12.2021)
Foto: ZDF / Florian Licht