Willkommen in der Steinzeit. Pia Vandenbrok aus Hamburg möchte mit ihrem 13-jährigen Sohn Leo mal einen so richtig erholsamen Urlaub in den Bergen machen und mietet sich dafür auf einer Alm ein. Die überarbeitete Notfallärztin hat sich noch eine „Aufgabe“ mit in die Berge gebracht: Ganz in der Nähe nämlich wohnt Marie Huber, Pias Halbschwester, von der sie erst unlängst durch den Nachlass des Vaters erfahren hatte. Und so steht sie eines schönen Ferientages im Laden der jungen Künstlerin – und die ist erst mal geschockt. Alte Verletzungen brechen bei ihr auf, dem ungeliebten, unehelichen Kind. Wohl doch nicht so eine gute Idee, den Urlaub hier zu verbringen? Also Leo kann nicht klagen. Er freundet sich mit dem anfangs grantigen Vater des charmanten Vermieters an, der sofort ein Auge auf Pia geworfen hat. Und auch Marie gewöhnt sich an den Gedanken, die Schwester als Freundin und nicht als Konkurrentin zu sehen. Wäre da nicht dieser Landarzt und Vermieter…
Foto: ZDF / Christiane Pausch
Die Welt ist klein – in (Alpen-)Filmen sowieso und in „Ein Sommer in den Bergen“ ganz besonders. Dass beim Zuschauen dieser Gedanke nicht aufkommt, spricht für den Film von Jorgo Papavassiliou und dessen handwerkliches Können, mit dem es gelingt, diese inzestuöse Dramaturgie in eine Geschichte zu verwandeln. Die Autorinnen Stefanie Sycholt und Freya Stewart haben viel hineingepackt in diesen Sommerurlaub in den Bergen: Schwesternliebe, die obligatorische romantische Liebe, ein Eheleben der besonderen Art, die Freundschaft zwischen Kind und Ersatz-Großvater, das Motiv des abwesenden Vaters gleich in doppelter Ausführung, Karriere vs. Heimat, ein handfester Vater-Sohn-Konflikt… ja hier hat jeder sein Päckchen zu tragen. Da ist es am Regisseur samt seinen Mitstreitern, Kamerafrau und Cutter, sowie den Schauspielern, dem Film den Fluch des künstlich Konflikte anhäufenden Melodrams zu nehmen. Auch wenn als Motive noch das Sterben, eine Schwangerschaft und (bei zwei Ärzten absehbar!) einige kleine und große Unfälle die vordergründige Handlung in Gang halten, so bekommt „Ein Sommer in den Bergen“ – gerade auch, weil der Film kein Ein-Konflikt-Drama ist – etwas vom Fluss des Lebens. Es scheint paradox: Aber gerade dadurch, dass die Geschichte nichts vertieft, gewinnt sie an Allgemeingültigkeit – und macht uns zumindest glauben, dass so das Leben ist. Das hätte man in den ersten Bildern nicht gedacht, in denen ungelenk dem Zuschauer einige Grundinformationen verabreicht und Muriel Baumeister und vor allem Jannis Michel „unsägliche“ Sätze in den Mund gelegt werden.
Bemerkenswert an diesem konzentrierten Premium-Rührstück mit einem stimmigen Sechs-Personen-Ensemble ist die Art und Weise, wie die Autorinnen neue Lebenskonzepte und Liebeskonstellationen ins Spiel bringen. Und wie hier das vor allem weibliche Grundgefühl, nicht gut genug zu sein, mehr oder weniger beiläufig in die Geschichte mit hineinspielt. Da steht ein Kindheitstrauma neben einem Schwenk über die Ferienlektüre aus Ratgebern aller Art. Bei allem Kitsch-Verdacht – das ist ein unzynischer Umgang mit dem Genre und dem Zuschauer. Der größte Pluspunkt von „Sommer in den Bergen“ ist der weitgehend gelungene Versuch, aus den Konfliktherden eine Geschichte zu machen, eine filmische erzählte Geschichte, die mit stimmungsvollen Inszenierungen von undramatischen Zwischen-Zeiten das pralle Problem-Package akzentuieren und Figuren wie Zuschauern Entspannung gönnen.