Ein Sommer in Amsterdam

Ulrike Folkerts, Filip Peeters, Kirdorf. Überraschend gute Dialoge im „Herzkino“

Foto: ZDF / Conny Klein
Foto Tilmann P. Gangloff

Ulrike Folkerts am Sonntag einmal im ZDF-„Herzkino“ statt am ARD-„Tatort“. Und sie überzeugt wie auch all die anderen namhaften Schauspieler. Die Story liest sich stereotyper, als der Film ist. Eine Frau sucht nach dem Unfalltod ihrer Tochter in Amsterdam neuen Mut. Vor 25 Jahren hat sie dort einem Ehepaar Eizellen gespendet. Jetzt findet sie nicht nur einen Sohn, sondern auch eine neue Liebe. Die Romanze „Ein Sommer in Amsterdam“ von Karola Meeder nach dem Buch von Thomas Kirdorf schlägt deutlich in Richtung Drama aus.

Sat 1 hätte diesen Film „Mein Sohn, sein Vater und ich“ genannt; oder auch, bei etwas mehr Witz und Tempo, „Henne sucht Ei“. Im ZDF heißt er schlicht „Ein Sommer in Amsterdam“, weil die „Herzkino“-Filme mit ihren Frühlings- und Sommertiteln ein positives Lebensgefühl signalisieren sollen. Dabei ist die Handlung zum Teil durchaus nachdenklich; eine Verschiebung von Nuancen – und aus der Romanze wäre ein Drama geworden.

Das Drehbuch von Thomas Kirdorf (zuletzt „Das Glück der Anderen“) lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen, die der Geschichte allerdings kaum gerecht werden. Eine Frau Ende 40 ist nach dem Unfalltod ihrer Tochter nur noch niedergeschlagen und hofft, in Amsterdam neuen Mut zu finden: Vor 25 Jahren hat sie dort als Studentin aus Geldnot einem Ehepaar Eizellen gespendet; der Sohn oder die Tochter sollen ihrem Leben wieder einen Sinn geben. Tatsächlich findet sie nicht nur einen Sohn, sondern auch eine neue Liebe.

Ein Sommer in AmsterdamFoto: ZDF / Conny Klein
Das ZDF spart bei „Ein Sommer in Amsterdam“ nicht nur mit Pressefotos sondern auch mit Informationen zu den Bildern: Mia (Ulrike Folkerts) und Hetty (Renée Soutendijk)

Als dramaturgisches Konstrukt ist Kirdorfs künstlich-kunstvolle Kombination zweier Parallelstränge nicht neu, aber die emotionale Spannung erhöht sich dadurch enorm: Auf der einen Ebene sucht und findet Mia ihren Sohn, Mathijs, auf der anderen verliebt sie sich in den alleinstehenden Werftbesitzer Jan van Haalen. Mathijs erzählt Mia vom Krach mit seinem ehrgeizigen Vater, der ihn für einen brotlosen Künstler hält. Jan hat ebenfalls einen Sohn namens Mathijs, schildert das gegenseitige Verhältnis aber in den schönsten Farben, weil er nicht als Rabenvater da stehen will; dabei handelt es sich auf beiden Ebenen selbstverständlich um denselben jungen Mann. Geschickt treibt Kirdorf den potenziellen Konflikt auf die Spitze: Mia rät Mathijs, seinen Vater gerichtlich zu Unterhaltszahlungen zu verklagen, während gleichzeitig Jan seine Anwälte auf die Ei-Spenderin aus Deutschland hetzt, weil der vor über zwei Jahrzehnten geschlossene Vertrag sämtliche Nachforschungen untersagt.

Lügen, bewusste Desinformationen oder kapitale Missverständnisse sind als Herausforderung, die das Liebespaar vor dem Happy End meistern muss, eine obligate Zutat fast aller Romanzen, und auch hier stellt sich schließlich heraus, dass die beiden Männer, mit denen es Mia mal direkt, mal indirekt zu tun hat, identisch sind. Die entsprechende Einleitung des Finales hat Kirdorf hübsch eingefädelt. Leider ist der Film dann fast schon vorbei, sodass der Schluss ein wenig atemlos wirkt: Am Ende löst sich alles ruckzuck in Wohlgefallen auf.

Ein Sommer in AmsterdamFoto: ZDF / Conny Klein
Sightseeing-Tour durch die Grachenstadt. Ulrike Folkerts und Filip Peeters in „Ein Sommer in Amsterdam“

Davon abgesehen hat Karola Meeder „Ein Sommer in Amsterdam“ handwerklich sehr sorgfältig inszeniert, auch wenn ihre Arbeit gerade in der ersten Hälfte dank der häufigen Impressionen von Grachten und anderen Sehenswürdigkeiten wie ein Werbefilm für die holländische Metropole wirkt. Andererseits ist vermutlich genau das der Grund, warum die ZDF-Sonntagsfilme so beliebt sind: Man hat danach oft das Gefühl, Land und Leute kennengelernt zu haben. Gleichfalls typisch für Genre und Sendeplatz ist der unentschlossene Umgang mit der Sprache. Dass der Sender die Niederländer nicht holländisch reden lässt, weil man den Film dann mit Untertiteln versehen müsste, ist nachvollziehbar. Aber eine Erklärung, warum die Herren van Haalen deutsch miteinander sprechen, wäre nicht zuviel verlangt, zumal Sohn Mathijs deutsch wie ein Deutscher spricht, während sein Vater (Peeters ist Belgier) einen Akzent hat. Krönung des Kauderwelschs ist der Großvater: Chiem van Houweninge, bekannt als Ex-Kollege von Schimanski, redet sein lustiges Holländerdeutsch.

Der Zielgruppe ist das allerdings erfahrungsgemäß ebenso egal wie Kindern die schlechte Synchronisation von Zeichentrickserien, und angesichts der Leistungen gerade der beiden Hauptdarsteller lässt sich auch leicht über das akustische Manko hinweghören, zumal Kirdorf („Alpenglühen“) wunderbare Dialoge geschrieben hat. Peeters ist ohnehin immer sehenswert. Auch die Leistung von Ulrike Folkerts sollte nicht überraschen, aber da sie außerhalb des „Tatorts“ nicht so oft zu sehen ist, beeindruckt es um so mehr, wie glaubhaft sie Mias Wandlung verkörpert: Die zunächst fast verhärmte Frau blüht im Verlauf der Handlung regelrecht auf. Mehr als bloß Blickfang sind auch Paula Kalenberg als Mias verstorbene Tochter, bei der die Mutter immer wieder mal Rat sucht, wie auch Lucie Heinze (als Mathijs’ Freundin), die zuletzt in einem „Tatort“ aus Köln („Ohnmacht“) einen ausgesprochen positiven Eindruck als internet-affine Aushilfskraft der beiden Kommissare hinterlassen hat.

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Reihe

ZDF

Mit Ulrike Folkerts, Filip Peeters, Benedikt Blaskovic, Renée Soutendijk, Lucie Heinze, Joy Maria Bai, Chiem van Houweninge, Rainer Piwek, Paula Kalenberg

Kamera: Frank Lamm

Szenenbild: Jörg Baumgarten

Schnitt: Ronny Mattas

Musik: Micki Meuser

Produktionsfirma: UFA Fiction

Drehbuch: Thomas Kirdorf

Regie: Karola Meeder

Quote: 5,40 Mio. Zuschauer (17,2% MA); Wh.: 3,77 Mio. (11,6% MA); Wh. (2020): 3,58 Mio. (9,4% MA)

EA: 25.05.2014 20:15 Uhr | ZDF

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