Städterin macht Urlaub in der Provinz, verguckt sich in einen Einheimischen und lernt, das Landleben zu lieben: ein typischer Stoff für einen Freitagsfilm im „Ersten“ oder ein „Herzkino“-Stück im „Zweiten“, zuletzt erzählt in „Landfrauen – Wir können auch anders“ (ARD, 2023) mit Bettina Burchard als Kölner Pflegerin, die bei der Naherholung im Bergischen Land die Liebe findet. Der Handlungsrahmen von „Ein Sommer im Schwarzwald“ ist bis auf den Schauplatz und den Beruf der Hauptfigur identisch: Während sich ihr Freund und Kanzleichef Marc mit einem Schulfreund trifft, will Fiona, Anwältin aus Frankfurt, ein paar Tage in einem Wellness-Hotel entspannen. Ein Unfall sorgt jedoch dafür, dass es anders kommt; gut achtzig Minuten später hat sie Job und Freund verloren, aber das Glück gefunden.
„Kenn’ ich, weiß ich, war ich schon“, wird sich ein Großteil des „Herzkino“-Stammpublikums angesichts der verkürzten Inhaltsangabe vermutlich denken, und tatsächlich hat das Drehbuch von Dirk Eisfeld und Beate Fraunholz nicht umwerfend viel Neues zu bieten; aber der Film eine umwerfende Hauptdarstellerin. Wanda Perdelwitz hat schon einige Male dafür gesorgt, dass durchschnittliche „Pilcher“- oder „Katie Fforde“-Beiträge überdurchschnittlich kurzweilig waren. Diesmal entsprechen allerdings auch Handlung, Umsetzung und Ensemble höheren Ansprüchen, zumal die Geschichte einen gewissen Tiefgang bietet. Außerdem ist sie sehr hübsch eingefädelt: Als sich ein Baumstamm selbstständig macht und Fiona wegen eines Disputs mit ihrer Sprachassistenz kurz abgelenkt ist, kracht sie mit dem Mietwagen in einen Holzstapel. Der hilfsbereite, aber eher wortkarge Holzrücker Sascha (Tobias Licht) wird noch einsilbiger, als er erfährt, dass sie Anwältin ist; immerhin verschafft er ihr eine Unterkunft bei einem befreundeten Ehepaar. Weil das Hotelzimmer aufgrund eines Buchungsfehlers mittlerweile vergeben ist und Fiona spontan ein paar Tage länger bei Marlies und Joseph Wehrle (Aglaia Szyszkowitz, Martin Lindow) bleibt, erfährt sie, weshalb ein Schatten über dem Bauernhof liegt; und warum Sascha eine herzliche Abneigung gegen Anwälte hat.
Sonnenklar, wie’s weitergeht: Der von Fiona despektierlich als „Waldschrat“ titulierte Holzarbeiter taut nach und nach auf, durch das brachliegende Gästehaus der Wehrles weht plötzlich ein frischer Wind, und jetzt muss das Drehbuch bloß noch den Freund auf plausible Weise loswerden. Marc (Richard Ulfsäter) taucht zwar wie stets in diesen Filmen pünktlich nach einem ersten Kuss des potenziellen Liebespaars auf, hat sich jedoch längst ins Abseits manövriert: Fiona ist Expertin für Mietrecht, vertritt Menschen mit wenig Einkommen auch schon mal pro bono und hat der Kanzlei auf diese Weise einen ausgezeichneten Ruf verschafft. Der löst sich quasi über Nacht in Luft auf: Marcs Schulfreund und neuer Mandant entpuppt sich als Miethai, der den Mietern im Winter Strom & Wasser abstellt, um sie loszuwerden.
Während Fraunholz und Regisseur Michael Karen den Sendeplatz gut kennen – er dank der ZDF-Reihe „Frühling“, sie nicht zuletzt dank weiterer Drehbücher zu „Ein Sommer…“ –, ist das „Herzkino“ für Eisfeld eher ungewohntes Terrain; er war unter anderem an einigen Werken des Dokudrama-Spezialisten Raymond Ley beteiligt. Fraunholz und er haben das Drehbuch gemeinsam verfasst und sich dabei offenbar gut ergänzt. Neben den zum Teil herzerfrischenden Dialogen erfreut „Ein Sommer im Schwarzwald“ auch durch viel Situationskomik, an der Saschas Arbeitspferd Moritz maßgeblichen Anteil hat. Große Freude bereiten auch die kleinen Einfälle: Fiona kommt mit der abendlichen Stille nicht klar und kann nur mit Großstadt-Straßenlärm aus dem Smartphone einschlafen. Dass der Film ihren Sinneswandel durch den Verzicht auf den Krach aus der Konserve verdeutlicht, ist ebenso wenig überraschend wie die Sternschnuppe, die über den Himmel fliegt, als sie das Fenster öffnet; aber es macht ja auch Spaß, wenn Erwartungen erfüllt werden. Für die Inszenierung gilt das gleichfalls. Idyllische Landschaftsbilder mit passender Musik und Sonnenschein gehören bei solchen Filmen dazu, doch es gibt auch immer wieder besondere Einstellungen. Der Rest ist Perdelwitz; schon allein die Szene, in der sie den störrischen Moritz dazu bringen will, sich vom Fleck zu bewegen, ist das reinste Vergnügen. Dass sich die lebhafte Fiona mit ihrer positiven Energie als Glücksfall nicht nur für die Wehrles erweist, ist in jeder Sekunde nachvollziehbar. (Text-Stand: 17.12.2023)