Ein beliebter Handlungsauslöser in den romantischen Dramen von ARD & ZDF ist die Rückkehr der weiblichen Hauptfigur zu ihren Wurzeln. Kindheit & Jugend haben diese Frauen stets auf dem Land verbracht, aber irgendwann hat es sie in die weite Welt, sprich: eine anonyme Großstadt, verschlagen. Unverzichtbar dabei ist die Begegnung mit der Jugendliebe.
Der Reiz des „Herzkino“-Films „Ein Sommer im Burgenland“ liegt unter anderem darin, exakt so eine Geschichte zu erzählen, dies jedoch sehr lange erfolgreich zu kaschieren. Zwar macht sich auch hier eine Frau auf den Weg in die beschauliche Provinz, doch während sonst meist Tod, Erbschaft oder zumindest die Flucht vor Problemen die Reise auslösen, will die Kölner Übersetzerin Maria (Hannelore Elsner) im schönen österreichischen Burgenland die werdende Mutter ihres Enkelkinds besuchen: Nina (Fanny Krausz) hat Marias Sohn mittels Postkarte über seine Vaterschaft informiert, aber weil der junge Mann aus beruflichen Gründen in Shanghai weilt, nimmt sich Maria der Sache an. Umgehend verguckt sie sich in Ninas Ziehvater Harald (Oliver Karbus), aber obwohl sie sich auf Anhieb am Neusiedlersee heimisch fühlt und ihr alles so vertraut erscheint, dauert es eine ganze Weile, bis der Groschen fällt – und plötzlich bekommt der Film eine für diesen Sendeplatz ungewohnte Relevanz.
Hannelore Elsner gibt sich vielleicht in ihrer Rolle ein bisschen zu flatter- und divenhaft, was die im Metier der ZDF-Sonntagsfilme sehr erfahrene Regisseurin Karola Meeder aber offenbar nicht gestört hat. Davon abgesehen ist es durchaus glaubwürdig gespielt, wie Maria den Boden unter den Füßen verliert, als sie herausfindet, dass ihre Eltern ihr ein entscheidendes Detail ihrer Biografie vorenthalten haben: Sie sind als Roma aus Ungarn geflohnen und fanden mit der kleinen Tochter im östlichen Österreich vorübergehend eine neue Heimat, aber dann wurde Maria von den Kindern im Dorf als Zigeunerin diskriminiert; die Eltern flohen erneut, änderten ihren Namen und begruben damit auch die Roma-Vergangenheit.
Geschickt kombiniert das Drehbuch zu „Ein Sommer in Burgenland“ (Alrun Fichtenbauer, Astrid Ströher) Romanze und Drama: Je näher sich Maria und Harald kommen, um so mehr wächst Marias Verwirrung. Schließlich finden sie heraus, dass sie Marika und Harika sind, die Sandkastenliebe von einst. Auch das wird von Elsner und vor allem Oliver Karbus sehr schön vermittelt: wie das neue Gefühl durch die gemeinsamen Erinnerungen zusätzliche Nahrung bekommt. Die Chemie zwischen den beiden ist so überzeugend, dass eine offenkundige Irritation kaum ins Gewicht fällt: Hannelore Elsner mag nicht aussehen wie Anfang siebzig, aber dass Karbus deutlich jünger ist als sie, lässt sich kaum verleugnen; zum Zeitpunkt der behaupteten Kindheit Mitte der Fünfziger war er noch gar nicht auf der Welt.
Ninas Schwangerschaft ist dagegen für die eigentliche Geschichte streng genommen nicht weiter wichtig, aber die Szenen mit Fanny Krausz tun dem Film gut, weil die junge Frau auf sympathische Weise kratzbürstig ist; später taucht auch noch Marias Sohn (Hubertus Grimm) auf, sodass es zu der im „Herzkino“ gern gesehenen zweiten Romanze mit einem jungen Paar kommt. Natürlich darf auch die Nebenbuhlerin nicht fehlen: Die rothaarige Hebamme Simone (Fanny Stavjanik) hat mehr als bloß ein Auge auf Harald geworfen, aber der hat nur noch Augen für Maria, mit der er so manchen Ausflug macht. Auf diese Weise haben Meeder und ihr Kameramann Markus Nestroy ausgiebig Gelegenheit, die schöne Landschaft sinnvoll in den Film zu integrieren, schließlich hat „Ein Sommer im Burgenland“ wie fast alle Filme dieser Art Geld von der regionalen Filmförderung bekommen; kalenderbildschöne Aufnahmen vom Neusiedlersee sind daher quasi Pflicht. Am wogenden Schilf kann sich die Kamera gar nicht satt sehen, und ohne die vielen Einstellungen majestätisch gleitender oder gravitätisch schreitender Störche (beides gern in Zeitlupe) wäre der Film merklich kürzer. Dafür ist die Musik sehr angenehm: Während die früheren deutsch-österreichischen Koproduktionen der ARD, vornehmlich die Reihe Lily Schönauer“, dank der klebrigen Klänge Otto M. Schwarzers auch akustisch meist alle Ansprüche fahren ließen, verzichtet Komponist Dominik Giesriegl darauf, die Bilder zusätzlich mit Emotionen aufzuladen. (Text-Stand: 8.1.2015)