Mallorca (wieder)sehen – und sich scheiden lassen?!
Es sollte nur ein ganz kurzer Mallorca-Trip für Vicky (Katharina Müller-Elmau) werden. Die Hamburger Fotografin und ihr Ehemann Nico (Christoph M. Ohrt), Sterne-Gastronom auf der Baleareninsel, wollen sich endlich scheiden lassen, nachdem sie seit über 10 Jahren getrennt leben. Außerdem wollen sie auch ihr gemeinsames Haus in Palma verkaufen. Doch der Termin vor dem Scheidungsrichter muss um ein paar Tage verschoben werden. Für den Schwerenöter kein Problem, hat er so doch mehr Zeit, seine Verflossene anzubaggern. Beide verstehen sich noch immer gut; selbst mit dem Sex – so ungewollt er sich auch ergibt – scheint es besser zu klappen als mit der Mittdreißigerin Lucia (Lucia Peraza Rios), die von Nico unbedingt ein Kind will. „Es war noch nie so locker und entspannt zwischen uns beiden“, schwärmt der zukünftige Ex. Aber da hat natürlich auch Vicky noch ein Wörtchen mitzureden. Und die ist hin und hergerissen. Auch sie überkommen nostalgische Gefühle, schließlich hatten die beiden auf Mallorca auch gute Zeiten. Andererseits: Kann man mit diesem Filou alt werden? Und dann ist da ja noch Javier (Gregory B. Waldis), der Mieter ihres Hauses, der nicht ausziehen will, und den sie ob seiner Überzeugungen auf Anhieb ausgesprochen sympathisch findet. Auch dass er alles langsamer angeht als Nico hat was.
Foto: ZDF / Christiane Pausch
Mallorca ist durchaus eine „Ein Sommer“-Filmreise wert
Die „Ein Sommer“-Reihe ist und bleibt die Ausnahme von der ZDF-„Herzkino“-Regel. Es mag überraschen, dass erst der 26. Film ans Lieblingsreiseziel der Deutschen führt. Offenbar wurde Mallorca von Redakteuren und Produzenten bislang als ein zu banaler Urlaubsort gesehen und als zu wenig exotisch befunden für diese Reihe im Vergleich mit Orten wie Marrakesch, Island, Masuren, Lanzarote oder Sizilien. Wie sich zuletzt auch bei „Ein Sommer im Allgäu“ zeigte, ist diese Sorge jedoch unbegründet. Denn „Ein Sommer auf Mallorca“ zeigt ein bisschen Palma und viel vom anderen Gesicht der vermeintlichen Billigreise-Insel, jenseits von Ballermann und überfüllten Stränden. Außerdem ist da ja auch noch die Geschichte – und die lässt sich überaus stimmig auf Mallorca erzählen: Der bezahlbare Traum vom anderen Leben schwingt da genauso mit wie die Gentrifizierung, die längst auch die Insel erreicht hat und die die Spanier aufs Festland vertreibt. Diesen sozialen Aspekt unaufgeregt in die Geschichte zu integrieren, gehört zu besonderen Leistungen des Films von Florian Gärtner.
Erwachsene Geschichten, undramatische, alltagsnahe Situationen
Vor allem aber nimmt für den Film die Art und Weise ein, wie die Geschichte von den „Tatort“-Münster-Erfindern Stefan Cantz und Jan Hinter aus anschlussfähigen Situationen & alltagsnahen Stimmungen sehr unterschiedlicher Figuren heraus entwickelt wird. Durch den Verzicht auf überdeutliche Konflikte drängt sich hier selbst die einigermaßen für dieses Genre genormte Dramaturgie nicht allzu platt in den Vordergrund. Die Narration ist lockerer und offener strukturiert – und selbst die Ausflüge über die Insel besitzen als eine Art subjektives Stimmungs-Barometer stets einen sinnlichen Bezug zur Geschichte: So gibt der introvertierte Javier ein Stück von sich selbst preis, indem er der Fotografin(!) Vicky seine Lieblingsorte zeigt; die Fahrt über die Insel weckt aber auch bei ihr Erinnerungen; wodurch die Backstory des Ehepaars intelligent, figurenorientiert & atmosphärisch nachgereicht wird. Und die sympathischen Figuren, die nie Sklaven der Handlung sind, sondern eher wie eigenständige & eigenwillige Protagonisten wirken, tragen ihr Übriges zum Gelingen des Films bei. Die Alltäglichkeit des Erzählten spiegelt sich immer wieder angenehm in Szenen, in denen nur Bruchstücke des Gesprächs verständlich sind, es sind Beziehungsrituale (Spaß, weinselige Annäherung, Tanz), die verknappt dargestellt werden und bei denen die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die nonverbale Interaktion gelenkt wird. Und für den Schluckauf der Heldin gibt es schließlich komödiantisch das passende Gegenmittel: einen Kuss vom Ex.
Foto: ZDF / Christiane Pausch
Nico/Ohrt & Javier/Waldis: attraktive Objekte weiblichen Begehrens
Dramaturgisch etwas unausgegoren ist der kleine Unfall, in den das Paar und der Scheidungsrichter verwickelt sind und welcher der Grund für den verlängerten Aufenthalt der weiblichen Hauptfigur auf der Insel ist. Der Mini-Crash ist offenbar tatsächlich reiner Zufall, also kein abgekartetes Spiel des ewigen Kindskopfs (was auch mehr die Variante einer Screwball-Comedy wäre, ein Genre, das der Film ja – leider – nicht bedient). Der Zufall als dramaturgisches Mittel zum Zweck ist natürlich nicht gerade der Inbegriff narrativer Eleganz. Doch egal, schließlich will ja auch der geneigte Zuschauer, dass jene Vicky noch länger auf der Insel bleibt – weil ja zumindest schon mal der eine der beiden Männer, zwischen denen sich die Heldin genregemäß entscheiden muss, recht charmant und mit Christoph M. Ohrt für „Herzkino“-Verhältnisse attraktiv besetzt ist: keiner dieser Pilcher-Lindström-Langweiler! Dagegen wirkt Gregory B. Waldis anfangs tatsächlich ein bisschen wie „eine Trantüte“ (Thea, Vickys alte Bekannte), dafür aber macht der Südländer besonders optisch was her, gefällt (Frauen) mit seinem Akzent – und die aufrechte und gewissenhafte Art, wie er das Leben und die Liebe sieht, macht ihn dann doch immer mehr zum Objekt weiblichen Begehrens. Wunderbar die auch visuell bestechende Szene, in der der Meeresbiologe Vicky nachts seinen Arbeitsplatz, das Palma Aquarium, zeigt und ihr etwas von den monogamen Seepferdchen und Fischen erzählt, die sich ohne Sex fortpflanzen, während ihr, den Kopf an seine Schulter gelehnt, nach anderem der Sinn steht. Dieser Javier hat das richtige Tempo für einen 90minütigen Liebesfilm. Und Katharina Müller-Elmau (klasse besetzt auch in den Komödien „Mein Lover, sein Vater und ich“ und „Wie Tag und Nacht“) passt vom Spiel und von der Chemie her wunderbar zur Tonlage der Erzählung und zu den beiden Männern dieses leicht komödiantischen Films. „Ein Sommer auf Mallorca“ lässt man sich im März gern gefallen.