Ein Sommer auf Elba

Grauwiler, Schupp, Rieke, Maiwald, Ries. Der Kuss kommt pünktlich in Minute 60

Foto: ZDF / Christiane Pausch
Foto Rainer Tittelbach

„Ein Sommer auf Elba“ (Ariane Krampe Film) reiht sich nahtlos ein in diese ZDF-Reihe, die jahrelang zum Besten gehörte, was auf dem „Herzkino“-Sendeplatz um das vornehmlich weibliche Publikum buhlte. Nach 35 Episoden allerdings hat sich das Konzept – moderner, luftiger, alltagsnäher & weniger mit Handlung überfrachtet – etwas abgenutzt. Zwar erzählt der Film von Jophi Ries nach dem Buch von Birgit Maiwald mit dem Urlaub eines Ex-Paares der Kinder wegen eine so noch nicht erzählte Geschichte innerhalb dieser Reihe, aber der Rest ist das übliche Mehrdesselben inklusive einer Dramaturgie zum Uhrenstellen: Landlust trifft romantische Liebe. Der Film ist bloßer Zeitvertreib; der einzige Sinn besteht – wenn man so will: Corona sei Dank – in seinem möglicherweise psychohygienischen Effekt.

Einmal im Jahr machen Maja (Regula Grauwiler) und Thorsten (Janek Rieke), die seit über zwei Jahren geschieden sind, mit ihren Söhnen gemeinsam Urlaub. Das Paar hat sich im Guten getrennt – und sie wollen das ihren Jungs auch vorleben. Das klappte aber schon mal besser als dieses Jahr auf Elba. Erik (Levis Kachel) und Anton (Henry Horn) kommunizieren nur noch online, aber ihr Vater ist auch nicht viel besser. Der wird anscheinend dringend in der Heimat gebraucht, und nimmt die Sache überwichtig: Maja kennt das von früher und kann darauf gut verzichten. Als sie sich von ihren ‚Männern‘ nicht mehr wahrgenommen fühlt, Thorsten tatsächlich zurückfliegen will und sie sich – wie das ganze Jahr über – um die nur fast erwachsenen Kinder kümmern soll, da klinkt sie sich aus und flüchtet in die Glamping-Anlage von Lorenzo (Robert Schupp), über den sie bei der Ankunft am Hafen im wahrsten Sinne des Wortes gestolpert ist. Diese Auszeit von der Familie kann Maja jetzt bestens gebrauchen. Um Runterzukommen beobachtet und fotografiert die Apothekerin in ihrer Freizeit gern Wildvögel. Da der idyllisch gelegene, luxuriöse Campingplatz Vogelführungen anbietet – ein Grund mehr, sich hier einzuquartieren. Aber auch der charmante Italiener bringt das mit, was Maja jetzt guttun könnte. Aber es scheint etwas Belastendes zu geben in Lorenzos Beziehung zu seiner erwachsenen Tochter Bianca (Emelie Kundrun).

„Ein Sommer auf Elba“ reiht sich nahtlos ein in die „Ein Sommer“-Reihe, die sich in den ersten Jahren nach ihrem Start 2009 zum Besten, was das ZDF-„Herzkino“ damals zu bieten hatte, entwickelte und die es mittlerweile auf 35 Episoden gebracht hat. Es waren meist mehr als sehnsüchtige Schönwetterfilme. Beziehung wurde etwas moderner begriffen, Liebe konnte auch mal nur einen Sommerflirt bedeuten, und Alltag war stets spürbar, wenngleich eine moderate Dramatisierung der Filme stets auch die Sehgewohnheiten der Zielgruppe mitberücksichtigt(e). Und immer gab es was zu sehen. Während diesem Format weniger geneigte Kritiker die Dramaturgie der Filme eher unter der Rubrik „Wunderschön“ (gemeint ist die WDR-Sendereihe im Dritten mit ihren Reisereportagen) plus fiktionale Beigabe als „langweilig“ oder „handlungsarm“ ablegten, ließ sich aber gerade das als besondere Qualität der Reihe lesen. Hinzu kam und kommt zumeist eine für den Sendeplatz relativ frische Inszenierung, und die Besetzungsliste war in den Hauptrollen von Anfang an namhafter und ambitionierter (u.a. Christina Große, Ulrike Kriener, Hannelore Elsner, Jutta Speidel, Ulrike Folkerts, Nikolai Kinski, Christina Hecke) als beispielsweise bei „Inga Lindström“ oder „Rosamunde Pilcher“, Reihen, in denen zwar immer wieder junge, unbekannte Gesichter die wenig einfallsreichen Handlungen beleben, in denen renommierte Schauspieler aber meist nur in der zweiten Reihe stehen. Mittlerweile aber haben die „Herzkino“-Dauerbrenner aus Schweden und Cornwall ein bisschen aufgeholt in Sachen Zeitgeist, und „Katie Fforde“ droht der „Ein-Sommer“-Reihe zuletzt den Sommer-Frische-Rang abzulaufen. Sind diese Reihen ja eher Labels, so gibt es seit 2018 auch Reihen wie „Ella Schön“ mit Annette Frier oder „Ein Tisch in der Provence“, die den Sendeplatz auf ein anderes Niveau heben.

Ein Sommer auf ElbaFoto: ZDF / Christiane Pausch
Alte Muster. Obwohl Maja (Regula Grauwiler) & Thorsten (Janek Rieke) geschieden sind, machen sie der Jungs (Levis Kachel, Henry Horn) wegen gemeinsam Urlaub.

Soundtrack: Lisa Stansfield („The Real Thing“), Charlie Hunter ft. Norah Jones („Day Is Done“), Marvin Gaye („Where Are We Going“), Renato Rascel („Arrivederci Roma“), Manu Pilas („Bella Ciao“), Jackie Moore („Precious, Precious“), Robin Schulz ft. Francesco Yates („Sugar“), The Trammps („Disco Inferno“), Swing Out Sister („When The Laughter Is Over“), Lighthouse Family („I Wish I Know How It would Feel To Be Free“), Wings („Silly Love Songs“)

Zwar erzählt „Ein Sommer auf Elba“ mit dem Familie-Trennungspaar-Plot auf dem Papier eine so noch nicht erzählte Geschichte innerhalb dieser Reihe, aber der Rest ist das übliche Mehrdesselben inklusive der Dramaturgie zum Uhrenstellen (Kuss in der 60. Minute), das nach über 10 Jahren deutlich an Reiz verloren hat. Das Drehbuch ist ebenso routiniert und weitgehend überraschungsfrei von Autorin Birgit Maiwald (die letzten beiden „Lotta“-Filme) zusammengeschraubt – allerdings ohne den dramatischen Klischee-Höhepunkt, den „Kenner“ des Genres erwarten. Dazu gehören vorausdeutende Motive wie die Brille, die beim ersten Aufeinandertreffen des Paares ins Wasser fällt, und auch das Motiv der Vögel ist recht stimmig in die Narration eingebunden. Aber so etwas gehört zum Handwerk, welches im Übrigen auch Regisseur Jophi Ries, 30 Jahre lang „nur“ Schauspieler, beherrscht, was er ganz besonders in seinem Debütfilm „Ein Sommer auf Lanzarote“ zeigen konnte. Sein neuer Film gibt von den Locations zwar visuell auch einiges her, aber sehr viel mehr als Urlaubs-Sehnsüchte werden (zumindest in der unrunden Arbeitsfassung) hier nicht geweckt. Das Emotionalste an der Geschichte besteht in den von der Corona-Pandemie bestimmten Gedanken und Gefühlen, die den Zuschauer bei diesem unbeschwerten Urlaub, wie ihn die Protagonisten erleben dürfen, überkommen. Der Film ist bloßer Zeitvertreib; der einzige „Sinn“ besteht – wenn man so will – in seinem möglicherweise psychohygienischen Effekt.

So durchstreift man mit jener Maja die südländische Insel, genießt mit ihr den Landschaftsausblick, genauso wie man den nicht so berauschenden Ausblick auf die gemeinsamen Ferien auch als Zuschauer rasch realisiert hat. Selbst Männer dürften eher mit der liebenswert von Regula Grauwiler gespielten Figur sympathisieren als mit dem Ex-Ehemann, den Janek Rieke stoffelig wie gewohnt verkörpert. Zwar hübscht Lorenzo, den Robert Schupp glaubwürdig und charmant verkörpert, das nicht allzu vorteilhafte Männerbild zwischenzeitlich etwas auf, aber in Sachen Selbstfindung und Ehrlichkeit hat wie immer am Sonntag im ZDF die Frau die Nase vorn. Ein Plus der Reihe auch diesmal: Die Dinge, die in der Handlung Probleme bereiten, sind alltagsnah, künstliche Konflikte oder Themen werden nicht aufgebauscht. Die Gespräche sind entsprechend locker gehalten, und gelegentliche Informationsdialoge (der abendliche Plausch beim Wein nach 14 Minuten) werden von den Schauspielern mit links weggespielt. Im Vordergrund stehen eindeutig die Charaktere, und gibt es ein Dilemma in der Handlung, hat das etwas von einem kommunikativen Grundrauschen. Selbst Sightseeing-Szenen sind oft gekoppelt mit der Interaktionspolitik der Figuren. „Weltbewegendes“ steht nicht zur Disposition. Eine ungestillte, schwer definierbare Sehnsucht sind die Triebkräfte der Heldin: ein bisschen mehr Natur, mehr Ursprünglichkeit, mehr Vertrauen, mehr Nähe. Landlust trifft romantische Liebe.

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Reihe

ZDF

Mit Regula Grauwiler, Robert Schupp, Janek Rieke, Emelie Kundrun, Henry Horn, Levis Kachel, Antonio di Mauro, Michele Oliveri, Beatrice Richter

Kamera: Vladimir Subotic, Simon Farmakas

Szenenbild: Lily Punigitore

Kostüm: Mika Braun

Schnitt: Marco Pav D’auria, Günter Heinzel

Musik: Dieter Schleip

Redaktion: Beate Bramstedt, Rita Nasser

Produktionsfirma: Ariane Krampe Filmproduktion

Produktion: Ariane Krampe

Drehbuch: Birgit Maiwald

Regie: Jophi Ries

Quote: 4,95 Mio. Zuschauer (13,7% MA)

EA: 24.01.2021 20:15 Uhr | ZDF

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