Wolfgang ist gut drauf. Endlich hat er der gelernte Herrenausstatter wieder einen Job, einen lukrativen noch dazu: als Anlageberater winkt er mit 11% Rendite. Freund Günther, langzeitarbeitslos, hat auch schon wieder Pläne. Doch Frau Rademacher vom Jobcenter macht ihm einen Strich durch die Rechnung: Robben retten in Kanada is’ nich’! Stattdessen wird er von seiner Intimfeindin an eine Behinderten-WG vermittelt, als Fahrer, Haushaltshilfe & weniger lukrativ: ein Ein-Euro-50-Job! Die Krankmeldung der Betreuerin macht den Tierpfleger von sofort auf gleich zum Mädchen für alles für einen Rollstuhlfahrer, einen Autisten und ein Girlie mit Down-Syndrom. Da trifft es sich gut, dass Hobbykoch Wolfgang kein Glück mit seinem neuen Arbeitgeber hat. Dumm nur, dass der Knigge-feste Gutverdiener in spe mit der Aussicht auf eine saftige Provision sich so einiges gegönnt hat. Jetzt müssen er und Günther ganz auf die Gabe von WG-Bewohner Hans vertrauen. Sein Asperger-Syndrom lässt ihn die Logik von zufälligen Zahlenreihen erkennen. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann er beispielsweise den Lauf der Roulette-Kugel voraussehen. Also worauf warten?! Sich elegant eingekleidet, die Spendengelder von Wolfgangs werter Gattin eingepackt, das Töchterchen gleich mit und rein ins Casino. Kuballa & Krettek six. Sechs gegen die Bank.
Armin Rohde über den Regisseur:
„Manfred Stelzer hat einen sehr speziellen Blick auf Menschen, auch auf ihre Unfähigkeit, miteinander zu kommunizieren. Er weiß, dass Kommunikation oft nicht der Verständigung dient, sondern der Verstärkung des Missverständnisses.“Armin Rohde über den Social Comedy Touch:
„Wir handeln das Ganze mit so einem englisch ge-färbten Humor ab. Die Thematik wird nicht ver-deckt, nicht verschleiert und auch nicht verharmlost, und trotzdem laufen wir nicht triefnasig betroffen und selbstmitleidig durchs Bild.“
Um was kann sich eine Komödie um zwei Hartz-IV-Empfänger nur drehen? Um das liebe Geld natürlich. Erst fehlt es, dann fällt es den beiden Jungs im besten Mannesalter und ihren Helfershelfern in den Schoß, wenig später ist es erwartungsgemäß wieder weg… Es hat etwas Beglückendes für den Zuschauer, wenn sympathische Figuren, die dringend Cash brauchen, trickreich und gewitzt die (Spiel-)Bank abzocken. Nicht minder beglückend ist es, zwei wunderbaren Komödianten zuzuschauen, die zwischen britischer Social Comedy und Loriotschem Humorverständnis, zwischen Warmherzigkeit und kleinen politischen Unkorrektheiten Alltagssituationen mit Komik kurzschließen. Gegensätze ziehen sich an. Bei Armin Rohde und Ludger Pistor hat dieser Gemeinplatz Format: der Pingelige und der Rustikale, der lange Schmale und der kleine Untersetzte, der eine argumentiert und schwärmt mit Worten, der andere brummelt und grummelt in seinen Bart. Feine Ausdrucksweise trifft auf direkte Ansage. Das ist nicht nur toll gespielt, das ist auch gut ausgedacht von Katja Kittendorf und kongenial, stets mit Blick auf die Figuren, von Manfred Stelzer inszeniert.
Wie schon „Ein Schnitzel für drei“ ist „Ein Schnitzel für alle“ eine Charakter-Komödie vom Feinsten: das Tempo ist hoch, Witziges gibt es nicht selten in Form beiseite gesprochener Bemerkungen (Günther/Rohde: „Gemüse wird allgemein überschätzt“). Diese Komik im Vorbeigehen, dieses liebevolle Unterstatement ist das dramaturgische Herzstück dieser im besten Sinne altmodischen Komödie. Da gibt es keine ausgestellten Gags, da purzeln keine One-Liner, sondern sie sind wohl gesetzt („Kein Wort zu Mama, wenn du kein Schei-dungskind werden willst“), da werden Szenen nicht auf Pointe geschnitten. Diese Komödie erzählt eine Geschichte aus ihren Figuren heraus. Das Behinderten-Thema wird nicht aufgebauscht, der Asperger-Syndrom wird vielmehr in die Handlung integriert, so wie der Autist und seine gehandikapten Freunde mit ihrem Anderssein beiläufig Eingang in einige Szenen finden. Insgesamt behandelt die Geschichte die Behinderten weitgehend wie Nicht-Behinderte. Und dann gibt es noch eine köstliche Fremdschämvariante einer beliebten Komödiensituation. Da muss eines Abends Wolfgang bei der genesenen WG-Betreuerin den Verehrer spielen, damit Günther parallel in der Wohnung herumschnüffeln kann. Und da sitzen sie nun bei Suppe und Wein. Zuerst das „Du“, dann ein ziemlich schräger Kuss. Und keinem fällt etwas ein. Dann sie: „Ich genieße die Ruhe, nur das Klappern der zwei Löffel.“