„Die Neuen sind da!“ Die Nachbarn zumindest sind schon mal ganz aus dem Häuschen, dass es Familie Börner in ihr Grünfeld verschlagen hat. Vater Jan aber ist gar nicht happy über den Umzug in die Reihenhaussiedlung vor den Toren Frankfurts. Bald bestätigen sich alle seine Vorurteile: sein Nachbar ist ein selbstgefälliger Klotz, dessen Hund eine Bestie und die Frau im Haus eine verschüchterte Trine. Auch die anderen, diese umtriebigen Frauen, diese männlichen Grill-Anzünder, das ist alles nichts für ihn. Nicht einmal zum Arbeiten kommt er. Gerade als sich eine tiefere Sinnkrise andeutet, fährt mal wieder ein Möbelwagen vor – und plötzlich steht Maren vor ihm, eine Geliebte aus wilder Vorzeit. Nichts Ernstes soll das damals gewesen sein, erinnert sich Jan, „mehr so ein Sauna-Ding“. Sehr beruhigend für Gattin Anne, der der Job sowieso keine Zeit lässt für Eifersüchteleien. Und tatsächlich gibt der nach wie vor unzufriedene Göttergatte ihr auch keinen Grund dafür. Maren dagegen, die sich genau so verloren fühlt in dieser Spießer-Gemeinschaft, hätte nichts gegen eine kleine Auffrischung der wilden Zeiten. Und die Nachbarn hätten dann auch mal wieder was zum Tuscheln…
Das Ehepaar in der Alltagskomödie „Ein Reihenhaus steht selten allein“, das mit der neuen Wohnform, der praktischen Gleichförmigkeit und den übergriffigen Nachbarn ringt, muss sich irgendwann entscheiden: „Wollen wir dazu gehören oder nicht?“ Der Vater will eher nicht, aber was tut nicht ein guter Familienvater alles für Frau und Kinder! Doch da dies dem Helden nicht ausreichend gedankt wird, gefällt der sich bald in der Opferrolle. Neben der plausiblen Paar-Psychologie stimmt auch die situative Ausgangslage dieser ZDF-Komödie: der Wunsch, vor die Stadt zu ziehen, der Familie die alltäglichen Lebensumstände zu erleichtern, auch wenn man durchaus Bedenken hat ob der bislang Großstädtern weitgehend unbekannten Problemfelder, die sich hier auftun können. Autor David Ungureit findet griffige Bilder für diesen sich selbst kontrollierenden Mikrokosmos. Er entwirft eine Art Käfig voller hyperaktiver Kleinbürger. Der eine kennt nur seine Fische und liebt seinen dazu gehörigen Räucherofen mehr als seine Frau; der andere hat nur Augen für die dralle Nachbarin im Vorgarten. Die eine sagt nur Ja und Amen, die andere schreitet wütend vor Eifersucht nächtens zur Tat, und eine dritte hat immer – selbst nach einem Unfall – den passenden Kosmetiktipp parat. Nur die stumme Nachbarin sagt bald den entscheidenden Satz (unterstützt von der netten Scheidungsanwältin von nebenan) – ansonsten bleiben die Nebenfiguren ihren Rollen treu. Das gibt dem Sozialgefüge der Geschichte um Familie Börner die nötige Dichte.
Soundtrack: Lee Hazlewood & Bela B. („The First Song of The Day“), Quadro Nuevo (u.a. „Prinzessin Josefina“ / „Tu vuo‘ fa‘ l’americano“ / „Nature Boy“ / „Tango Gosselin“ / „Mocca Swing“), Elle King („Playing For Keeps“), Silver Convention („Fly Robin Fly“), SNAP („The Power“), MS MR („Hurricane“), Tom Odell („Can’t Pretend“)
Aus diesem System „Grünfeld“ gibt es kein Entrinnen; es sei denn, man packt seine sieben Sachen und verlässt diese „Vorstadt-Idylle“. Die Siedlung siegt immer. Da liegen Realität und Dramaturgie nah beieinander. Anfangs dient das Leben der Anderen als Katalysator für das, was in der Beziehung der Hauptfiguren nicht stimmt. Am Ende scheint selbst Jan Börner die Waffen zu strecken. Jetzt folgt offenbar „Eheabschnitt 3“: mitgrillen, sich anpassen, sich integrieren. Tatsächlich? Nicht nur die Symmetrie der Erzählung (Konkretes soll hier nicht verraten werden) verhindert, dass man als Zuschauer das Ende weder als vermeintlich glücklich noch als Ende begreift. Die Kreisstruktur der Erzählung korrespondiert perfekt mit dem realen Hamsterrad-Alltag, für den man ja nicht unbedingt in Grünfeld wohnen muss.
„Ein Reihenhaus steht selten allein“ hat alles, was eine gute Komödie braucht: sympathische Charaktere, ein vielschichtiges Drehbuch, eine Inszenierung, in der sich die Schrägheit der Story widerspiegelt und eine Palette an komischen Tonlagen, die von Sozialsatire über Slapstick bis zur Charakterkomik reicht; darüber hinaus flottes Tempo und gutes Timing. Außerdem lebt die Komödie nicht von billiger Denunziation und drückt auch nicht allem und jedem einen Bewertungsstempel auf. Und die Besetzung ist superb. Da ist der deutsche Cary Grant: Stephan Luca, da die Ehefrau, die zur sexlosen Kameradin geworden ist: Ulrike C. Tscharre – und schließlich Flelicitas Woll als verführerisch blickender Männertraum. Diese komödiantische „Ein-Mann-in-Gefahr“-Story hält – und das ist selten bei deutschen Komödien – auch den zweiten Blick aus. Da erkennt man dann die klugen Wendungen und die kleinen Brechungen, die dem Film von Titus Selge das gewisse Etwas geben. Man spürt, dass Autor Ungureit aus der Filmgeschichte gelernt hat und ein tiefes Bewusstsein für Dramaturgie besitzt. „Ein Reihenhaus steht selten allein“ könnte – in Anlehnung an Billy Wilders Meister-Komödie – auch „Das verflixte 14. Jahr“ heißen. Auch in der TV-Komödie wohnt die Versuchung nebenan und auch da ist Papa ganz und gar Familienvater, er ist sehr viel allein zu Haus und denkt eigentlich nicht ans Fremdgehen. Eigentlich! (Text-Stand: 28.4.2014)